Ein Bad kostete zwei Silbergroschen

(OZ v. 8.4.1976, Fortsetzung)

Saßnitz im vorigen Jahrhundert

Die Anfänge des Badebetriebes in Sassnitz waren um 1850 äußerst bescheiden. Der Ort befand sich in einer Uferschlucht. „Die Häuser mit ihren Ställen und Dunghöfen liegen daher sehr zusammengedrängt, wodurch die Frische der Luft sehr beeinträchtigt wird, die überdies auch noch durch den Rauch, worin die Bücklinge, Flickheringe, Spickflundern und Spickaale bereitet werden, keine angenehme Zugabe erhält“ – so schreibt der Neubrandenburger Ernst Boll 1857. Das Trinkwasser entnahm man dem durch den Ort fließenden Steinbach, der außerdem eine Wassermühle trieb. Damals gab es nur einen Gasthof, offenbar den heutigen „Sassnitzer Hof“. So beköstigte man sich zumeist selber: denn die Kochkunst der Einheimischen war äußerst bescheiden. Backwaren und Fleisch mussten in Sassnitz eingekauft werden. In Sagard befanden sich auch ein Arzt und die Post.

Sassnitz, historische Aufnahme ca.1850

Sassnitz, historische Aufnahme ca.1850

Man mietete die Wohnzimmer, während die Sassnitzer auf die Böden und in Kammern zogen. Die Zimmer erhielten einen Kreideanstrich und trugen unter der Zimmerdecke als Schmuck einen Kranz frischen Efeus. Den Fußboden bestreute man mit Knirkblättern (Wacholder). Die Einwohner wurden als höflich, uneigennützig und hilfsbereit geschildert. Besonders lobte man ihre Ehrlichkeit und Verträglichkeit.

Dazu kommt eine gewisse Schwermütigkeit („nicht einmal singen oder pfeifen hört man die Leute“). Ihr Bildungsgrad war gering und beschränkte sich auf Anfänge von Lesen und Schreiben. Dieses beschämende Eingeständnis erklärt sich aus den schlechten Schulverhältnissen Rügens und läßt sich auf die gesamte damalige Landbevölkerung übertragen.

Sassnitz und Krampas besaßen seit 1841 Badehütten zum Auskleiden, wobei Sassnitz bereits ein getrenntes „Damen- und Herrenbad“ hatte. Hier kostete ein Bad auch zwei Silbergroschen, in Krampas nur einen. Zu den „Amüsements gehörten Spazierfahrten mit „einfachen himmelblau angestrichenen Leiterwagen, auf denen der Fahrende auf eine seine Verdauung sehr befördernde Weise zusammengerüttelt wird“.

Der erste Weltkrieg und die Revolution von 1918 veränderten die Zusammensetzung des Badepublikums. 1924 registrierte man etwa 20 000 Badegäste und empfahl in den Prospekten die „Zwanglose und bescheidene Atmosphäre“. Beliebt waren Mondscheinfahrten mit Musik und Tanz an Bord einiger Vergnügungsdampfer, die Stubbenkammer anliefen und die Kreidefelsen anstrahlten.

 

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