Archiv der Kategorie: Bergen

Handwerk und Kaufmannschaft in Bergen

(OZ v. 9.1.1980)

Die Geschichte eines Ortes wird maßgeblich durch das Handeln seiner Einwohner bestimmt. Einen besonderen Anteil daran hatte der sogenannte mittlere Stand, das Handwerk und die Kaufmannschaft. Leider fehlen für Rügen zusammenhängende Untersuchungen.

Obwohl die Entwicklung Bergens als rügensches Wirtschafts- und Handelszentrum bereits am Ende des 12. Jahrhunderts einsetzte, blieb der Ort stets im Schatten der mächtigen Hansestädte Stralsund und Greifswald. Eine hemmende Rolle spielte auch das Bergener Nonnenkloster, dem die Einwohner u. a. zu Steuern und Abgaben verpflichtet waren und das die Gerichtsbarkeit besaß. Erst Jahrhunderte später, – im Jahre 1613 – konnten sich die Bürger davon befreien und das Stadtrecht erwerben. Ein eigentliches Patriziat mit Bürgerhäusern hat sich in Bergen nie herausgebildet. Es waren zumeist Ackerbürger, die neben dem Handwerk noch Acker und Vieh besaßen. Weiterlesen

Bergen entstand aus drei kleinen Orten

(OZ v. 20.1.1978)

Alte Straßennamen erinnern an historische Ereignisse

Straßen- und Ortsnamen können uns interessante Hinweise zur Geschichte und Wirtschaft sowie zu historischen Ereignissen geben. Sie sind damit als Geschichtsquellen von Bedeutung.

Die Stadt Bergen trägt ihren Namen nach ihrer markanten Geländelage auf dem eiszeitlichen Rugard-Massiv, etwa 60 bis 80 Meter über dem Meeresspiegel. In ältesten Überlieferungen trägt der Ort noch die slawische Bezeichnung „Gora“, die sich auch in Goor und Göhren erhalten hat und gleichfalls „Berge“, „Berg“ bedeutet. Seit 1278 hat sich dann der Name „Berghe“ oder „Berchenn“ durchgesetzt.

Verschiedene Geschichtsforscher vermuten, dass die heutige Stadt aus drei kleineren Orten erwuchs. So unterschied man 1314 zwischen einer „villa montis“ (sie entspricht dem Dorf bzw. der Ansiedlung Bergen) und der „villa Gatemin“, d.h. dem Dorf Gatemin. „Villa“ ist die lateinische Bezeichnung für eine kleine Ansiedlung. Eine weitere Ansiedlung unbekannten Namens könnte am „Goldenen Blinken“ gelegen haben, wobei der freie Platz möglicherweise den alten Dorfanger darstellt.

Kantorenhaus in Bergen 1987

Kantorenhaus in Bergen 1987

Genaueres lässt sich den alten Urkunden leider nicht entnehmen. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass bei Schacht- und Erdarbeiten in der Stadt Bodenfunde, wie altertümliche Scherben, Metallgeräte, Münzen, Findlingsmauern und ähnliches, wertvolle stadtgeschichtliche Hinweise geben können.

Erst durch Bodenfunde wissen wir, dass Bergen wirklich in diesen Stadtteilen im 12. Jahrhundert bewohnt war.

Einen der ältesten Sakralbauten im Norden Deutschlands bildet die Marienkirche. Sie wird bereits 1193 mit einem Nonnenkloster geweiht. Ein halbes Jahrhundert später wird der Marktplatz, zu DDR-Zeiten „Karl-Marx-Platz“, als „forum principale“ (etwa „fürstlicher Markt“) erwähnt. Hier lag auch eine Gastwirtschaft, die bereits 1232 als „taberna in Gora“ in den Urkunden auftritt.

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Marienkirche in Bergen 1987

Die Straßennamen wechselten in jüngster Zeit mehrfach. In der DDR-Zeit gingen z. B. von den vier Ecken des unregelmäßigen Marktplatzes die Vieschstraße, die Straße der Solidarität, die Straße der Jugend, die Dammstraße und die Calandstraße als ursprünglich bedeutendste ab.

Die in der DDR-Zeit als „Straße der Jugend“ bezeichnete Straße war die ursprünglich nach Jasmund führende „Raddaser Straße“. Sie gewann erst nach dem Bau der festen Landverbindung bei Lietzow 1868 an Bedeutung. Davor verlief sie als Feldweg. In ihrem oberen Teil war sie jedoch bereits Anfang des 17. Jahrhunderts gepflastert.

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Kalandstrasse in Bergen 1987

Die Calandstraße. Die Verbindung nach Gingst und Trent verlief zunächst über die Calandstraße und den unteren Teil der heutigen Bahnhofstraße, die wiederum „Gingster Straße“ oder noch früher „lange Gasse“ genannt wurde. Die Calandstraße hat eine interessante Vergangenheit. Hier befand sich das Haus der rügenschen „Caland“, einer katholischen Brüderschaft. Sie traf sich jeden ersten Tag im Monat, dem sogenannten „calandae“. Dieser Caland wird bereits im 14. Jahrhundert genannt und löste sich mit der Reformation im 16. Jahrhundert auf. Er hatte sich zum Schluss zu einer Adelsverbindung – offenbar unter der Leitung der Putbusser Fürsten – entwickelt, die hier Zechgelage abhielten. Als Sitz des Caland vermutet man die Grundstücke Calandstraße 3-4.

Dammstrasse in Bergen 2008

Dammstrasse in Bergen 2008

Die Dammstraße. Sie trägt ihren Namen nach dem Steindamm, denn nicht jede Straße war in der Stadt gepflastert. Sie wird am 11. Oktober 1621 zum ersten Mal erwähnt, als die hier gelegenen Häuser einem Stadtbrand zum Opfer fielen. Über die Dammstraße, dann entlang der Stralsunder Straße führte vor dem Chausseebau die Verbindung nach Stralsund.

Königstrasse in Bergen 1974

Königstrasse in Bergen 1974

Die Straße der Solidarität. Sie führte zur alten Mönchguter Landstraße, die der heutigen Bäderchaussee zum Teil entspricht. Sie hieß früher „Königstraße“ und wird so um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwähnt. Da der Name sich nicht erklären lässt, könnte es sich um die allgemeine Bezeichnung einer Hauptstraße, die im Mittelalter als „Königsstraßen“ (via regia) bezeichnet wurden, gehandelt haben.

„Ratskeller“ mit 750jähriger Tradition (1232-1987)

(OZ v. 25.1.1978)

Zur Geschichte des „Ratskellers“

Vieles spricht dafür, dass das 1232 in Bergen erwähnte Wirtshaus an der Stelle des heutigen „Ratskellers“ lag.

Derartige „Krüge“ bildeten in ihrer Zeit wichtige gesellschaftliche Zentren, da hier Gericht gehalten wurde. Auch verkaufte man in ihnen, erhob die fürstlichen Steuern und ähnliches. 1306 pachtete ihn ein Bürger „Heinrich“, drei Jahre später erfolgte bereits ein Besitzwechsel an einen „Tezicze“. Übrigens hatte der Ort Bergen 1506 immerhin 14 derartige „Krüge“!

Restaurant „Ratskeller“ in Bergen 1992

Restaurant „Ratskeller“ in Bergen 1992

Der Hauptkrug wurde 1614 von der Stadt erworben und zum Rathaus umgebaut, wobei man in den unteren Räumen weiterhin eine Schankwirtschaft betrieb. Erst 1862 baute die Stadt das heutige Rathaus am Markt. Das Gebäude Markt Nr. 27 erhielt nun den Namen „Hotel zum Ratskeller“.

So hat sich der Stadtkern mit seinem Straßenverlauf im Wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten. Mit der Industrialisierung am Ausgang des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts begann dann die Bebauung der Bahnhof- und der Ringstraße.

In jüngster Zeit hat man den älteren Häusern am Markt und in der Marktstraße durch modernen Farbputz zu einem freundlichen Aussehen verholfen.

Die Billrothstraße. Sie erhielt ihren Namen erst 1896 nach dem hier geborenen Mediziner Billroth. Im Mittelalter endete sie in der Höhe des Gerichtes mit dem Klosterbesitz als Sackgasse. Daher stammt auch der frühere Name „Klosterstraße“. Er wurde um 1800 von der Bezeichnung „Joachimsberg“ abgelöst. Die Anhöhe des heutigen Joachimsberges hieß ursprünglich „Gauenberg“, daraus plattdeutsch „Jochbarg“ und schließlich „Joachimsberg“. Das Wort „Gauenberg“ ist verballhornt aus „Goigenberg“ und bedeutet Papageienberg. Der Papagei war jener hölzerne Vogel, den die Schützengilden des Mittelalters auf ihren Schützenfesten für den Titel des Schützenkönigs aufbauten. Eine Bergener Schützengilde (de Schütting) gab es seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie war eine feste gesellschaftliche Organisation von Bürgern, Bauern und Knechten, auch aus der Umgebung der Stadt, mit der Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe. Adlige durften nicht beitreten.

Geburtshaus von Theodor Billroth in Bergen 2008

Geburtshaus von Theodor Billroth in Bergen 2008

Die Vieschstraße. Sie führt über den „Rugard“ zur Bootsstelle, der ursprünglichen Fischereistelle Bergens. Man hat sie daher oft als „Fischerstraße“ gedeutet. Vielleicht lässt sich der Name aus dem slawischen “vysoki“, deutsch hoch – also „Hohe Straße“ – herleiten.

Der Goldene Brinken ist eine Erweiterung der „Bahnhofstraße“. Bereits 1667 wurde er als „Güldenbringh“ erwähnt. Hier befand sich das „Gildehaus“ der Bergener Handwerkerzünfte.

Die Wasserstraße im Gatmund (dem ursprünglichen Dorf Gatemin) mit einer noch einheitlich erhaltenen Bebauung kleiner Traufenhäuser führte längere Zeit zum einzigen Trinkwasserbrunnen Bergens Erst 1846 kam in der Dammstraße ein weiterer hinzu.

Der Marktplatz (zu DDR-Zeiten „Karl-Marx-Platz). Markt wurde in Bergen sehr früh gehalten. Jedoch Genaueres erfahren wir erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es gab drei Jahrmärkte, Wochenmärkte und zwischen dem 24. August und dem 6. Dezember noch einen regelmäßigen Viehmarkt. Die Bergener hatten übrigens ein Vorkaufsrecht. Erst nach ihrer Befriedigung konnten die „Butenbarger“ einkaufen. Der Marktplatz war früher größer, da die Gebäude der heutigen Poliklinik (in der Mitte des 19. Jahrhunderts) und der Post (1891) hineingebaut wurden.

Bedeutsame Pforte am Joachimberg

(OZ v. 24.3.1992)

Von 12 kunsthistorisch wertvollen Türen ist in Bergen nur eine übrig geblieben

Türen an einem Haus verraten den künstlerischen Geschmack und die Liebe des Hauseigners zu seinem Besitz. So kann die Tür durch ihr Aussehen und ihre Gestalt eine erste Mitteilung geben, wie der Besucher empfangen wird. Schöne alte, liebevoll gepflegte Türen findet man z. B. in Prerow, oder auf Bornholm, in Schleswig-Holstein und Friesland.

1963 haben die beiden Schweriner Kunsthistoriker Dr. Ohle und Dr. Beier in Bergen noch 12 alte Haustüren erfasst. Es waren einfach und schlicht ausgeführte Arbeiten, mit klassizistischen Kunstelementen, wie Rosetten, Halbkreise, Ovale, Palmetten usw., dekoriert. Sie lassen sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. 30 Jahre danach ist von diesen kulturhistorisch wertvollen Türen nur noch die bemerkenswerte Haustür am Joachimberg 4 erhalten!

Joachimberg in Bergen 1995

Joachimberg in Bergen 1995

Alte kulturhistorisch wertvolle Haustüren befanden sich vor allem in der Wasserstraße. Gerade hier sind aber viele Häuser „modernisiert“ und die Türen vernichtet worden.

Barocktür im Joachimberg 1987

Barocktür im Joachimberg 1987

Diese bedauerliche Entwicklung steht im Widerspruch zu anderen Kulturlandschaften. Gerade in den Kleinstädten und Dörfern im Norden der alten Bundesländer oder in Dänemark wird die Liebe und das historische Verständnis der Bewohner zu ihrem Haus durch eine traditionelle Pflege deutlich. Da werden defekte Tür- und Hausteile im alten Sinne ergänzt und mühevoll eingefügt. Da werden die alten vierteiligen Fenster beibehalten und die geringe Raumgröße der Zimmer nicht geändert.

Joachimberg in Bergen 1974

Joachimberg in Bergen 1974

Aber gerade das gesamte dörfliche und städtische Ensemble macht den touristischen Reiz dieser Ortschaften aus. Einige Kleinstädte auf Bornholm sind z. B. mit UNESCO-Diplomen für die Erhaltung ihres historischen Stadtbildes ausgezeichnet worden und genießen dadurch touristische Sehenswürdigkeit.

Die Tür des Hauses Joachimberg 4, in dem sich in den 30ger Jahren eine Jugendherberge befand, besitzt eines der seltenen plastischen Türfelder. Zwei Figuren auf einem Sockel stellen die Göttin Fortuna mit ihrem Segen bringenden Füllhorn da. Erhalten hat sich auch das reich gegliederte Türblech mit einer schlichten Türklinke. Leider ist eine Türklinke bereits entfernt und ein Türblech beschädigt. Hier wünscht man sich durch die gegenwärtigen Nutzer eine verständnisvolle Restaurierung und Ergänzung. Möglicherweise läßt sich das reichhaltige Dekor des Türrahmens durch eine mit der Baudenkmalpflege abgestimmte Farbtönung deutlicher herausarbeiten.

Dieses Haus ist heute, wie manche Bürgerhäuser in Bergen, mit einem hässlichen Rauputz versehen, unter dem sich ein die Außenwände gliederndes Fachwerk vermuten läßt. So erhebt sich die Frage, ob nicht der dem Haustyp und der pommerschen Tradition entsprechende Fachwerkbaustil wieder angestrebt werden sollte?