Eine Keramikmanufaktur auf Hiddensee

(OZ v. 17.1.1980)

Der Stralsunder Joachim Ulrich von Giese, ein wohlhabender Armeelieferant der schwedischen Krone, erwarb im Jahre 1754 die Insel Hiddensee. Bei der Untersuchung des Bodens stellte er im nordwestlichen Uferteil des Dornbusches einen guten Ton fest. Giese beschloss, diesen industriell zur Herstellung von Töpfereierzeugnissen zu verwerten. So entstand die einzige Fayencenfabrik im ehemaligen Pommern und zugleich das älteste industrielle Unternehmen im Kreisgebiet Rügen.

Fayencen (Namengebend ist der italienische Ort Faenza) sind Keramiken aus gewöhnlichem Töpferton und einer aufgeschmolzenen, glänzenden und undurchsichtigen Glasur. Es entsteht eine große äußere Ähnlichkeit mit chinesischem Porzellan. Die Glasur machte den Ton undurchlässig und ermöglichte eine dauerhafte farbige Verzierung. Man unterscheidet zwischen einer Blei- und einer Zinnglasur., auf der gemalt wurde. Dem Hiddenseer Ton wurde außerdem Sand vom Darß und Ton aus dem Rheingebiet beigegeben.

Das 18. Jahrhundert gilt allgemein als Blütezeit der Fayence-Herstellung. An seinem Ausgang erlag sie dem doppelten Wettbewerb des Porzellans und des Steinguts (besonders aus England).

Bild 2. Hiddensee. Steilufer am Dornbusch. 1993


Das aktive Kliff am Dornbusch auf Hiddensee, 1993

Der Hiddenseer Ton wurde über den sogenannten Eselssteig (der Flurname existiert heute noch) nach Kloster zum Reinigen gebracht und von dort mittels einer am „Schwedenufer“ errichteten Brücke, die im Volksmund als „Porzellanbrücke“ bezeichnet wurde, per Schiff nach Stralsund gebracht. Giese beschäftigte auf Hiddensee sechs Mann zum Reinigen und weitere sechs als Schiffer bzw. Fuhrleute. Insgesamt hat die Fabrik über 100, teilweise sogar 200 Menschen ernährt. Die Werkstätten befanden sich in der Tribseer Str. 26.

1766 übernahm der Naturwissenschaftler und Mediziner J. E. L. Ehrenreich die Fabrik, der sie zu einer neuen Blüte führte. Die Stralsunder Fayencen gelten nach ihrem Formenreichtum und der qualitativen Ausführung als sehr hoch stehend (z. B. große Suppenterrinen mit Deckelspitzen, Vasen, Gitterkörbe oder Teller mit scheinbar geflochtenem Rand). Beachtenswert ist auch die Malerei von Jean Carbonnier, J. O. Frantzen und G. H. Zopf. Es war eine im Rokokogeschmack verfertigte Luxusware der gehobenen Schicht. Als Kennzeichen galten erst ab 1767 (zuvor fehlten sie) ein Pfeil mit genauem Datum, einem E (Ehrenreich) und eine Malersignatur.

Bild 1. -2.Stralsunder Fayencefliese aus dem Hause ....Schulz-Berlekamp 1995, 95  II

Stralsunder Fayencefliese aus dem Hause der Familie Giese in Kloster auf Hiddensee (nach G. Schulz-Berlekamp 1995, Abb. S. 95)

Bei aller Bewunderung dieser Keramik sollte man nicht übersehen, dass bei ihrer Herstellung zehn- bis zwölfjährige Kinder beschäftigt waren. Die Entlohnung der Arbeiter war so mangelhaft, dass es 1769 sogar zur Streikandrohung kam.

Absatzschwierigkeiten, die Explosion des Pulverturms 1770 am Tribseer Tor (hier befanden sich die Werkstätten) und eine zu aufwendige Produktion führten schließlich zum Konkurs und zum Stillstand im Jahre 1792. Eine sehr schöne Sammlung Stralsunder Fayencen befindet sich im Kulturhistorischen Museum Stralsund, das auch die Mitteilung über in Privatbesitz befindliche Stücke entgegennimmt.

Zusätzlich verwendete Literatur:
Schulz-Berlekamp, G.: Stralsunder Fayencefliesen auf Hiddensee. In: Rugia Journal. Rügener Heimatkalender 1995, S. 95-96.