Die Entdeckung Rügens im beginnenden 20. Jahrhundert

Die Passagierschiff- und Eisenbahnverbindungen

Um 1900 setzte ein rasanter Bäder- und Reiseverkehr nach Rügen ein. Es waren nicht nur die einmaligen breiten Sandstrände, die vielgestaltige Landschaft, die gewisse Unberührtheit der dörflichen und städtischen Kultur sowie die relative Fülle der beeindruckenden vorgeschichtlichen „Hünengräber“, sondern das gesunde Klima Rügens, das von Ärzten u. a. „bei Schwäche und Empfindlichkeit der Haut, Rheumatismus, Neurasthenie und Migräne“ empfohlen wurde, das den Besuch besonders der Familien mit Kindern anregte (Albrecht 1906-1907, 7).

So entstanden die Badeorte Binz, Sellin, Göhren, Saßnitz, Lohme und Breege, in denen seit 1902 Landungsbrücken gebaut wurden, um das lästige „Ausbooten“ zu umgehen. Bei stärkerem Wellengang konnte man mitunter die Reisenden nicht an Land setzen. Das galt noch 1914 für Thießow, Stubbenkammer, Lohme und Arkona (Albrecht 1914-1915, 13). Eine mächtige 550 m lange Landungsbrücke – die „Prinz Heinrich-Brücke“ – war noch vor dem I. Weltkrieg in Binz errichtet worden. Sie kostete auch wegen der „neuen Standsicherheitsvorschriften der Regierung“ 60 000 Mark, so dass ihr Betreten 10 Pfennig Brückengeld verlangte. 1909 war eine 1076 m lange Seebrücke am Südstrand von Göhren gebaut worden. Auch Sellin hatte vor dem I. Weltkrieg eine See- und Schiffsbrücke von 508,50 m (Albrecht 1914-1915, 81, 91, 98) erhalten.

Alle neuen Seebrücken erforderten vor dem I. Weltkrieg 10 Pfennig Brückengeld pro Person.
Bei stärkerem Wellenschlag konnten diese Brücken noch im Jahre 1920 nicht immer zum Ausbooten genutzt werden. Dann wurde „ohne Ausnahme stets in Saßnitz gelandet“ (Albrecht 1920-1921, 8). In Saßnitz war zwischen 1898 und 1907 auch mit militärischem Hintergrund ein gewaltiger Hafen errichtet worden. Seit 1909 verkehrten in Saßnitz große Trajektschiffe nach Schweden, die 8 D-Zugwagen oder 16 Güterwagen aufnehmen konnten und durch mächtige Molen geschützt waren. Seit dem 1. April 1906 waren außerdem die miteinander konkurrierenden Orte Crampas und Saßnitz zur Gemeinde Saßnitz vereinigt. Allerdings unterschied man zunächst noch zwischen Saßnitz-West und Saßnitz-Ost.

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Saßnitz. Ostmole mit Leuchtturm, 1958

 

Saßnitz unterschied zwischen Hotels „ersten Ranges“ und „weniger anspruchsvoll“. Erstere verlangten für eine Übernachtung sechs Mark und die zweite Kategorie dann vier Mark.

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Sellin, Strandpartie (nach Album von Rügen Berlin 1906, Großfoto)

 

Hauptsächlich waren es in jener Zeit die Ferienmonate Mitte Juni bis Mitte September, in denen der Hotelier und jeder im Badeort tätige Unternehmer „sein Geld machen musste“. Danach versank die Inselwelt wieder in ihre gewisse Abgeschiedenheit. Die größeren Badeorte nahmen Kurtaxe, wie sie auch Eintritt in die verschiedenen Badeanstalten nahmen.

Bild 7. Binz. Strandpromenade. Villa Undine. Winter 1984

Binz, Strandpromenade, Haus Undine im Winter 1984

Die hier zu betrachtenden 36 Jahre zwischen 1900 und 1936 – in diesem Jahr erfolgte die Eröffnung des Rügendammes – lassen schon wegen ihrer unterschiedlichen Zeitepochen Entwicklungs- und Stagnierungsphasen erkennen. Als eine Zäsur muss der I. Weltkrieg gesehen werden. 1912 hatten bereits 91 309 Erholungsbedürftige Rügen aufgesucht. Allein in Binz weilten 1911 25 678 Badegäste, von denen jeder sechste Gast aus dem Ausland kam (Volckmann 1913-1914, 49).

Das waren aber nicht immer die „Betuchten“ des Wohlstandes, sondern auch der bürgerliche Mittelstand, die Intelligenz und jene Schicht, die man als „Arbeiteraristokratie“ bezeichnete. Entsprechend entwickelte sich auch der Charakter der einzelnen Badeorte. Die vier Badeorte Saßnitz, Binz, Sellin und zunehmend Göhren „gehörten“ einer oberen Bevölkerungsschicht an, während Glowe, Thießow, Lohme, Baabe, Altefähr und Wiek einem geruhsamen und verbilligten Urlaub der bürgerlichen Familien mit Kleinkindern vorbehalten blieb.

Als am 1. August 1914 der I. Weltkrieg ausbrach, waren 50 000 Badegäste auf der Insel. Erst das schreckliche Geschehen des nun folgenden Krieges brachte 1917 und 1918 wieder Erholungssuchende nach Rügen – es kamen Kriegsbeschädigte und Kriegsverletzte. So wurde das Badehaus Goor 1918 ein Reservelazarett und danach lebten zunächst Wohnungssuchende hier. In diesen vier Kriegsjahren und der folgenden Inflation waren viele Rüganer genötigt, ihren Besitz zu verkaufen. In der Weimarer Republik lernten die Badegäste daher neue Namen und neue Personen – und natürlich neue Preise kennen. So hatte sich das Brückengeld verdoppelt.

Erst seit 1924 traten in engen Grenzen geordnete Verhältnisse – bis zur Weltwirtschaftskrise – wieder ein. Die Wirtschaft stagnierte weiterhin, eine große Arbeitslosigkeit und allgemeiner Geldmangel bremsten das Bäderwesen. Dem kam man entgegen, indem die Kurtaxe niedriger gehalten wurde und billigere Wochenendzüge eingesetzt wurden. Ausdruck dieser schwierigen Situation ist auch die erst verspätet und dann schlicht erscheinende Ausgabe von „Griebens Reiseführer. Die Insel Rügen“ im Jahre 1920. Immerhin entstanden feste Straßen zwischen Göhren–Abzweig und Thießow 1928 bis 1929 sowie zwischen 1930 und 1932 die „Bäderstraße“ zwischen Serams und Sellin (nach Kramm 1968, S. 50).

Eisenbahnverbindungen

Seit 1900 war Rügen durch zwei Normal-Bahnstrecken wie durch drei Kleinbahnstrecken erschlossen. Natürlich gab es vor dem I. Weltkrieg weitere Streckenpläne, u. a. auch Arkona oder Thießow durch Bahnlinien zu erschließen – aber es fehlten die nötigen Geldgeber.

Mit der Normalbahn konnte man von Altefähr über Bergen nach Saßnitz und von Bergen nach Putbus und Lauterbach fahren. Vor dem I. Weltkrieg kostete eine Rückfahrkarte Berlin–Saßnitz–Berlin in der „billigen“ III. Klasse 22,60 Mark (Albrecht 1908-1909, 10). Die Kleinbahnstrecken wurden kaum vom Touristen genutzt, da sie zu langsam und mit zahlreichen sehr schlichten Haltestellen gespickt waren. Noch 1950 brauchte man für die Strecke Philippshagen auf Mönchgut bis Putbus fast drei Stunden, wie Verf. selbst erlebte.

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Binz. Bahnstrecke unterhalb des Binzer Sportplatzes, 2008

Die Schiffsverbindungen vor dem Bau des Rügendammes im Jahre 1936

Rügen reiste man vom Süden Deutschlands kommend mit dem Zug hauptsächlich über Stralsund und Stettin an. Anklam war in Bedeutungslosigkeit versunken und von Greifswald gab es nur eine bzw. zwei Dampferverbindung(en) zum Südosten Rügens mit Lauterbach zu den Badeorten an der Ostküste Rügens.

Stralsund–Altefähr-Rügen

Neben dem stündlichen Fährverkehr nach Altefähr (oder nach Devin) unterschied man vor dem I. Weltkrieg zwischen Dampfschiff- und Motorbootverbindungen, die Rügen allerdings täglich anliefen. Die Motorbootsverbindungen zwischen den einzelnen Badeorten „waren billig und ersparten das lästige An- und Abbooten“ (Albrecht 1908-1909, 11). Die Fährverbindung nach Altefähr kostete 20 Pfennige.

Die nach Schweden fahrenden Eisenbahnzüge fuhren von Stralsund-Hauptbahnhof zum Hafenbahnhof in der Verlängerung der Stralsunder Werftstraße. Nach dem Übersetzen kamen sie etwa 0,5 km südlich des Ortes Altefähr auf Rügen an. Das damalige Bahnhofsgebäude hat sich bis heute noch erhalten.

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Altefähr, Blick auf das rote Bahnhofsgebäude der Trajektverbindung, 1995

 

Spätestens 1914 gab es vier Schiffslinien mit etwa sieben Schiffen von der Fährbrücke nach Rügen (Albrecht 1914-1915, 28, 109 f.). So konnte Hiddensee mit fünf Dampfern täglich angefahren werden:

1. Die Salon-Dampfer „Deutschland“, „Hiddensee“, „Hansa“ und „Strelasund“ des Eigentümers A. Prätz, Stralsund, Fährstraße 11/12. Sie verkehrten täglich zwischen Neuendorf/Hiddensee, Schaprode und Kloster/Hiddensee und fuhren morgens 8:15 Uhr von Stralsund ab. Die „Hiddensee“ verkehrte nachmittags 15:30 Uhr von Stralsund und endete 18:30 Uhr in Wiek. Die „Hansa“ lief von Stralsund 15:30 Uhr Schaprode, Vieregge und Breege-Juliusruh an. Hier endete sie 19:30 Uhr, um an anderem Tage 7:00 Uhr nach Stralsund zu dampfen (Schuster 1926-1927, Anhang XXI).

2. Der Dampfer „Germania“ des Eigentümers C. A. Beug, Stralsund. Dieser fuhr nachmittags 15:15 Uhr ab und verkehrte zwischen Stralsund und Breege. Er hielt aber auch in Kloster (Hiddensee), Wittower Posthaus, Wittower Fähre und Vieregge. Morgens um 7:15 Uhr ging die Fahrt nach Stralsund zurück.

3. Der Dampfer „Caprivi“ des Eigentümers G. Bentzien, Stralsund. Er verkehrte zwischen Hiddensee und Wiek. Wiek erreichte man nach drei Stunden. Er fuhr morgens 8:15 Uhr und nachmittags 15:30 Uhr von Stralsund ab. Bei der letzten Tour erreichte man Wiek am Abend um 18:45 Uhr. Am Tage darauf verließ der „Caprivi“ Wiek um 7:00 Uhr und kam in Stralsund um 9:00 Uhr an.

Zeitweise gab es weitere Stralsunder Schiffslinie nach Rügen mit dem Salon-Dampfer „Käte“ der Stralsunder Reederei C. Faust jun. unter Kapitän Schacht. Kapitän Schacht fuhr z. B. zwischen dem 5. Juni und 18. August 1906 an unterschiedlichen Tagen auch den Südosten Rügens mit Lauterbach, die Insel Vilm und Baabe an. Die „Käte“ fuhr an jedem Dienstag und jedem

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Fahrten des Dampfers „Käte“ (nach Meyer 1899, Karte nach S. 70)

 

Donnerstag um 7:30 Uhr von Stralsund ab, erreichte nach drei Stunden Lauterbach und eine Stunde später, also 11:15 Uhr, Baabe. Am Nachmittag pendelte das Schiff zwischen Lauterbach und Baabe. Donnerstags fuhr Kapitän Schacht auch von Baabe aus Thießow an. Der Fahrpreis lag nur bei einer Mark für die Hinfahrt Stralsund – Baabe. Für die Linie Stralsund – Thießow wurden dann mit Rückfahrt 4 Mark verlangt. An jedem Mittwoch gab es durch die „Käte“ Fahrten nach Hiddensee ab 13:30 Uhr für 1,20 Mark. Die Rückfahrt erfolgte abends 19:00 Uhr. In Thießow hatte man eine 350 m lange Landungsbrücke gebaut, die allerdings 1912 durch Stürme, Eis- und Wellengang weggerissen wurde.

Die sicher bei „gutem“ Wetter romantische Tour der „Käte“ ging also durch den Strelasund mit Drigge und Prosnitz, um den Zudar herum und dann entlang der Küste des Greifswalder Boddens nach Lauterbach. Diese Schiffslinie wird heute nicht mehr befahren. Die Weiterfahrt erfolgte von Lauterbach an der Insel Vilm vorbei, mit Blick zum Gobbiner Haken mit slawischem Burgwall. Der Wall markierte und beherrschte wohl einst die Einfahrt in die schmale Bucht der „Having“. Dieser folgte das Schiff in die „Baaber Bek“ mit dem Bollwerk.

Bild 14. Alt Reddevitz. Bauernhaus an der Having. 1987

Alt Reddevitz, Einsames Bauernhaus am Ufer der „Having“, 1987

 Der Lauterbacher Hafen war erst 1900 bis 1901 ausgebaut worden. Stieg man in Lauterbach aus, so hatte man 10 Pfennig „Brückengeld“ zu bezahlen (Albrecht 1908-1909, 59; Volckmann 1913-1914, 4). Zur Insel Vilm führte schon vor dem I. Weltkrieg eine regelmäßige Fährverbindung. 

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Göhren mit der Seebrücke und einem Dampfer (nach Rügenscher Heimat=Kalender 1929, Abb. S. 17)

 

1913 konnte man auch von Göhren mit dem Dampfer „Hans August“ nach Baabe fahren (Volckmann 1913-1914, 39).

Binz auf Rügen

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Neue Seebrücke mit einem Vergnügungsdampfer, 2008

 

Der Badeort Binz hatte sich bereits nach 1896 sprunghaft entwickelt. 1905 gab es fast 2 000 Einwohner, die im Jahre 1910 mehr als 22 000 Erholungsgäste betreuten (nach Kramm 1968, 86). Es folgten die „Einbrüche“ in den Nachkriegsjahren 1918-1920 und die Weltwirtschaftskrise 1929/30.

Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung bis in das Jahr 1966 mit dem sagenhaften Boom als „Bad der Werktätigen“. Die Ordinaten-Achse verzeichnet die absolute Zahl der jährlichen Urlauber:

Diagramm Binz

Anzahl der Erholungssuchenden in den Jahren 1870 bis 1966 (nach Kramm 1968, 86)

Das damalige Binzer Hotel „Kurhaus“ besaß schon einen großen Kursaal für 250 Personen – es besaß ferner je einen Lese-, Billard-, Musik- und „Restaurationssalon“. Man konnte schon vor 1900 „sterilisierte Milch aus der Milchkuranstalt“ eines Berliner Ökonomie-Rates beim Kaufmann Kliesow genießen und sich im „Reitinstitut“ des Victor Specht vergnügen (Schuster 1998, 43).

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Binz. Strandleben mit dem alten „Kurhaus“ (nach Album von Rügen. Berlin 1906, Großfoto)

 

Eine schnellere Motorbootverbindung bestand seit 1906 zwischen Stralsund, Hiddensee (Vitte und Kloster), Breege bis Lietzow. Hier hatte die „Motorbetriebsgesellschaft“ Siebert & Co. in Breege eine täglich dreimalige Verbindung zwischen Lietzow und Breege organisiert (Albrecht 1914-1915, 110). Von Lietzow konnte man eine einstündige Bootstour nach der Bergener Bootsstelle, allerdings für 4,50 Mark, unternehmen: „Auf dieser lohnenden Fahrt streift man die hübsch gelegene Insel Pulitz, die aber (Besitz des Grafen Douglas) nicht betreten werden kann“ (Albrecht 1906-1907, 31). Hier befand sich eine Kormorankolonie.

Bild 4. Lietzow. Blick auf Schleuse und Hafen. 1991

Lietzow, Blick auf ehemaligen Hafen bzw. Anlegestelle und Schleuse zwischen Kleinen und Großen Jasmunder Bodden. Im Hintergrund die bewaldete „Näselow“ (plattdeutsch „de Näs’ “) und die „Schwarzen Berge“ von Ralswiek, 1991

Schiffs-Fahrten von Saßnitz aus

Zusätzlich gab es seit der Jahrhundertwende um 1900 zwischen dem 20. Juni und 10. September Dampferfahrten von Saßnitz zu den einzelnen Badeorten. So verkehrten der Bergungs- und Passagierdampfer „Rügen“ zwischen Lohme – Binz – Saßnitz (vgl. Schuster 1998, Anhang 5). Er hielt auch in Sellin und Göhren. Abends kam die berühmte „Abendfahrt mit elektrischer Beleuchtung der Kreidefelsen“ hinzu.

Eine ähnliche Tour hatte der Salonschnelldampfer „Saßnitz“ auf seinem Repertoire.

Greifswald–Rügen–Greifswald

Von Greifswald aus bestand zwischen Juni und Anfang September jeden Wochentag eine Schiffsverbindung mit dem Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ (Eigner war E. Mohrmann, Greifswald) unter Kapitän P. Mestermann zwischen Greifswald und Thießow, Göhren, Sellin, Binz, Saßnitz, Stubbenkammer und Lohme. Er gehörte der Greifswalder Reederei Spruth. Passagiere und Gepäck wurden mit dem Morgenzug aus Berlin (ab Berlin 8:30 Uhr) per Fuhrwerk zum Hafen gebracht und „ersparten sich den Weg durch die Stadt“ (Albrecht 1908-1909, 67). Man erreichte z. B. Göhren nach zweistündiger Seefahrt 15.45 Uhr (Albrecht 1914-1915, 98). Die Schiffsfahrt kostete nach Stubbenkammer 4,10 Mark – mit Rückfahrt 5,70 Mark. Die Verbindung Greifswald nach Saßnitz mit dem Dampfschiff dauerte fast fünf Stunden.

Die Verbindung war für Seekranke natürlich etwas riskant. Außerdem hieß es: „Bei ausnahmsweise starkem Ostwind steigen die Passagiere mit ihrem Gepäck in Thießow am Weststrand, die für Göhren, Baabe, Sellin und Binz bestimmten in nächster Nähe in Baabe-Hafen aus und ein“ (Albrecht 1914-1915, Anhang 3).

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Greifswald–Rügen, die Fahrverbindung des Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ (Grieben-Reiseführer 65, 1914-1915, Anhang 3)

Spätestens seit 1914 verkehrte der Dampfer „Käte“ allerdings zwischen Greifswald und Rügen. Er fuhr dann 14.30 ab Greifswald und erreichte Lauterbach nach drei Stunden. Eine Stunde später erreichte die „Käte“ in der Having die Station „Reddevitz – Strandburg“ („abbooten“) und um 18.00 Uhr das feste Bollwerk von Baabe: „doch versichere man sich durch das Kursbuch, ob die Linie weiter besteht“ (Albrecht 1914-1915, 66). Nun – es begann der I. Weltkrieg.

Stettin – Swinemünde – Rügen

Besonders die Verbindung nach Rügen vom Süden und der Mitte Deutschlands aus über Stettin gewann an Bedeutung. Noch Ende des 19. Jahrhunderts verkürzte die Ausbaggerung der „Kaiserfahrt“ und 1891 die Regulierung und Vertiefung des Fahrwassers zwischen Stettin und der Ostsee die Dauer der Schiffsreise nach Rügen um dreißig Minuten, so dass man nur noch 3 ½ Stunden von Swinemünde nach Saßnitz benötigte (Volckmann 1913-1914, 55; Wehrmann 1911, 499). Seit 1876 war Swinemünde von Berlin über Ducherow mittels einer Drehbrücke bei Karnin mit der Eisenbahn schnell erreichbar. So fuhren 1908 die Dampfer der Firma J. F. Braeunlich der Stettiner Dampfschiffsgesellschaft GmbH von Anfang Juni dreimal wöchentlich in die rügenschen Bäder. (Albrecht 1908-1909, 110; 1914-1915, 129). Das waren die Dampfer „Hertha“ und „Odin“. Spätestens 1914 kam der Dampfer „Imperator“ hinzu (Albrecht 1914-1915, 81), der dreimal wöchentlich nach Bornholm fuhr.

Bild 2. Bollwerk an der Hakenterrasse mit dem Salon-Dampfer Odin (Wehrmann 1911)

Stettin, Bollwerk an der Hakenterrasse mit dem Dampfer „Odin“ (nach Wehrmann 1911, Fototafel)

So konnte man auch von Swinemünde aus z. B. in den 1920er Jahren mit dem Salon-Dampfer „Freia“ nach Saßnitz fahren. Er fuhr morgens um 6:30 Uhr ab, hielt jedoch in Heringsdorf, Zinnowitz, Göhren, Sellin, Binz – und auch in Stubbenkammer. Abends um 17:00 Uhr reiste man nach Swinemünde zurück.

 

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Stettin, Hafenbild mit Doppelschrauben-Dampfer „Odin“ an der Hakenterrasse. Im Hintergrund die neue Baumbrücke (nach Wehrmann 1911, Fototafel)

1907 war die attraktive Hakenterrasse am Hafen fertig gestellt worden. Breits 1857 war in Stettin mit der AG Vulkan in Bredow eine leistungsfähige Werft – wohl die größte Deutschlands -für eiserne Schiffe entstanden. So hatte im Jahre 1910 die Stettiner Reederei 240 Schiffe, von denen nur noch 8% Segelschiffe waren (Wehrmann 1911, 514). Die Reederei J. F. Braeunlich GmbH setzte außerdem den Doppelschrauben-Dampfer „Odin“ zu ausgedehnten Ostsee-Reisen ein.

So fuhr man von Saßnitz mit einem Halt in Binz und Sellin nach Bornholm. Dazu benötigte man kein Visum, sondern nur einen Personalausweis mit Lichtbild. Der „Odin“ fuhr morgens von Saßnitz um 5:00 Uhr ab und erreichte nach sechs Stunden Bornholm-Hammershus um 11:00 Uhr. Von dort ging es abends um 17:00 Uhr zurück, um Saßnitz kurz vor Mitternacht zu erreichen.

Bild 8. Bornholm. Blick auf die alte Festung Hammershus. 1991.

Blick auf die Festung Hammershus auf Bornholm, 1991

Anmerkung:
Bis zum 2. Februar 1993 galt der Name Saßnitz, heute Sassnitz,
bis zum 19. März 1995 galt der Name Thießow, heute Thiessow

Verwendete Literatur:

Albrecht, K., Die Insel Rügen. Praktischer Führer nach und auf der Insel. 18. Auflage. Griebens Reiseführer Band 65. Berlin, 1906-1907
Albrecht, K., Die Insel Rügen. Praktischer Führer nach und auf der Insel. 18. Auflage. Griebens Reiseführer Band 65. Berlin, 1908-1909
Albrecht, K., Die Insel Rügen. Praktischer Führer nach und auf der Insel. 18. Auflage. Griebens Reiseführer Band 65. Berlin, 1914-1915
Albrecht, K., Die Insel Rügen. Praktischer Führer. Kleine Ausgabe nach der 23. Auflage. Griebens Reiseführer Band 12. Berlin, 1920-1921
Kramm, H. J., Rügen. Ökonomisch-geographische Exkursionen. Gotha und Leipzig, 1968 (mit weiterer Literatur).
Meyers Reisebücher. Ostseebäder und Städte der Ostseeküste. Leipzig, Wien, 1899
Schuster, A., Führer durch die Insel Rügen. Stettin, 1898
Schuster, A., Führer durch die Insel Rügen. Stettin, 1926-1927
Volckmann, E., Rügen mit Stralsund, Greifswald und Stettin. Berlin, 1913-1914
Wehrmann, M., Geschichte der Stadt Stettin. Stettin, 1911