Archiv für den Monat: Juli 2013

Ranenburg Rugard ist schon über 800 Jahre alt

(OZ v. 26.5.1977) Zu den Arbeiten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin zur Erforschung der slawischen Geschichte Rügens gehört auch eine Untersuchung der Burg „Rugard“ (d. h. Ranen- oder Rügenburg). Die Slawen erbauten hier auf einem schmalen, nach drei Seiten jäh abfallenden Höhenrücken von über 90 Meter über dem Meeresspiegel, eine geschickte Verteidigungsanlage, von der mächtige Erdwälle bis zu 10 Meter Höhe längs des Weges nach Buschvitz zeugen. Die Burg war zweigeteilt. Die höher gelegene „Hauptburg“ trägt heute den Arndt-Turm und die Gaststätte. Die um eine Drittel kleinere Vorburg – hier befanden sich vor einigen Jahren Tiergehege – wird von schwächeren Erdwällen zangenartig umgeben und besitzt noch zwei alte Zugänge.

Rugard bei Bergen 1972. Alter slawischer Zugang zum Burgwall an der heute asphaltierten Landstraße nach Buschvitz. Hier verlief einst der Wallgraben.

Rugard bei Bergen 1972. Alter slawischer Zugang zum Burgwall an der heute asphaltierten Landstraße nach Buschvitz. Hier verlief einst der Wallgraben.

Die Burg bestand mit Sicherheit noch im 11. und 12. Jahrhundert und scheint später, neben Garz, zeitweiliger Sitz der rügenschen Fürsten gewesen zu sein. Man bezieht sich dabei auf eine Urkunde eines Jaromar II. von Rügen, der diese 1258 mit der Ortsangabe „datum Ruygart“ versah. Wenige Jahrzehnte später nennen Urkunden eine Kapelle auf dem Rugard, die 1291 dem Bergener Kloster geschenkt wurde. Die Kirche auf dem „Rygharde“ soll 1380 abgerissen worden sein.

Inneres des Rugard-Walles 1972. In der DDR-Zeit wurde ein völlig neuer Zugang zur neu errichteten „Rugard-Gaststätte“ errichtet.

Inneres des Rugard-Walles 1972. In der DDR-Zeit wurde ein völlig neuer Zugang zur neu errichteten „Rugard-Gaststätte“ errichtet.

Leider lassen die modernen Bebauungen in der Hauptburg keine größeren Aufschlüsse zur mittelalterlichen Geschichte erwarten, zumal später hier auch eine Mühle stand und die Innenfläche beackert wurde. Allerdings weisen bemerkenswerte Funde, wie ein romanisches Türschloss, arabische Münzen, ein Bildstein unbekannter Form u. a. auf die Bedeutung der Burg hin. Wir dürfen daher in ihr den Verwaltungsmittelpunkt des slawischen Burgbezirkes Gora (deutsch Bergen) sehen, dessen Funktion sich mehr und mehr auf die entstehende Stadt Bergen übertrug.

Zugang zum Burgwall 1970. Einsatz des Baggers beim Modernisierungsbau

Zugang zum Burgwall 1970. Einsatz des Baggers beim Modernisierungsbau

 Dieses historische Bild ist jedoch noch sehr ungenau. Die Erforschung der Umgebung des Rugard nach eventuellen slawischen Siedlungen und das Verhältnis zur Stadt Bergen sind noch zu klären. Lediglich der Stadtteil Gattmund dürfte eine slawische Wurzel besitzen. So sollten Bodenfunde bei Bau- und Erdarbeiten (Scherben, dunkle Verfärbungen u. ä.) sofort dem Kulturhistorischen Museum Stralsund gemeldet werden.

Blick vom Arndt-Turm auf die neue Rugard-Gaststätte 2010

Blick vom Arndt-Turm auf die neue Rugard-Gaststätte 2010

In den folgenden Jahrhunderten besaß der Rugard eine geringe Bedeutung. Er gelangte in den Besitz der Fürsten von Putbus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete die französische Garnison die ersten Bänke und Ausflugspunkte. Bald entstand die „Gastwirtschaft am Rugard“, die als einfache, aber gute Wirtschaft gelobt wurde. Im vorigen Jahrhundert endeten hier sehr oft Umzüge der Bergener. Auf dem Rugard fanden Sportveranstaltungen unter dem Motto „Muth, Kraft, Fleiß, Ausdauer!“ statt. Der Rugard wurde ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen und der Stralsunder.

Pfingsten 1889 wurden allein an einem Tag 130 Kutschfahrten vom Bahnhof zum Rugard gezählt. Mit dem Bahnbau nach Sassnitz und Putbus verlor die Stadt Bergen als Ausflugsort an Bedeutung.

Innerhalb des Hauptwalles wurde zwischen 1869 und 1877 durch Aufschüttungen und Planierungen der etwa 27 m hohe Ernst-Moritz-Arndt-Turm als Aussichtsturm errichtet 2010

Innerhalb des Hauptwalles wurde zwischen 1869 und 1877 durch Aufschüttungen und Planierungen der etwa 27 m hohe Ernst-Moritz-Arndt-Turm als Aussichtsturm errichtet 2010

Fast zwei Jahrhunderte „Schwedenzeit“

König Gustav IV Adolf hob Pommersche Verfassung und die Leibeigenschaft auf

(OZ v- 5.11.1976) Rügens militärisch-strategische und wirtschaftliche Bedeutung führte seit dem 12. Jahrhundert  zu verschiedenen Kriegen um seinen Besitz. Weniger bekannt ist eine längere schwedische Verwaltung zwischen 1630 und 1815. Diese Epoche verbindet gleichzeitig unsere beiden Ostseeländer und wird daher auch gemeinsam von den Historikern erforscht.

Schweden hatte sich im 17. Jahrhundert zu einer europäischen Großmacht entwickelt und innerhalb des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) u. a. das damalige Vorpommern bis zur Peene besetzt. Schweden behielt es bis zur preußischen Übernahme am 19. September 1815.

Ehemaliges Herrenhaus Spyker 1980, errichtet Ende des 16. Jahrhunderts, umgebaut durch den schwedischen General v. Wrangel (1613-1676) um 1650. Zu DDR-Zeiten war es ein Ferienheim des FDGB, heute Restaurant und Hotel.

Ehemaliges Herrenhaus Spyker 1980, errichtet Ende des 16. Jahrhunderts, umgebaut durch den schwedischen General v. Wrangel (1613-1676) um 1650. Zu DDR-Zeiten war es ein Ferienheim des FDGB, heute Restaurant und Hotel.

In diesem Zeitraum vollzogen sich die Entwicklung finsterster feudaler Ausbeutung der Bauernschaft und die Bildung des adligen Großgrundbesitzes. Durch das sogenannte Bauernlegen, bei dem der Grund und Boden des Bauern entschädigungslos dem Herrenhof zugeschlagen wurde, verringerte man den Bauernstand beträchtlich. Hinzu kamen ungeheure Frondienste (Hand- und Spanndienste), die bis zu fünf Tage wöchentlicher Arbeit auf dem Herrenhof umfassten, sowie unzählige Abgaben. Auf Rügen war es Zehnt und Gült, Grundzinsen, Herdgeld, Pfingstlamm, Martinsgans, Fastnachtshühner, die besten Stücke aus dem Nachlass des Bauern (sog. Besthaupt oder Buttteil) usw.

Altes Bauernhaus in der „Rugard-Heide“ am Wege von Bergen nach Buschvitz 1958. Alte Fischernetze dienten als Zaunbegrenzungen. Das Haus wurde wenige Jahre später aufgegeben und existiert nicht mehr.

Altes Bauernhaus in der „Rugard-Heide“ am Wege von Bergen nach Buschvitz 1958. Alte Fischernetze dienten als Zaunbegrenzungen. Das Haus wurde wenige Jahre später aufgegeben und existiert nicht mehr.

Nach 1780 wurde diese Ausbeutung besonders verschärft, und man legte ganze Bauerndörfer. Ernst Moritz Arndt, ein mutiger Kämpfer gegen die Leibeigenschaft, gibt uns eine Schilderung: „Auf Rügen wütete dies Unheil (des Bauernlegens) viel schlimmer als in Pommern, weil dort der kleinste und ärmste Adel war, auch wurden im ganzen die Leute auf Rügen viel strenger gehalten als in Pommern …“ 1797 erhoben sich die Tagelöhner und „gelegten“ Bauern in Boldevitz gegen die Gutsherrschaft. Ihr Aufstand wurde durch Militär niedergeworfen. Zu dieser Zeit waren zwei Drittel der Landbevölkerung leibeigen. Etwa 1000 Menschen flohen (nach Arndt) zwischen 1780 und 1800 von der Insel.

Groß Schoritz. Herrenhaus 2005.  Hier wurde Ernst Moritz Arndt am 26. Dezember 1769 geboren.

Groß Schoritz. Herrenhaus 2005.
Hier wurde Ernst Moritz Arndt am 26. Dezember 1769 geboren. 

Diese unmenschliche Politik wurde vom pommerschen Adel sowie vom oft feudal verketteten Bürgertum getragen, die sich auf reaktionäre Gesetzgebungen von 1616 und 1646 stützten. Die schwedische Regierung versuchte seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts durch eine progressive Agrarpolitik, einen wirtschaftlich und militärisch leistungsfähigen Bauernstand zu schaffen. Um eine gerechtere Steuerregelung zu erreichen, wurde auf Rügen eine neue Landvermessung vorgenommen. Gleichzeitig bemühten sich die Schweden um eine Lockerung der Leibeigenschaft durch das System des Pachtbauern. Seit 1780 parzellierte die Regierung daher einige Domänen und schaffte verschiedene Frondienste ab.

Stralsund, Badenstr. 17. Der 1726 bis 1730 erbaute Sitz des schwedischen Generalgouverneurs. Hier erfolgte 1815 die Übergabe Schwedisch Vorpommerns an Preußen.

Stralsund, Badenstr. 17. Der 1726 bis 1730 erbaute Sitz des schwedischen Generalgouverneurs. Hier erfolgte 1815 die Übergabe Schwedisch Vorpommerns an Preußen.

Leider blieben diese Maßnahmen meist erfolglos, da entsprechend der Pommerschen Verfassung die Landstände für die Innenpolitik maßgebend waren. Diese Landstände, seit 1650 standen ihnen die Grafen und später die Fürsten von Putbus vor, umfassten jedoch nur Vertreter der Ritterschaft, der Geistlichkeit und der Städte (auf Rügen waren es Bergen und Garz). Um 1800 versteifte sich der Widerstand des Adels gegen weitere positive schwedische Reformen. So hob der schwedische König Gustav IV Adolf die Pommersche Verfassung und die Leibeigenschaft auf. Objektiv führte das zu einer Entfaltung der nationalen Kräfte und zur Entlarvung der antinationalen Haltung des pommerschen und rügenschen Adels. Da die Bauern sich aus der Leibeigenschaft  freikaufen mussten, waren viele gezwungen, ihren Besitz dem Gutsbesitzer anzubieten oder noch einige Jahrzehnte ihre Schulden abzuarbeiten.

Stralsund, Badenstraße 39. Das um 1700 erbaute Landständehaus. Hier tagte der Neuvorpommersche Kommunallandtag bis 1881.

Stralsund, Badenstraße 39. Das um 1700 erbaute Landständehaus. Hier tagte der Neuvorpommersche Kommunallandtag bis 1881.

 Der Anschluss an die preußische Monarchie 1815 erfolgte keineswegs mit der Begeisterung, wie sie uns die ältere Heimatliteratur vorgaukelt. Adel und Bürgertum fürchteten um ihre Privilegien, wie den Getreidehandel mit Schweden. Noch einige Tage vor der Übergabe drückten die Landstände ihr Bedauern darüber aus. Die ausgebeuteten Klassen sahen in der schwedischen Regierung einen Beschützer und konnten nach den Maßnahmen von 1806 kaum eine Besserstellung erwarten.

Blick vom „Tempelberg“ bei Bobbin auf Schloss Spyker 1970. Im Hintergrund der Spykersche See und die Tromper Wiek. Bildautor unbekannt

Blick vom „Tempelberg“ bei Bobbin auf Schloss Spyker 1970. Im Hintergrund der Spykersche See und die Tromper Wiek. Bildautor unbekannt

Aus dieser Schwedenzeit haben sich auf Rügen nur wenige Spuren erhalten, so etwa das Schloss Spyker, das der schwedische Feldmarschall und Generalgouverneur Carl Gustav von Wrangel 1649 als Lehen erhielt und umbaute. Hier starb er auch 1676. In der plattdeutschen Mundart erhielten sich einige Begriffe (wie „Linjons“ für Preiselbeere) und in der Volkskultur einige Bräuche (wie Julklapp und das Tonnenreiten).

Einmalige Denkmalslandschaft

(OZ v. 25.5.1978) Die Nutzung der Stubnitz durch Waldweide, Kohlen-Meilerwirtschaft, Bau- und Brennholzgewinnung führte im Laufe der letzten Jahrhunderte zu einer Reduzierung des Waldes, der ursprünglich weite Teile Jasmunds bedeckte. Dabei veränderte sich der Baumbestand durch das Eindringen der Hain- und der Rotbuche zu Ungunsten der Eiche. Nadelholzanpflanzungen erfolgten sogar erst nach 1820. In diesem Jahrhundert durchforstete man die Stubnitz mit Eichen, Kiefern, Fichten und Lärchen, so dass heute etwa 80 Prozent Rotbuche, elf Prozent Fichte, Douglasie und Tanne, 2,5 Prozent Lärche und Kiefer, 1,9 Prozent sonstiges Laubgehölz zu registrieren sind (Dost, H. Rügen. Die Grüne Insel und ihre Naturschutzgebiete, 1960).

Stubnitz. Altes Torfmoor am Falsinger Berg 2009

Stubnitz. Altes Torfmoor am Falsinger Berg 2009

Die Nutzung der Stubnitz durch die rügensche Bevölkerung wurde spätestens seit dem16. Jahrhundert durch die herrschende Klasse weitgehend eingeschränkt. Das Waldgebiet gehörte den pommerschen Fürsten, die 1546 eine „Holzordnung“ erließen. Man durfte den Wald nur noch zu bestimmten Zeiten und auf festen Wegen, die durch „Baumhäuser“ kontrolliert wurden, betreten. Die Stubnitz wurde damit fürstliches Jagdrevier für Hochwild. Das Jagdrecht blieb auch später in den Händen des Adels und des gehobenen Bürgertums, die im Frühjahr auf Schnepfen jagten. Allein 1894 wurden in den Jagdrevieren des Fürsten von Putbus – dazu gehörten u. a. auch Teile der Stubnitz – fast 7000 Stück Nutzwild erlegt, darunter 200 Stück Rot- und Damwild, über 2000 Fasane und fast 2000 Kaninchen. Es jagten neben einigen Offizieren die Barone von Veltheim (Neklade) und von der Lancken-Wakenitz (Boldevitz) sowie der Fürst selbst. Die Förster fungierten bei den Hochwildjagden in der Regel als Treiber und Organisatoren.

Großsteingrab des Typs „Großdolmen“ Pfennigskasten in der Stubnitz 2009.  Erhalten sind nur noch die Wandsteine. Die Deckplatten fielen den  Steinschlägern zum Opfer.

Großsteingrab des Typs „Großdolmen“ Pfennigskasten in der Stubnitz 2009.
Erhalten sind nur noch die Wandsteine. Die Deckplatten fielen den
Steinschlägern zum Opfer.

Die Stubnitz ist eine einmalige Denkmalslandschaft. Bis heute haben sich über 200 Hügel- und Großsteingräber aus der Stein- und Bronzezeit erhalten, deren Pflege und Erhaltung gleichfalls in den Landschaftspflegeplan gehört. Auch in den Jahrhunderten n. Chr. G. scheint die Stubnitz – besonders in ihrem westlichen Teil – von Menschen besiedelt gewesen zu sein. Neben seltenen Pflanzen, den einzigartigen Kreideablagerungen, den größten Kalktuffterrassen im Norden der DDR Nordosten Deutschlands und Schwefelquellen bietet die Stubnitz also auch den historisch interessierten Touristen Gelegenheit zur Erholung und Bildung. Begrüßenswert sind die vielfältigen Aktivitäten des Rates der Stadt Sassnitz und des Kulturbundes, deren Ziel darin besteht, die Stubnitz noch attraktiver zu gestalten. Das betrifft das Aufstellen von Hinweistafeln, das Anlegen von Wanderwegen und den Bau von Schutzhütten.

 

Aus Rügens jüngster Vergangenheit

Band 11 des „Greifswald-Stralsunder Jahrbuches“ mit zehn interessanten Artikeln über unsere Insel

( OZ, 6.1.1978) Ende 1977 erschien der 11. Band des „Greifswald-Stralsunder Jahrbuches“. Diese regionalgeschichtliche Zeitschrift – sie wird seit 1961 herausgegeben – veröffentlicht Forschungen aus und über den Nordosten unserer Republik. Von den 17 Beiträgen in diesem Band gehen allein zehn mehr oder weniger direkt auf Rügen ein. Dr. Harry Schmidt, Greifswald, untersucht die „Schmale Heide“ bis zum Jahre 1855. Die hier gelegenen Feuersteinfelder – sie entstanden zwischen 2000 und 1500 v. Chr. – wurden erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts teilweise aufgeforstet, solange galten sie als Tierweide.

New Image

Feuersteinfelder von Prora 1985

Am Beispiel der ehemaligen Insel „Großer Stubber“ – der heutigen „Großer Stubber-Bank“ – einige Kilometer von Thiessow im Greifswalder Bodden zeigt L. Mohr, Greifswald, die zerstörenden Eingriffe des Menschen in die Natur während des vorigen Jahrhunderts. Die Insel war noch 1835 mit „Strauchwerk von ziemlicher Höhe“ bewachsen. Danach baute man hier Kies ab und entfernte die schützenden Findlinge. Mohr geht auch der Frage nach, ob dieses Eiland den Rest einer großen Landbrücke bildet.

Die breite Palette der Aufsätze umfasst dann Probleme der rügenschen Rechtsgeschichte und Eigentumsverhältnisse des hohen Mittelalters. In einer Untersuchung wird auch der Münzfund von Gingst, den Werner Plitzkow aus Gingst barg und dem Museum Stralsund übergab, der interessierten Öffentlichkeit vorgelegt. Die Münzen wurden 1631 während des Dreißigjährigen Krieges verborgen.

In einer umfangreichen Arbeit stellt J. Kornow, Greifswald, die Rolle der Arbeiterklasse bei der Entwicklung der Organe der Volksmacht in Mecklenburg von 1945 bis 1952 dar. Die Hauptrolle bei der politischen Orientierung in jenen ersten Jahren nahm die Initiativgruppe des ZK der KPD unter der Leitung von Gustav Sobottka ein. Als Instrukteure wirkten auf Rügen die Mitglieder Anton Switalla und Gottfried Grünberg. Gestützt auf authentische Materialien und Statistiken lässt sich der komplizierte Weg des Aufbaus der neuen Gesellschaft in mehreren Etappen nachvollziehen. Bei den Gemeindewahlen am 15. September 1946 gehörten von den 838 Gemeindevertretern Rügens 741 der SED an.

Bergen. Bahnhofsvorplatz. Friedhof gefallener Soldaten der Roten Armee 1987.

Bergen. Bahnhofsvorplatz. Friedhof gefallener Soldaten der Roten Armee 1987.

Analog dazu untersucht Franz Scherer, Greifswald, die Entwicklung der genossenschaftlichen See- und Küstenfischerei von 1945 bis 1957. Scherer unterstreicht die Hilfe der Sowjetischen Militäradministration beim Aufbau des Fischereiwesens. So konnte am 1. Januar 1949 mit zwölf Kuttern des VEB Ostseefischerei Mecklenburg in Sassnitz seine Arbeit aufnehmen 1954 entstanden in Dranske und Glowe die ersten rügenschen Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer (PWF, später FPG).

 

 

Fischereihafen von Saßnitz im Jahre 1955. Aufnahme: Kurt Leube, Bergen.

Fischereihafen von Saßnitz im Jahre 1955. Aufnahme: Kurt Leube, Bergen

1957 kam es auf Anregung des 1. Sekretärs der SED-Kreisleitung Rügen, Georg Ewald, zur ersten Konferenz der Fischereiproduktionsgenossenschaften. Hier wurden die Überlegenheit sozialistischer Produktion herausgestellt und Fragen der innergenossenschaftlichen Demokratie und der Entlohnung nach dem Leistungsprinzip diskutiert. 1960 war die sozialistische Umgestaltung der See- und Küstenfischerei im Wesentlichen abgeschlossen.

Das „Greifswald-Stralsunder Jahrbuch“, Band 11, weist eine beträchtliche Vielfalt auf. Erfreulich ist dabei, dass in fünf Beiträgen unsere jüngste Vergangenheit dargestellt ist und damit auch dem Orts- und Betriebschronisten oder dem Geschichtslehrer, wie allgemein dem historisch Interessierten, Anhaltspunkte gegeben und Zusammenhänge analysiert werden. Man wünschte sich für die Zukunft auch Anschriften im Jahrbuch vermerkt, um Anfragen an die Verfasser richten zu können.

 

Alte rügensche Bräuche und Sitten zur Jahreswende

(OZ v. 31.12. 1974)

Die Jahreswende nahm seit jeher im Leben der Menschen eine gewichtige Stellung ein. Sie galt als kritisches Datum in der Auseinandersetzung mit den Geistern des Unheils um ein neues, glückliches Sonnenjahr. Für den Bauern war das eine lebenswichtige Frage, und er versuchte durch magische Handlungen, diesen Prozess günstig zu beeinflussen. Auf Rügen scheint sich dieser Aberglauben besonders stark ausgebildet zu haben.

Als Vegetationszauber (Mehrung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse) ist das Umbinden der Obstbäume mit Stroh und einer eingeflochtenen Münze zu verstehen. Dazu sprach man: „Appelboom ick bind di, nächstes Johr, da dienst du mi“. Die Hausfrau buk den „Nijohrskauken“ (Brotteig mit Anis und Backpflaumenfüllung), damit das Brot im kommenden Jahr nicht ausging. Als besonderes Neujahrsgebäck galten auf Rügen die noch heute bekannten Tollatschen (Kuchen mit Apfelmus, Pflaumen und Rosinen). Diese Bräuche waren mit dem „Herd abbacken“ in der Silvesternacht verbunden.

Pikant sind einzelne Liebesorakel: Ging ein Mädchen dreimal nackt ums Haus, so begegnete ihr ein Mann, der dem künftigen Ehemann ähnelte. Oder: Auf Wittow klopften die Mädchen einzeln an die Tür des Schweinestalles, antwortete ein junges Schwein, so bekam sie einen jungen Mann.

Jüngeren Datums sind einige von Haas im Jahre 1920 aufgezeichnete Bräuche: So sammelten in Bergen die Nachtwächter ein Silvestergeschenk für sich ein. Dasselbe geschah durch die Schornsteinfegergesellen am Neujahrstag.

Ein Brauch, der vermutlich katholischen Ursprungs war, hielt sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf Jasmund. Es war der Umzug der „Stirnkieker“, die mit weißen Hemden und Hüten bekleidet von Dorf zu Dorf zogen, eine längere Dichtung, teils gesprochen, teils gesungen, vortrugen und dafür Geld und Lebensmittel erhielten.

Dieses Brauchtum läßt sich noch ergänzen durch die Heischezüge, bei denen besonders die Jugend Eier, Kuchen und Geld erbat. Diese Umzüge erreichten in der Fastnacht ihren Höhepunkt und berühren damit einen anderen interessanten Themenkreis, das Frühjahrsbrauchtum.

Mag uns an diesem Brauchtum vieles unverständlich und kurios erscheinen, so müssen wir doch Verständnis für die damalige bäuerliche Lebensweise und die soziale Stellung unserer Vorfahren aufbringen. Sozialer Notstand, immerhin waren 1783 von den 21 000 Einwohnern Rügens 70 Prozent leibeigen – allgemeine Unwissenheit und andere Gründe bildeten einen günstigen Nährboden für diese Art von Aberglauben.

Mit Kegelmütze, Schnürleib und Kniehosen

(OZ v. 28.4.1977)

Jahrhundertealte Mönchguter Tracht, Im Göhrener Heimatmuseum wird sie aufbewahrt

Zu den bekanntesten Erscheinungen der der rügenschen Volkskultur gehört die Mönchguter Tracht, die gewissermaßen als das rügensche Symbol Eingang in die Werbung und in den Tourismus fand. Die DDR würdigte diese Tracht sogar durch die Ausgabe einer Briefmarke als Zusammendruck von Frauen- und Männertracht. Die beste Information vermittelt jedoch das Göhrener Heimatmuseum. Hier ist es der langjährigen Leiterin Ruth Bahls zu verdanken, dass mit Akribie und unter großen Schwierigkeiten sämtliche Trachtteile zusammengestellt und der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurden.

Historische Postkarte, ca.1910

Historische Postkarte, ca.1910

Die Tracht, die als „einfach und zweckmäßig, zurückhaltend und sparsam in den Farben“ bezeichnet wird, verkörpert nach einigen Wissenschaftlern „Ernst und Würde, und jene Schlichtheit, die Zeichen der Anspruchslosigkeit …“ ist. Sie wurde fast ausnahmslos im Haushandwerk hergestellt und ließ sich von Prinzipien strenger Sparsamkeit leiten. Das typische der Frauentracht bestand in einer kegelförmigen Mütze, dem Schnürleib, buntfarbigen Kanten- und dunklen Oberröcken. Ein bunt gestreiftes Mieder war mit Perlen besetzt und galt als eigentliches Zierstück der Tracht. Für die Männer war die bunt gestreifte Weste, eine offene Drillichjacke, und weite Kniehosen charakteristisch.

Da die frühesten Nachrichten zur Mönchguter Tracht erst 1730 einsetzten und genauere Beschreibungen sogar erst um 1800 erfolgten, bleibt ihre Entstehung und Herkunft eine noch weitgehend ungeklärte Frage. Nach älterer Auffassung – neuere Forschungen fehlen leider – bildete sich diese Tracht seit dem späten 16. Jahrhundert heraus und nahm besonders im 19. Jahrhundert verschiedene neue Kleidungsstücke auf (z. B. den Strohhut und die Perlenstickerei bei der Frau, Zylinderhut, Schirmmütze und langer Überrock für den Mann).

Weniger bekannt ist, dass eine ähnliche Tracht noch bis 1800 auf Ummanz und Hiddensee getragen wurde. Vermutlich weisen diese drei Trachtengebiete auf eine ursprünglich weit verbreitete, einheitliche Tracht im südlichen Ostseeküstengebiet (ähnliches gab es auch auf dem Darß und auf Usedom). Die Tracht hielt sich nur in kirchlichen Ländereien mit einer kulturellen und verkehrsmäßigen Abgeschlossenheit – Ummanz, Hiddensee und Mönchgut waren Klosterbesitz im Mittelalter. In den anderen gebieten vernichtete die verschärfte Ausbeutung seit dem 16. Jahrhundert das selbständige Bauerntum (sog. Bauernlegen und Entstehen der großen Güter mit Landarbeitern) und verhinderte die Ausbildung bzw. den Bestand einer bäuerlichen Tracht.

Historische Postkarte, 1901

Historische Postkarte, 1901

Verschiedentlich, so auch auf Rügen, versucht man im 20. Jahrhundert durch Trachtenfeste eine Konservierung dieser Kultur zu erreichen, allerdings ohne Erfolg. Während 1914 noch zehn Prozent der Bevölkerung Mönchguts die Tracht anlegten, waren es 1930 nur noch 55 ältere Leute. Nach 1945 sah man verschiedentlich noch manches praktische Kleidungsstück, wie die weiten Kniehosen und den Handschuh mit den beiden Daumen (sog. Dümlings), obwohl noch größere Trachtenteile zum Familienerbe gehörten. Die Binzer Likedeeler und die Tanzgruppe von Alt-Reddewitz sorgten in den 70er und 80er Jahren dafür, dass die Mönchguter Tracht nicht völlig in Vergessenheit geriet.

Alte Rügensche Bräuche und Sitten zum Weihnachtsfest

(OZ v. 24.12 1976)

Rumprekker brachte Peppernöt

Ursprünglich erwuchs die Sitte der Gabenverteilung (Äpfel, Nüsse, Süßigkeiten) aus alten winterlichen Kultbräuchen. Ausgeübt wurden sie durch vermummte Personen oder Tiergestalten. Daran erinnert noch der Name des „Knecht Ruprecht“ als rauher „Percht“. Im Niederdeutschen ist er als „Ruger Klaas“ bekannter.

Auf Mönchgut erschien – wie F. Adler mitteilte – der „Rumprekker“. Ertrug eine Gesichtsmaske und in der Hand eine Rute bzw. einen mit Holzasche gefüllten alten Strumpf. Sein Mitbringsel waren nur einige „Peppernöt“. Auch die Geschenke der Familienmitglieder untereinander wurden recht prosaisch mit den Worten „Hu, Julklapp“ zur Tür hineingeworfen. Das waren dann die schön verzierten Webbrette, Flachsschwingen, u. ä., die wir in den Museen von Garz, Göhren und Stralsund bewundern können.

Sogenannte Flachsschwingen, landwirtschaftliches Werkzeug

Sogenannte Flachsschwingen, landwirtschaftliches Werkzeug

Der kleine Tannenbaum, außerordentlich reich behangen mit Ketten getrockneter Pflaumen und Rosinen, Äpfeln, Nüssen und Gebäck in Tierform, wurde erst am nächsten Morgen angezündet. Das Festessen an diesem Tag war Schweinebraten mit Reis und Backpflaumen.

Auch in den anderen Teilen Rügens fand am Weihnachtsabend ein Umzug statt. Etwa bis 1830 zog ein Ziegenbock, gebildet aus zwei jungen Burschen, einem Laken und einem jugendlichen Reiter, in der Umgebung von Altefähr von Haus zu Haus. Mit zwei mächtigen Bockshörnern ausgestattet, ängstigte man die Kinder und erhielt schließlich eine kleine Gabe.

Der Ziegenbock konnte auch von einer Person, die auf einer Astgabel ritt, mit einem Laken gebildet werden. Vorn wurde ein geschnitzter Ziegenkopf getragen. Im damaligen Pommern hieß sie „Schnabuck“, und im Stralsundischen ritten der Ruklaas auf einem Schimmel und sein Begleiter Rumpsack auf einem Bock. Begleiter des „Schnabuckes“ trugen Kiepen mit Nüssen und Äpfeln und spendeten den Kindern, worauf sie von deren Eltern ein kleines Geldgeschenk erhielten. Dieser Umzug ist auf Rügen noch 1852 bezeugt.

Zuweilen war der Ziegenkopf mit einem Klapperinstrument verbunden und wurde dann als „Klapperbock“ bezeichnet. Trat an die Stelle des Ziegenkopfes ein Pferdekopf, war die Gestalt des Schimmelreiters gegeben. Dieses Brauchtum war im Südwesten unserer Insel verbreitet und erinnert an Umzüge und Gestalten, wie wir sie heute noch aus den Alpenländern kennen.

Die sogenannten heiligen zwölf Nächte umfassen den Zeitraum zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar (Heilige Drei Könige). Keine Zeit des Jahres besaß derartig viele abergläubische Gebräuche wie diese. Oft setzte man die Rauhnächte (rau = wilder Spuk) bereits mit dem Andreastag (30. November) an. In dieser Zeit wütete das „wilde Heer“. Fruchtbarkeitszauber, Dämonenabwehr und Totenehrung bestimmten fast alle Handlungen, die sich bis weit in die germanische Frühgeschichte zurück verfolgen lassen. Während dieser Zeit durfte nicht gewaschen und keine Wäsche getrocknet werden, da andernfalls einer aus der Familie sterben müsse. Man durfte nicht spinnen und nicht in der Erde graben.

Franziska Tiburtius – eine Rügener Ärztin

(OZ v. 29.4.1977)

Eine der ersten deutschen Ärztinnen war die auf Rügen geborene Franziska Tiburtius, deren Todestag sich am 5. Mai 1977 zum 50. Male jährt. Am 24. Januar 1843 hat sie in Bisdamitz (plattdeutsch Bißmitz) das Licht der Welt erblickt. Mit 84 Jahren war sie 1927 in Berlin verstorben. Franziska Tiburtius entstammte einer alten Pastorenfamilie, die im 18. Jahrhundert auf Rügen ansässig geworden war. Ihre Kindheit verlebte sie unbeschwert als Kind eines Pächters und bewies bereits hier eine enge Bindung zum einfachen Volk, die ihr ganzes Leben charakterisierte.

Bisdamitz, Geburtshaus von Franziska Tiburtius 1920

Bisdamitz, Geburtshaus von Franziska Tiburtius 1920

In einer Fülle von Mitteilungen gibt sie uns in ihren „Erinnerungen“ einen Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit zwischen 1850 und 1870 auf Rügen. Darunter befinden sich bemerkenswerte Aussagen zur Volkskunde Mönchguts und den damaligen sozialen Zuständen.

1851 zog die Familie nach Stralsund. Gute Schulergebnisse veranlassten ihre Ausbildung als Hauslehrerin. Darüber schrieb sie: „Es gab damals eigentlich nur einen Beruf, der für gebildete Frauen aus „guter Familie“ wählbar war, den der Lehrerin“.

Angeregt durch ihren Bruder Carl – einen Arzt – und dessen spätere Frau, die sich 1869 als erste deutsche Zahnärztin (Studium in den USA) in Berlin niederließ, nahm Franziska Tiburtius 1871 das Studium der Medizin in Zürich auf. Im damaligen Deutschland war ein Frauenstudium unmöglich: „darüber ließen private Anfragen an maßgebenden Stellen nicht den geringsten Zweifel, eine offizielle Anfrage würde als sehr unzeitgemäßer Scherz betrachtet. So blieb nur das Ausland übrig.“ In Zürich kam Franziska Tiburtius mit russischen Revolutionären und Anarchisten, besonders jungen Frauen, zusammen und nahm Partei für ein „gebildetes Proletariat“. Ihr politischer Blick weitete sich und sie begann, Anteil an der internationalen Frauenbewegung zu nehmen.

Am 16. Februar 1876 bestand sie in Zürich ihre Promotion zum Dr. med. mit dem Prädikat „sehr gut. Zwischendurch gab es immer Szenen und Provokationen etwa derart: „Ach so, Sie studieren Medizin, na ja, wir wollen nicht davon sprechen!“

Humorig schilderte Franziska Tiburtius einen Zwischenaufenthalt in Rambin, wo sie z. B. einer alten Frau einen Bruch des Unterschenkelknochens schiente. Im Lazarett in Bergen – dem Vorläufer des heutigen Krankenhauses – war man sehr zufrieden und es hieß: „De Öbberste hett seggt, dat wier wunderschön makt, dat kunn keen Perfesser bäter maken.“ Die Rambiner boten ihr sogar eine Gemeindepraxis an. Das schätzte sie wertvoller als jedes Ehrendiplom ein.

Ende 1876 ging sie mit ihrer Freundin, Dr. med. Emilie Lehmus, auch diese hatte in Zürich studiert, nach Berlin, um eine Praxis in einer Arbeitergegend zu eröffnen. Das bedeutete zahllose Schwierigkeiten, in die sich auch eine „Leuchte der Wissenschaft“, der Geheimrat Prof. Dr. R. V. (Rudolf Virchow – der Verf.) einschaltete. Beide Ärztinnen praktizierten dann in „einer kleinen, halbdunklen, im Erdgeschoss liegenden Hofwohnung“ unweit des heutigen Alexanderplatzes. „Mehrere tausend Patientinnen gingen uns im laufe eines Jahres durch die Hände, und wir hatten das erhebende Gefühl, wirklich Nutzen zu schaffen“, schrieb Franziska Tiburtius. Zeitweise mussten sie ihren medizinischen Titel gegen die männlichen Ärztekollegen verteidigen und ein Türschild „Dr. med. der Universität Zürich“ führen, was den Zuspruch sogar erhöhte.

Erst 1894 nahmen die deutschen Universitäten Frauen als Gasthörerinnen auf und ließen sie sogar erst 1898 zur Staatsexamensprüfung zu. So liegt die Bedeutung Franziska Tiburtius´ in ihrem beispielgebenden Leben und in ihrem Einsatz für die Rechte der Frau in Beruf und Studium. Heute ist den Frauen auch auf diesem Gebiet zur vollen Gleichberechtigung verholfen.

 

Zwei Bergener Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts

OZ v. 17.3.1977

Friedrich Carl Arndt und Johann Jacob Grümbke

Friedrich Carl Arndt war der Lieblingsbruder Ernst-Moritz Arndts und wurde am 19. Januar 1772 in Groß-Schoritz geboren. Nach dem Studium der Jura in Greifswald wirkte er ab 1799 in Bergen zunächst als Advokat, dann als Prokurator am Kreisgericht und schließlich von 1809 bis 1815 als Stadtrichter und „gelehrter Bürgermeister“ (Bergen besaß damals stets zwei Bürgermeister).

Dieser äußerst geistvolle Mensch stellte sich gegen das Junkertum, das er in Bauernprozessen bekämpfte 1806 schrieb er: „Die Halunken haben in dem letzten halben Jahrhundert das Beste zerstört, was in diesem süßen Ländchen war: Wo haben wir noch Bauerndörfer?“ Idealistisch hoffte er auf eine Umstellung der Adligen und der gesellschaftlichen Verhältnisse, nachdem 1806 die Leibeigenschaft aufgehoben wurde.

Mit 43 Jahren starb Carl Friedrich Arndt am 2. Juni 1815 in Stralsund. Seine Grabstelle gilt als unbekannt. Dagegen vermutete der Garzer Heimatforscher E. Wiedemann, dass er in Bergen im Eckgebäude des Marktes, dem heutigen Haus Karl-Marx-Platz Nr. 1, neben der großen Kastanie gewohnt habe (Vgl. dazu auch E. Hildebrandt, 350 Jahre Stadt Bergen. Putbus, 1963, S. 53 ff.)

Ernst-Moritz Arndt veröffentlichte den literarischen Nachlass seines Bruders in Teil 1 der „Schriften für und an seine lieben Deutschen“.

Ein Zeitgenosse, und gleichfalls eng mit Ernst-Moritz Arndt verbunden war Johann Jacob Grümbke, der am 6. September 1771 in Bergen geboren wurde und oft als „Vater der rügenschen Heimatforschung“ bezeichnet wird. Grümbke war sehr vielseitig – so ist er auch als Zeichner und Dichter bekannt – und wie Friedrich Carl Arndt schrieb „für Bergen viel zu gelehrt; er könnte jeden Tag Professor der Botanik oder Physik werden“.

Alter Friedhof Bergen, Grabstätte Johann Jacob Grümbke 2008

Alter Friedhof Bergen, Grabstätte Johann Jacob Grümbke 2008

So erhielt er 1830 auch die Würde eines Ehrendoktors der Universität Greifswald verliehen. Seine bedeutendste Arbeit erschien 1819 unter dem Titel „Neue und genaue geographisch-statistisch-historische Darstellungen von der Insel und dem Fürstenthum Rügen“. Sie ist die grundsätzliche Basis jeglicher Forschung auf Rügen.

Wenn auch das persönliche Leben Grümbkes weitgehend unbekannt blieb, so ist seine fortschrittliche Weltanschauung durch schriftliche Quellen bezeugt. Auch er verfiel in Pessimismus und Resignation – gestützt durch das Leiden an Gesichtskrebs – und zog sich als Junggeselle in die Isolation zurück. In seiner Wohnung oberhalb der einstigen „Löwen-Apotheke“ am Markt starb er am 23. März 1849. Seine Grabstelle auf dem alten Bergener Friedhof ist zwar bekannt, sie könnte jedoch besser gepflegt werden. Von seinem Nachlass scheint nur einiges in das Bergener Kirchenarchiv gelangt zu sein.

Wir achten und ehren in Friedrich Carl Arndt und in Johann Jacob Grümbke zwei rügensche Persönlichkeiten, deren Streben dem gesellschaftlichen Fortschritt, der Freiheit und Würde des Menschen galt.

Aus Strandgut ein Hotel gebaut

(OZ v. 24.6.1987)

Zu den ältesten Gasthäusern in Sassnitz gehört auch der 1870 umgebaute alte Dorfkrug in der Friedrich-Karl-Straße, der dann als „Böttchers Hotel“ eröffnet und bereits 1934 als Wohnhaus genutzt wurde. 1898 empfahl man die großen Veranden, die herrliche Aussicht auf See und die vorzügliche Verpflegung. Der Inhaber Otto Böttcher hatte übrigens neben dem Hotel am Fahrnberg“ als einziger Telefonanschluss.

Die Entstehungsgeschichte des „Hotels am Fahrnberg“ ist auch etwas kurios. 1866 strandete bei Sassnitz ein holländisches Schiff, das mit Eichenholz beladen war. Um es nach geltendem Strandrecht auf Sassnitzer Strand zu holen, befestigte ein mutiger Schwimmer, Julius Böttcher, bei schwerem Seegang eine Leine am Schiff. Das Holz erwarb der Baumeister Paulsdorf aus Bergen, der 1869 davon das “Hotel am Fahrnberg“ erbaute. Es war „das“ Hotel, das ausschließlich von begüterten Kreisen aufgesucht wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor es an Bedeutung, da man nun auch die Hotels und Villen direkt am Meer bevorzugte.

Sassnitz, Überreste Hotel Fahrnberg 2008

Sassnitz, Überreste Hotel Fahrnberg 2008

Sassnitz wurde zunächst von Adelskreisen, besonders Offizieren mit ihren Familien, aufgesucht. Es waren diejenigen, die besonders an den preußischen Kriegen zwischen 1864 und 1871 verdient hatten. Auch die Kaiserliche Familie weilte mehrmals in Sassnitz, und am Uskan errichtete ein Prinz Blockhäuser (die „Prinzing Blockhäuser“ genannt wurden).

Bekanntester Gast war ja 1878 Johannes Brahms. Auch Theodor Fontane weilte hier und verewigte den Ortsteil Crampas in seinem Roman „Effi Briest“ (Major von Crampas).

Nach 1919 setzte sich ein bürgerliches Publikum durch, und die vielen schwarz-rot-goldenen Fahnen gaben Sassnitz den Beinamen „rotes“ Sassnitz (im unterschied zu Binz). 1925 hatte der Ort mit 25 600 Badegästen einen absoluten Höhepunkt.

Krieg und Nachkriegszeit mit der Aufnahme zahlreicher Umsiedler sowie veränderte Badegewohnheiten beendeten die Geschichte des Ortes Sassnitz als Badeort. Zahlreiche, noch im Baustil der Gründerjahre errichtete Villen und Hotels künden von jener Zeit. Besonders gut erhalten und geschmackvoll modernisiert sind das ehemalige „Hotel Viktoria“ in der Seestraße (später VEB Fischfang Sassnitz) oder der „Lindenhof“ (später Jugendclub) in der Bergstraße. So erhofft man sich auch für weitere Gebäude stilechte Rekonstruktionen in der Verantwortung für historisch Gewachsenes und ihrer Nutzung in unserer Gegenwart.

 

Vor 70 Jahren kam Krampas zu Sassnitz

(OZ v. 1.4.1976)

Ein historischer Rückblick

Einer der traditionellsten Badeorte Rügens begeht am 1. April ein Jubiläum, das uns Anlass zu einem kurzen historischen Rückblick sein soll: vor genau 70 Jahren vereinigten sich die damaligen Gemeinden Krampas und Sassnitz zu einem Ort.

Das eigentliche Sassnitz (vermutlich vom slawischen Wort Sosna – die Kiefer – herzuleiten) entstand in einer Uferschlucht des Steinbaches als ein Fischerdorf, dessen Bewohner auch als Waldarbeiter Kreidewerker und Torfstecher ihren kargen Lebensunterhalt verdienten. In unmittelbarer Nähe, etwa auf dem Plateau des heutigen Fischereihafens gelegen, befand sich das kleinere Bauerndorf Krampas, dessen Bewohner nebenher etwas Fischerei betrieben.

Die Bevölkerung beider Orte war bereits in früher Zeit durch Heiraten „zu einer einzigen großen Familie“ verwachsen, wie ein Reisender um 1860 schrieb. Mit der weiteren Entwicklung wurden die getrennten Verwaltungen und entstehenden Rivalitäten als konkurrierende Badeorte zu einem Hemmschuh. Nach längerem Bemühen erfolgte dann am 1. April 1906 die Zusammenlegung beider Orte unter dem Namen Sassnitz. Der neue Ort besaß damals 2481 Einwohner und konnte nun Kanalisation und Wasserleitungsbau abschließen. (1908). Elektrisches Licht besaß Sassnitz bereits einige Jahre vor Bergen (1896).

Sassnitz, historische Aufnahme 1911

Sassnitz, historische Aufnahme 1911

Der Ortsname Krampas ging zwar verloren, fand aber Eingang in der Weltliteratur. So benannte Theodor Fontane, der Sassnitz aufsuchte, eine der Titelfiguren seines Romans „Effi Briest“ (Major von Crampas) nach ihm.

Der Beginn von Sassnitz als Badeort wird wohl aus lokalpatriotischen Gründen sehr früh mit dem Jahre 1824 verbunden. Damals verlebte hier der Berliner Prediger Friedrich Schleiermacher , eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit, mit seiner Familie einige Wochen.

Eingehende Schilderungen verdanken wir dem Neubrandenburger Naturforscher Ernst Boll, der zwischen 1844 und 1857 das Seebad Krampas mehrfach aufsuchte. 1857 besaß Saßnitz etwa 200 Badegäste, während das ursprünglich bedeutendere Krampas nur fünf zählte.

Vor allem die reizvolle Umgebung, die günstige klimatische Lage und die Entwicklung des Hafens als „Tor des Nordens“ machten Sassnitz zum größten und exklusivsten Badeort Rügens um die Jahrhundertwende.

Sassnitz, Seebrücke 2008

Sassnitz, Seebrücke 2008

Das Publikum gehörte natürlich den begüterten Schichten der Bevölkerung an, von denen bereits Ernst Boll Beamte, Militärs, Kaufleute Rentiers und die „Menge des Adels“ als dominierend hervorhob- Seit 1878 gesellten sich auch Angehörige der kaiserlichen Familie hinzu. So hatte sich Sassnitz zu einem mehr oder weniger feudalen Bad entwickelt, dessen Kurleben als „elegant, zum Teil geräuschvoll und ziemlich teuer bezeichnet wurde. Da ein eigentlicher Sandstrand fehlte, konzentrierte sich alles auf die Strandpromenade mit dem Kurpavillon Miramare und den Hafen mit seinem lebhaften Bootsverkehr. 1912 besaß der Ort bereits 26 000 Gäste. Das entsprach einem Viertel aller Rügenschen Badegäste!

Rügener Burgen – Zeugen alter Kulturen

(OZ v. 10.9.1976)

Zu den sichtbaren Zeugen vergangener Zeiten und Kulturen gehören auch die gewaltigen Burgwälle aus der slawischen Periode des 7. bis 12. Jahrhunderts. Es sind hoch aufgeschüttete Erdwälle mit einer rundlichen oder viereckigen Innenfläche, von denen noch zwölf Anlagen auf Rügen erhalten sind und unter strengem Denkmalschutz stehen.

Der eigentliche Wall ist als Holz-Erd-Mauer in der typischen Kastenkonstruktion mit vorgelagerte Gräben, Palisaden und Brüstung errichtet, wie Ausgrabungen in Garz und auf Arkona nachweisen. Diese oft beträchtlich großen Burgen nutzten natürlichen Schutz aus und waren mitunter – wie Arkona, Gobbin, Schaprode, der „Hengst“ bei Saßnitz und Zudar – direkt an der Küste gelegen. Nur wenige befinden sich im sumpfigen Gelände des Landesinneren (Garz, Venz, Karow) oder auf Berghöhen (Rugard, Schlossberg bei Saßnitz, Hertaburg).

Schnitt durch den Burgwall am Herthasee, Kreidezeichnung 1869

Schnitt durch den Burgwall am Herthasee, Kreidezeichnung 1869

Diese Burgen dienten seit dem 10. Jahrhundert in Kriegszeiten den auf Rügen ansässigen slawischen Stämmen der Ranen als Fliehburgen und wurden schließlich politische Zentren kleiner Burgbezirke, wie bei Rambin, Schaprode, Wiek auf Wittow, Kapelle bei Sagard für Jasmund usw. Unter ihrem Schutz hielt man Markt und Gericht. Diese Orte behielten ihre zentrale Bedeutung teilweise als Städte – wie Garz und Bergen – oder als Marktorte und Großgemeinden bis in die Gegenwart.

Burgwall „Jaromarsburg“ bei Kap Arkona 1972, (Aufnahme: Harro Schack, Sagard)

Burgwall „Jaromarsburg“ bei Kap Arkona 1972, (Aufnahme: Harro Schack, Sagard)

Die Tempelburg auf Arkona entstand frühestens im 9. Jahrhundert und gilt als die bekannteste Befestigung Rügens, da hier das im südlichen Ostseegebiet verehrte Heiligtum des Gottes Swantewit stand. Ein beträchtlicher Teil der Anlage, wohl auch der Tempel, versank in den Fluten der anstürmenden Ostsee. Die Burgstätte wird heute zwar von Tausenden Besuchern aufgesucht. Zahlreiche Kletterpfade fügen der Rasenfläche schwere Schäden zu, die in Zukunft verhindert werden sollten.

Der zweite bedeutende Burgwall befindet sich im Stadtgebiet Garz, dem alten Charenza. In slawischer Zeit standen hier die Tempel von drei Göttern. Beide Burgen wurden 1168 durch die Dänen erobert. Allerdings ist diese Deutung in jüngster Zeit umstritten worden. Während Arkona bedeutungslos wurde, entwickelte sich allerdings Garz zum rügenschen Fürstensitz. Hier erhielt Stralsund 1234 Stadtrecht.

Für die Touristen und Urlauber bildet die „Herthaburg“ in der Stubnitz die größten Geheimnisse und Rätsel. Es ist aber weniger bekannt, dass fast alle „Geschichtchen“ und Sagen mit der Göttin Hertha auf die Phantasie eines Wissenschaftlers des 17. Jahrhunderts zurückzuführen sind. Dieser übertrug die Berichte des römischen Historikers Tacitus, der im 1. Jahrhundert lebte, von einer germanischen Göttin Nerthus auf diese Stätte. Jedoch wurde auch diese Burg erst im 10. bis 12. Jahrhundert von den Slawen erbaut. Übrigens ist der in der Nähe gelegene Königstuhl bereits 1584 genannt und verdankt seinen Namen nicht irgendwelchen dänischen oder schwedischen Königen, die hier Seegefechte beobachtet haben sollen, sondern seiner majestätischen und erhabenen Lage und Erhebung. So gibt es auch in ähnlicher Lage auf der dänischen Insel Möen einen Königstuhl (dronning Stole) und in der Pfalz einen „Kaiserstuhl“.

In slawische Zeit gehört auch die alte Landwehr des „Mönchgrabens“ bei Baabe, die nicht von den Mönchen, sondern von den Wenden zur Abwehr aus Süden eindrängender Feinde errichtet wurde. Es ist typisch für die rügensche Geschichte, dass Burgen und Befestigungen des kleinen Landadels aus dem 14. bis 16. Jahrhundert fehlen. Befestigt waren die Schlösser und Höfe bei Putbus und Vilmnitz. Erst mit dem Dreißigjährigen Krieg und den folgenden Kriegen zwischen Dänen, Schweden und Preußen um den Besitz Rügens entstanden Schanzen Redouten u. ä. bei Juliusruh (Park), Binz (Steilufer), Prosnitz (bis 19. jahrhundert als Fort Napoleon) oder Altefähr (Steilufer). Zeugen dieser Kämpfe sind auch Gedenksäulen bei Groß Stresow und Neukamp.

Einzigartiger Reichtum an Hünengräbern

(OZ v. 11.08.1976)

Der Reiz und die Eigentümlichkeit der rügenschen Kulturlandschaft wird auch durch zahlreiche Bodendenkmäler – im Volksmund als „Hünengräber“ bezeichnet – aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit geprägt. Ihre Zahl ist besonders im 19. Jahrhundert durch den Eisenbahn-, Straßen- und Gutshofbau sowie durch die Extensivierung der Landwirtschaft stark zusammengeschmolzen. Jedoch gehört Rügen mit seinen heute noch über 600 bekannten Denkmälern weiterhin zu den an urgeschichtlichen Grabmälern reichsten Gegenden Ostdeutschlands. Dieses kulturelle Erbe stellte die Regierung der DDR bereits 1954 unter Denkmalschutz und erklärte es zum Eigentum des Volkes. Auch die Gesetzgebung vom 30. November 1993 bzw. 3. Mai 1994 des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege sichert diesen Kulturdenkmalen ihren gesetzlichen Erhalt.

Besonders charakteristisch sind für Rügen die sogenannten Großsteingräber, von denen noch 50 Anlagen erhalten sind. Sie bilden den Rest von einst 236 Gräbern. In den Jahren zwischen 1964 und 1970 untersuchte der Prähistoriker Ewald Schuldt (1914-1987) vom Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte Schwerin innerhalb eines Forschungsprogramms 15 derartige Denkmäler. Er stellte einen speziellen rügenschen Grabtyp fest, bei dem die Seiten der Grabkammer aus drei- bis vierpaarigen Findlingen errichtet und mit entsprechenden Decksteinen versehen wurden. Das Eigentümlichste war die Gestaltung des schmalseitigen Zuganges als einem niedrigen Rahmen mit Tür- und Schwellenstein.

Diese sogenannten Großdolmen wurden zwischen 3000 und 1800 v. Chr. errichtet. Den Besucher beeindruckt vor allem die Bauweise, die uns noch manches Rätsel aufgibt. Galt es doch, mit einfachen Mitteln gewaltige Geschiebe bis zu 15 Tonnen Gewicht zu spalten, zu glätten, heranzutransportieren und aufzutürmen. Die Lücken füllte man mit einem Mauerwerk und Lehmverputz, in denen Ewald Schuldt „die ältesten gemauerten Wände unseres Landes“ sieht. In den Sippengräbern fand man neben Resten von tönernen Schalen und Näpfen auch Feuersteilbeile u. ä. sowie vereinzelt Bernsteinperlen.

Wesentlich häufiger finden wir isoliert oder in kleineren Gruppen vereinigt bronzezeitliche Hügelgräber (1800 bis 600 v. Chr.). Die kleinen flachen Gräber können jedoch auch Grabformen der slawischen Ranen des 7. bis 12. Jahrhunderts gewesen sein, wie sie besonders bei Ralswiek ausgegraben wurden.

 

Lancken-Granitz, Großdolmen 2, Plan der Grabkammer mit Fundverteilung

Lancken-Granitz, Großdolmen 2, Plan der Grabkammer mit Fundverteilung

Der Volksmund verlieh den „Hünengräbern“ besondere Namen, wie etwa die „Fürstengräber“ bei Quoltitz, der „Dubberworth“ bei Sagard, das „Königsgrab“ auf Stubbenkammer, die „Neun Hügel“ bei Rambin, der „Teschenberg“ bei Göhren usw.

Unter den Großsteingräbern sei der „Pfennigkasten“ in der Stubnitz, das „Riesengrab“ bei Mukran, der Zägensteen“ bei Groß Stresow, der „Fleederbarg“ bei Lonvitz und der „Ruuge Barg“ bei Vilmnitz genannt.

Großsteingräber bei Lancken-Granitz 1968

Großsteingräber bei Lancken-Granitz 1968

Großsteingräber sind besonders um Lancken-Granitz zu besichtigen, wo sie nach den Ausgrabungen als eine Art Freilichtmuseum gestaltet wurden. Hügelgräber finden wir nach den üblichen Wanderkarten auf der gesamten Insel verteilt, am häufigsten in der Stubnitz.

Dieser einzigartige Reichtum an Kulturdenkmälern könnte noch stärker der interessierten Bevölkerung und den Urlaubern zugänglich gemacht werden, so z. B. durch die Einbeziehung in die Wanderwege. Dazu wäre eine entsprechende Beschilderung notwendig. Auch müssten die Anlagen gepflegt, also von Feldsteinen und wilden Sträuchern befreit werden.

 

Hans Delbrück – ein in Bergen geborener liberal-bürgerlicher Historiker

(OZ, 1982)

Trat entschieden gegen Bismarck auf

Hans Delbrück entstammte einer bürgerlichen Gelehrtenfamilie, deren Leistungen weitgehend zum progressiven Erbe aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gehören. Am 11. November 1848 in Bergen geboren, verließ er die Insel bald und studierte an verschiedenen Universitäten Geschichte. Es fällt allerdings schwer, seine wissenschaftlichen Leistungen im Einzelnen zu würdigen, da er eine Fülle von Aufsätzen, Büchern und Artikeln verfasste. Herausragend sind seine „Geschichte der Kriegskunst“ in fünf Bänden und die Bearbeitung des Gneisenau-Nachlasses.

Entschieden wandte er sich schon frühzeitig gegen Bismarck und den „blöden Egoismus der oberen Stände“. So bezeichnete er sich als „konservativen Sozialdemokraten“, betonte aber zugleich seine Vorliebe für eine konstitutionelle Monarchie, die außerhalb der Klassen stehen müsse. Diese idealistischen Vorstellungen über einen „Volksstaat“ vertrat er auch als Parlamentarier.

Es ist wenig bekannt, dass die Zeitung der KPD die „Rote Fahne“, in ihrer Ausgabe vom 13. November 1928 durch ihren Redakteur Paul Braun (Guddorf) das Lebenswerk des Historikers Hans Delbrück würdigte. Delbrück „gehört in die Reihe der wenigen ernsten und ehrlichen Vertreter der deutschen bürgerlichen Historikerzunft, die … den Vorurteilen der herrschenden Klassen und der dynastischen Legendenbildung entgegen traten.“

Paul Braun weist auf Delbrücks entschiedene Verurteilung des Einmarsches deutscher Truppen 1914 in Belgien. Franz Mehring bezeichnete Delbrücks „Kriegsgeschichte“ als „das bedeutendste Werk, das die Geschichtsschreibung des bürgerlichen Deutschland in dem neuen Jahrhundert produziert hat und das für die moderne Arbeiterbewegung nicht nur ein wissenschaftliches Interesse hat“.

Hans Delbrück verstarb mit 81 Jahren am 14.Juli 1929. – Internationalen Ruf erlangte auch sein Bruder Max Delbrück als Begründer der modernen Gährungstechnologie. Er wurde am 16. Mai 1850 in Bergen geboren. Schließlich sei noch der Cousin Hans Delbrücks erwähnt Berthold Delbrück. Er gilt als einer der Schöpfer der indogermanischen Sprachlehre. Berthold Delbrück wurde am 26. Juli 1842 in Putbus geboren und wirkte später an der Universität in Jena, wo er auch 1922 starb.

Bauernlegen und Bodenreform auf Rügen

(OZ v. 3.7.1986)

In wenigen Jahren – im Jahre 2015 – begehen wir den 70. Jahrestag der Bodenreform in der damaligen „Sowjetischen Besatzungszone“ (SBZ). Alle Grundbesitzer mit Landbesitz über 100 ha Fläche, Kriegsverbrecher und maßgebliche Funktionäre des nationalsozialistischen Regimes wurden im Herbst 1945 enteignet. Ihr Landbesitz wurde an bedürftige Landarbeiterfamilien, vor allem an „Umsiedler“ (also Flüchtlinge, Vertriebene, Evakuierte usw.) vergeben. Nach 1990 entstand daraus ein langwieriger juristischer Prozess, der auf Rügen mit der Person des Fürsten zu Putbus und seinem enormen Land- und Immobilienbesitz verbunden war. Die Bodenreform wurde nach 1990 allerdings nicht rückgängig gemacht.

Wie war es in früheren Zeiten zu der Anhäufung umfangreichen Grundbesitzes auf der einen Seite und einer Verarmung von Bauern andererseits gekommen?

Dazu müssen wir einige Jahrhunderte zurückblättern und einen gewissen Ausgangspunkt bereits im 14. Jahrhundert sehen. Zu jener Zeit beschränkte sich die Abhängigkeit der Bauernschaft von dem Adel und dem Landesherrn noch auf die Ableistung bestimmter Dienste und einer Geldabgabe. Die Güter waren noch recht klein, und es gab durchaus wohlhabende Bauern auf Rügen.

Eine Verschlechterung trat mit dem Aussterben der rügenschen Fürstendynastie und die Übergabe an die Herzöge von Pommern-Wolgast im Jahre 1325 ein. Diese befanden sich in ständigen Finanznöten und veräußerten sehr oft ihre Besitz- und Hoheitsrechte. Das führte zur Stärkung des Landadels und schließlich zur Gutsherrschaft.

bauernhaus_boldevitz

Altes Bauernhaus in Boldevitz 1989

Im 15. Jahrhundert prägten kriegerische Unruhen, wie Fehden des Adels untereinander, die politische Situation. 1403 setzte eine große Teuerung ein, so dass „Leute und Vieh vor Hunger starben“. Damit verbunden waren eine Verarmung der Bauernschaft und eine einsetzende Landflucht. Verschiedene Orte verödeten und wurden aufgegeben.

Gravierende Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen, verbunden mit der Enteignung der Bauern (als „Bauernlegen“ bezeichnet), setzten im 16. Jahrhundert ein. Es war der Beginn des Untergangs der rügenschen Bauern. Der wirtschaftliche Hintergrund dieses Prozesses, der viele menschliche Tragödien einschloss, bestand in einem Anstieg des Woll- und Brotgetreide-Preises, verbunden mit einer Geldentwertung. Die bisherige Form der Geldzinsleistung des Bauern an den Grundherrn verlor an Wert, und dieser bemühte sich, seine landwirtschaftliche Grundfläche zu erweitern. In jener Zeit hatte der Adelshof noch eine Größe von etwa 60 bis 80 ha, und es gab noch viele Bauernhöfe mit etwa 10 bis 40 ha Nutzfläche.

Die Eigentumsverhältnisse waren auf Rügen zudem noch nicht so scharf ausgeprägt, wie auf dem Festland. Das begann sich nun schnell zu ändern. 1616 trat die in Pommern geltende „Erweiterte und erklärte Bauern- und Schäferordnung“ in Kraft, die am 1. Juli 1645 durch den schwedischen Gouverneur auf Rügen übertragen wurde. Das bis dahin noch sporadische „Legen“ – sprich Enteignen – des Bauern wurde nun juristisch fixiert und Allgemeingut der Adelsklasse. Im Text hörte es sich folgendermaßen an: „… wie auch die Bauern, wenn die Obrigkeit die Höfe, Äcker und Wiesen zu sich wieder nehmen oder den Bauern auf einen anderen Hof versetzen will, ohne alles Widersprechens folgen müssen …“

karnitz

Herrenhaus in Karnitz 2001

Dazu nun einige Beispiele: 1577 bis 1580 wurden in Garftitz mehr als vier Bauernhöfe gelegt und zum Hof Garftitz vereinigt. Er gehörte zur Herrschaft von Putbus und umfasste1893 mit dem unweit gelegenen Ort Blieschow 250 ha Nutzfläche. Zu DDR-Zeiten wurde die Fläche von einer LPG „Pflanzenproduktion“ Garftitz bewirtschaftet.

1575 legte man das Gut – oder Ackerwerk, wie man damals sagte – in der Ortschaft Gagern an. Dazu wurden im Dorf sieben Bauern gekündigt und 27 Kätner sowie 73 Bauern der Umgebung zu Pflug- und Handdiensten herangezogen. Drei Jahre später wurde das ehemalige Bauerndorf Kluis dem Gut „angegliedert“. Gagern hatte 1893 als Rittergut die stattliche Größe von fast 500 ha und gehörte dem Grafen von Krassow (später angeheirateten Fürsten von Inn- und Knyphausen in Pansevitz). Zu DDR-Zeiten war hier der Sitz der LPG „Tierproduktion“ Kluis und der Abteilung 1 der LPG „Pflanzenproduktion“ Gademow.

 

Kriege verschärften das Bauernlegen

(OZ v. 9.7.1986, Fortsetzung)

Sehr detailliert sind wir über die Entstehung des Ackerwerkes in Philippshagen in der heutigen Gemeinde Middelhagen auf Mönchgut informiert, 1601 übernahm Herzog Philipp Julius die pommersche Herzogwürde. Er galt als „verschwenderisch und freigebig wie keiner seiner Vorfahren“. Um die herzoglichen „Revenuen“ von der Insel Rügen zu erhöhen, beschloss er, die Ackerwerke auf Rügen zu verdoppeln. Bisher bezog er an Geldzins von Mönchgut etwa 500 Gulden. Diese Summe wollte er verdoppeln.

schulhaus_middelhagen

Altes Schulhaus in Middelhagen 1954

Die Bauernschaft bot 400 Gulden zusätzlich an, um die Einrichtung eines Ackerwerkes zu verhindern, denn „wenn man es ihnen aufdringen wollte, so müssen sie zu Bettlern werden oder bald verlaufen“. Da ihm die Summe zu niedrig war, wurde der Vertrag zur Gründung des Ackerwerkes am 19. Mai 1607 mit dem Landvogt Joachim Scheele abgeschlossen. 1608 erfolgte die Räumung im Dorfe Hagen, das damals aus Klein-, Middel- und Grotenhagen bestand. Acht Bauern und sieben Kossäten wurden in Grotenhagen gelegt und nach Klein- und Middelhagen, Göhren, Alt Reddevitz und Lobbe umgesiedelt. Sogar die Abrisshölzer behielt man ein. Das neue Gut wurde zu Ehren des Herzogs „Philippshagen“ genannt.

Wie viel menschliches Leid und Ungerechtigkeit verbergen sich hinter diesen einfachen Zahlen und Fakten. Philippshagen war eine Domäne (staatlicher Besitz) von etwa 400 ha Größe. In der Mitte des 18. Jahrhunderts gehörte ein Vorwerk in Lobbe dazu. Auch die Fischerei auf der Having , ein Mühlenwesen, und die Jagd in den Forsten bis Thießow unterstanden dem Gut. Nach 1945 wurde es unter Mönchgutern und Umsiedlern aufgeteilt und wurde zu DDR-Zeiten dann von der LPG Sellin bewirtschaftet.

Eine Verschärfung des Bauernlegens trat durch die Ereignisse des 30jährigen Krieges und der folgenden Kriege (1675 bis 1679, 1700 bis 1715) ein. Sie führten zum materiellen Ruin der Bauern und zu einer beträchtlichen Entvölkerung Rügens. Die zerstörten Dörfer wurden zu Gütern geschlagen, da ein Neuaufbau aus rechtlichen und finanziellen Gründen nur dem Adel möglich war. 1630 entstand das Gut Varbelvitz, wo es 1577 noch fünf Bauernhöfe gegeben hatte. Wenig später legte man auch die Bauern in Kubitz und gliederte ihre Ackerflächen ein.

1690 wurde das Gut Klucksevitz (Haidhof) gebildet, wo für 1577 drei Bauernstellen überliefert sind. 1677 entstanden die Höfe in Nadelitz und Proßnitz. In der Regel wurden die „gelegten“ – also enteigneten – Bauern in den Nachbardörfern angesiedelt. So verschwand bereits im 16. Jahrhundert ein beträchtlicher Teil der selbständigen Bauern und Bauerndörfer.