Weihnachten auf Rügen vor 100 Jahren

Ostseezeitung 18. 12. 1978

Senkte sich der Winter über Rügen, erlahmte  im vergangenen Jahrhundert (im 19. Jh.) der Verkehr, und der Inselcharakter prägte sich aus. Eine starke Eisdecke verhinderte den Trajektverkehr zwischen Stralsund und Altefähr, hemmte den zunächst nur nach Saßnitz führenden Zugverkehr und führte oft zum Einschneien von Ortschaften. Über den Strelasund verkehrte dann der Pferdeschlitten, der sogenannte Koithahn. Damit wurden Lasten, Personen und Kleintiere befördert. Die Fahrt über das Eis war jedoch nicht ungefährlich, da plötzliche Eisspannungen zur Bildung von Schollen führten. So verbrachte im Jahre 1893 ein Ummanzer zwei Tage und zwei Nächte auf einer Scholle, ehe er gerettet wurde.

Abb. 1 Mönchguter Tracht. Foto Bitterling-Göhren. 1982.

Abb. 1 Mönchguter Tracht. Foto Bitterling-Göhren. 1982.

Die Eisdecke verhinderte den Fischfang, der für viele der einzige Gelderwerb war. Im Winter 1888 verdienten die rügenschen Fischer eine Zeitlang nur eine Mark in der Woche. Ein Pfund Weizenmehl kostete aber 40 Pfennig, ein Pfund Zucker 50 Pfennig und ein Pfund Fleisch zwischen 40 und 60 Pfennig! Natürlich war die Eisfischerei nicht ungefährlich. So trieben 1883 sechs Breeger Fischer mit einer Scholle ab und konnten sich nur mühsam retten.

Natürlich bestimmte diese wirtschaftliche Lage der arbeitenden Bevölkerung Rügens auch die Form des Weihnachtsfestes. Mit dem Aufwand, wie wir es heute zu feiern gewohnt sind, war Weihnachten im 19. Jahrhundert nicht vergleichbar. Blättern wir in der Geschichte zurück, so müssen wir überhaupt feststellen, dass das Überreichen von Geschenken am 24. Dezember sich erst im 17. und 18. Jahrhundert in Mecklenburg einbürgerte. Davor erfolgte ein Beschenken nur am 6. Dezember. Die Kinder hielten dann ihre Mützen hin, in die Äpfel, Nüsse und Gebäck geschüttet wurden. In einigen Gegenden gab es neben den bekannten „Peppernött“ die „Haaspuppen“. Sie waren aus Wasser und Weizenmehl gebacken und stellten Adam und Eva dar. Man aß sie in Milchsuppe gebrochen.

Abb. 2 Altefähr. Rohrgedecktes Haus mit Walmdach. Aufnahme - A. Leube. 2008.

Abb. 2 Altefähr. Rohrgedecktes Haus mit Walmdach. Aufnahme – A. Leube. 2008.

Der Weihnachtsbaum setzte sich erst um 1860 in Mecklenburg durch. Da er mit Rosinenbändern behangen wurde, nannte man ihn „Rosinenboom“. Die Lichter stellte man selbst her. Man drehte Flachs und Bienenwachs zu dicken Rollen und schnitt davon fingerlange Enden ab. Diese Lichter hießen „Släpkatten“.

Eigenartig muten uns einige „Bräuche“ an, die  in der Nacht vom 24. Zum 25. Dezember in Stralsunder Kirchen ausgeübt wurden. Der damalige Bürgermeister Franz Wessel (1487 – 1570) berichtete darüber. Die Christmesse – der Gottesdienst war noch katholisch – setzte um Mitternacht ein und dauerte Stunden. Zwischen den Andächtigen saßen junge Burschen in Frauenkleidern oder als Hirten verkleidet mit Hunden, Schafen oder Ziegen. Sie spektakelten umher und zerknallten Schweineblasen mit getrockneten Erbsen. In Kirchenecken wurde gegessen und getrunken.

So hat sich das Weihnachtsfest zwar in seinen äußeren Formen im Laufe vieler Jahrhunderte gewandelt, sein ursprünglicher Grundgedanke, der bis in altgermanische und römische Zeiten zurückreicht ist bis heute erhalten geblieben: Ein Fest des Friedens und der Völkerverständigung, der Besinnung und Sammlung neuer Kräfte.