Stadt Bergen auf alten Ansichten

(OZ v. 23.01.1990)

Rügens Heimatliteratur konnte um ein interessantes Büchlein bereichert werden

Die Bergener Barb und Karl Zerning haben kürzlich in einem kleinen Büchlein 75 Ansichten Bergens und Bilder aus dem städtisch-kulturellen Leben zusammengestellt, die nicht nur dem Einheimischen interessante Einblicke in das Leben und die Entwicklung der kleinen Ackerbürgerstadt über drei Jahrhunderte geben. Beide Autoren haben dazu kleine informative Erklärungen erarbeitet. Es ist mit gebührendem Abstand von fast aller Heimatliteratur, die nach 1945 erschien, die erste, die dem Bürgerleben und der Stadtentwicklung Bergens zwischen 1850 und 1933 gerecht wird und sie auch mit innerer Anteilnahme und mit Liebe zum Detail wider gibt – und wohltuend empfindet man das Fehlen jeglicher Hinweise zu der Bergen immer aufgezwängten Darstellung der „Klassenkämpfe“.

Es sind vor allem wenig bekannte und heute in Vergessenheit geratene Ansichtskarten, die beide Autoren abbilden. Dabei wird eine große Vielfalt deutlich, und man ist erstaunt, wie dürftig dagegen die Motivauswahl gegenwärtiger Bildkarten ist. Hier wünscht man sich, dass die Stadtverwaltung Anregungen aufnimmt und sie touristisch umsetzt. Es müssen nicht immer der Rugard und der Markt als Signet dienen. Interessante Motive bilden z. B. die Viesch-, König- und Raddasstraße, die allerdings auch früher wenig Beachtung fanden.

Bergens Stadtzentrum hat sich seit knapp zwei Jahrhunderten wenig verändert. Dennoch sind einige Um- und Anbauten erschreckend entstellend durchgeführt und lassen sich an den alten Ansichtskarten belegen. „Beliebt“ waren bei den Bauherren der jüngsten Zeit kastenartige Vorbauten – etwa an der Rugard-Apotheke, am Ratskeller, am abgerissenen „Gasthof zum Rugard“ oder beim „Haus des Bauern“ (Königstraße 46). Eine gegliederte Fassade besaß früher auch das Bahnhofshotel, das in heutiger Zeit einen monotonen und unattraktiven Vorbau erhielt.

Gegenwärtig ist das nun über 200jährige Stadtbild gefährdet. Einige Häuser am Markt und in der Königstraße sind bereits unbewohnt und in der Bausubstanz schwer geschädigt. Das ehemalige Hotel zum Rugard wurde abgerissen. Im Rahmen der geplanten Stadtsanierung hofft man auf Lösungen, die dem Stadtbild und den Traditionen verpflichtet sind. Allerdings muss bald etwas geschehen, um weiteren Verfall zu verhindern. Vielleicht lässt sich auch das Schützenhaus wieder zum Leben erwecken. Mit seinem schönen Vorgarten war es das Vereinshaus der Schützengilde, des Turn- und des Gesangvereins. Um 1900 fanden Sommers Gartenkonzerte statt.

Einige Bilder sind dem Bergener Bürgerleben gewidmet. Hier erfahren wir etwas über Umzüge des Schützenvereins, das Schulwesen und allgemeine Geselligkeit. Viele Familien sind seit dem Mittelalter ansässig und haben der Stadt über Wirren und Unbilden hindurch die Treue gehalten. So werden die Familien Lange, Krohß, Fischer, Hellwig, Neitmann, Asmus, Kramer, Stahnke, Nehls, Palm Freese usw. erwähnt.

Ein Bild zeigt das Kriegerdenkmal auf dem Bergener Markt mit dem Spalding-Kloster. Dieser Bau wurde 1848 von Barbara Maria Spalding (1756 – 1848) als Jungfrauenstift für die Töchter des Rügenschen Bürgertums gestiftet. Die Ordensregeln und Gesetze dieses Stiftes waren sehr milde. Die Bewohnerinnen genossen alle Freiheiten, waren aber zu Sparsamkeit und Einfachheit angehalten.

Ergänzend treten viele Ansichten zum Bergener Marktleben hinzu. Neben den Viehmärkten gab es Krammärkte, wo die Bauern ihre Produkte anboten. Der Marktplatz als Zentrum urbanen Lebens war lange zeit zum Parkplatz deklassiert. Das liebevoll gestaltete Büchlein gehört in eine gepflegte Heimatbücherei. Es könnte Anlass ähnlicher Werke über die rügenschen Badeorte, über Garz und Gingst usw. werden.

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