Archiv der Kategorie: Mittelalter

Der „Svantevit“ von Altenkirchen

Ostsee-Zeitung, 05. 03. 1992, S.12

„Er sieht mehr einem Ungeheuer als einem Gotte ähnlich …“:

„Nachdem ich Arkona nebst seiner Burg Jaromarsborg in Augenschein genommen hatte, …, bin ich zurückgekehrt nach Altenkirchen,einem überaus alten Dorfe. Dort wurde mir in der Vorhalle zum Gotteshause das in Stein gemeißelte Bild des Svantevit, des sehr alten Götzen der Rügianer, gezeigt.“ So berichtete der Chronist Johann Lübbeke (geboren 1520).

Altenkirchen. Eingang zu Kirche und Friedhof. Aufnahme A. Leube vor 1988

Der heute noch erhaltene Stein zeigt einen Slawischen Mann mit Kinn- und Knebelbart, kaftanartig gegürteltem Rock, Schuhen und spitzer Mütze. Er hält ein großes Horn in den Händen. Heute vermutet man – eine ähnliche Figur ist in der Kirche von Bergen eingemauert, einen slawischen Grabstein oder eine Abbildung einer Gottheit bzw. eines Priesters darin. Johann Lübbeke hatte eine eigene Meinung: „Man sieht klar, es ist das Abbild eines bösen Geistes“, denn:  „Er sieht mehr einem Ungeheuer als einem Gotte ähnlich …“.

Altenkirchen – Swantevitstein – nach Herrmann, Die Slawen in Deutschland, 1970, Abb. 122

Slawen auf Wittow. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts wurde das weitgehend unbesiedelte Wittow von den Slawen erschlossen. Sie legten erste Siedlungen an und rodeten die dichten ursprünglichen Eichen-Ulmen-Wälder. Erst jetzt breitete sich die Buche aus. Die Slawen legten Getreideäcker an, es entstanden größere Wiesenflächen.

Burgwall Arkona. Luftaufnahme. 1970 – nach Joachim Herrmann, Die Slawen in Deutschland, Abb. 6a

Zum Bau der slawischen Burg wurden seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gleichfalls Eichen- und Ulmen gerodet. Im Schutze der Burg entstanden besonders nach dem Jahre 1000zahlreiche kleine Siedlungen zwischen Putgarten und Varnkevitz. Im Ortsnamen Putgarten steckt das slawische „pod gorod“, d. h. „unter der Burg bzw. Stadt“. Mit der Eroberung der slawischen Burg durch die Dänen und ihre Verbündeten 1168 setzte eine Entsiedlung und Wiederbewaldung ein. Es waren nun Eichen-Hainbuchen-Wälder, die seit dem 14. Jahrhundert mit dem Ausbau Altenkirchens gerodet wurden.

Burgeingang der Slawenburg von Arkona, Rekonstruktion. Nach Joachim Herrmann, Die Slawen in Deutschland, 1970, S. 184, Abb. 81.

Wittow in jüngster Zeit. Schließlich machte sich der Schrecken des 30-jährigen Krieges (1618-1648) mit seiner Entvölkerung weiter Teile Rügens auch auf Wittow in einer Versteppung der Landschaft bemerkbar. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich gerade der Zuckerrübenanbau durch. 1894 wurden bereits über 10 000 t Rüben über den Hafen von Wiek verschifft.

Segelschiffahrt auf Wittow. An der „Bullerhürn“ wurden im 19. Jahrhundert die Wieker Segelschiffe in Winterlage gebracht und an Pfählen verankert. 1881 gab es auf Wittow noch 65 Segelschiffe, daruntereine Bark und 42 Schoner. Knapp zwei Jahrzehnte später war nur noch ein Drittel an Schiffen vorhanden, darunter 11 der kleinen Schaluppen. Bereits 1902 war die Wittower Schifffahrt unbedeutend, z. B. gab es in Breege nur noch die Galeas „Concordia“ des Kapitäns Müther. Bekannte Kapitäne waren Klieckow, Berg, Birnbaum, Käning und Rogge. Aus Breege sowie Schröder, Woywode, Woitge und Vetterick aus Wiek. Die Leistungsstärkere Dampfschiffahrt hatte sich durchgesetzt.

Der Wieker Hafen galt als wichtiger Umschlagplatz, der allein 1901 von über 110 Schonern, Galeassen, Schaluppen und Kähnen angesegelt wurde. Es bestand eine feste Linie Stralsund – Hiddensee – Wiek am Ende des 19. Jahrhunderts, die von den Dampfern „Caprivi“ und „Britannia“ durchgeführt wurde. Die Linie Stralsund nach Breege übernahm der Dampfer  „Germania“. Von Breege ging eine kleinere Schiffsverbindung nach Lietzow. Zweifellos würde die Wiederbelebung dieser und weiterer Schiffslinien den Straßenverkehr entlasten, umweltfreundlicher sein und einige Arbeitsplätze schaffen.

                                                                                                                Dr. Achim Leube

Klaus Ewert zur Erinnerung (1912 – 1992)

Ostseezeitung 9. Januar 1993

Bedeutender Rügener Heimatforscher

Mit dem Superintendenten Klaus Ewert in Bergen verstarb am 7. Dezember 1992 eine der großen Persönlichkeiten rügenscher Heimatforschung. Sein letzter Wunsch – die Schaffung eines Bergener Heimatmuseums – ging noch in Erfüllung. Die Mitarbeit an dessen Aufbau wie auch die Gestaltung und Erneuerung zahlreicher heimatkundlicher Projekte war ihm nicht mehr möglich. –

Abb. 1 Superintendent Klaus Ewert. Nachweis Foto Fredor Borgwald

Abb. 1 Superintendent Klaus Ewert. Nachweis Foto Fredor Borgwald

Klaus Ewert wurde am 7. November 1912 in Rogahlen/Ostpreußen als Sohn eines Pfarrers geboren. Nach dem Studium der Theologie an den Universitäten in Königsberg (heute Kaliningrad) und Tübingen schloss er seine Ausbildung 1939 mit dem zweiten theologischen Examen und der Ordination ab. Es folgten die leidgeprüften und schweren Kriegsjahre als Soldat.

Nach Gefangenschaft seit 1946 auf Rügen

Nach schwerer Kriegsverwundung 1943 und russischer Kriegsgefangenschaft bis August 1946 erreichte Klaus Ewert am 2. September 1946 mit seiner Ankunft in Saßnitz wieder die deutsche Heimat.

Eingerüsteter Kirchturm der Bergener Marienkirche. Aufnahme A. Leube 1977

Abb. 2 Eingerüsteter Kirchturm der Bergener Marienkirche.   Aufnahme A. Leube 1977

Bereits einen Monat später – am 1. Oktober – begann er seine seelsorgerische Arbeit als Pfarrer in Neuenkirchen, und wurde später, am 1. Advent 1949, als Pfarrer in Patzig eingeführt. Hier wirkte Klaus Ewert bis zum 1. September 1963. Nun übernahm er das arbeitsreiche Amt des Pfarrers und des Superintendenten des Kirchenkreises Rügen in Bergen.

Bergen. Westseite der Marienkirche. Bauarbeiten. aufnahme A. Leube 2005

Abb. 3 Bergen. Westseite der Marienkirche. Bauarbeiten. Aufnahme A. Leube 2005

Stets „in Reichweite“ und „im Rennen“

Am 31. Dezember 1978 wurde er in den „Ruhestand“ verabschiedet, wobei die Worte „i. R.“ (d. h. im Ruhestand) für ihn nur „in Reichweite“ oder „im Rennen“ bedeuteten.

In Patzig lernte ich Pastor Ewert 1963 als einen aufgeschlossenen und mit der rügenschen Geschichte und Kultur vertrauten Menschen kennen. Seit dieser Zeit bin ich Herrn Ewert auch über weite Entfernungen innerlich verbunden gewesen.

Aktiv war er in den folgenden Jahren z. B. in der Denkmalpflege tätig. So barg er beim Neubau der Apotheke neben der Post zahlreiches mittelalterliches Kulturgut aus der Zeit der Bergener Stadtentstehung.

Gleich wichtig war ihm auch die Sammlung rügenscher Heimat- und Geschichtsliteratur sowie die Aufarbeitung des reichen Kirchenarchivs der Bergener Pastorei.

Stellte neue Fragen an die Geschichte

In den letzten Jahren gab er sein Wissen auch in der Ostsee-Zeitung oder in kleinen Ausstellungen (z. B. am Rugard-Turm) der Nachwelt weiter. Und das war Heimatforschung im besten Sinne – nicht die alleinige Wiedergabe bekannter Erkenntnisse, sondern die vertiefende Erforschung unbekannter Geschichtsabschnitte und –ereignisse, verbunden mit dem Gewinn neuer Fragen an die Geschichte.

Hier hatte sich bei Klaus Ewert ein großes Wissen angesammelt, das er mit reifer Lebenserfahrung und in Weisheit zu vermitteln wusste. Gemeinsam mit einer Reisegruppe aus Flensburg habe ich das 1990 bei einer Führung in der Bergener Marienkirche beeindruckend erlebt.

So bleibt uns Klaus Ewert als ein bescheidener, einfühlsamer und stets hilfsbereiter Mensch in Erinnerung.

Der rügenschen Heimatforschung wird er auch als Integrationsperson und spiritus rector gerade in dieser schwierigen Zeit der Umbrüche, wechselnder Orientierungen und mitunter unüberlegter Neubeginne als Mahner und Warner fehlen.

„Wer den Besten seiner Zeit genug getan,

der hat gelebt für alle Zeiten!

(Schiller)

Ein Mord vor 500 Jahren – aus der Geschichte Gustows und Rügens


Zur Geschichte des Ortes Gustow

2014 hat das 1314 erstmals erwähnte Gustow den 700jährigen Tag dieser Nennung begangen. Es kann nicht nur auf dieses tragische Ereignis zurückblicken. Wegen seiner strategischen Lage an einer alten Landstraße und an der Wamper und Gustower Wiek wurde es mehrfach durch Kriege und Plünderungen „heimgesucht“. Im Jahre 1678 war es der Krieg zwischen den Dänen und Brandenburgern gegen die Schweden, der hier zu einer Schlacht auf den Feldern zwischen Gustow und Warksow und zur Zerstörung des einstigen Bauerndorfes und seiner Kirche führte. Größere Bedeutung erreichten der Ort und seine Kirchgemeinde unter dem Pfarrer Karl Emanuel Christian Piper (1752-1831). Piper hatte Kontakte zu allen bedeutenden Persönlichkeiten Rügens, wohl auch zu Ernst Moritz Arndt. Piper legte einmalig für Rügen noch vor 1800 den Grundstein für ein solides Schulwesen in Gustow, wie er auch 1790 eine Hebammenstelle einrichtete.

Aus jüngerer Zeit ist Gustow durch seine Landwirtschaftliche Genossenschaft (LPG) „7. Oktober“ bekannt, die unter ihren Vorsitzenden Hans Lenz, Helmut Kircher und Egon Bauer einem auf Tierhaltung und Tierzucht orientierten umfangreichen Agrarbetrieb aufbauten, der 1989 beachtliche 358 Mitarbeiter hatte. Die häufig prämierte Genossenschaft besaß außerdem eine durch Klaus Perk geleitete ertragreiche Gärtnerei, in der seinerzeit 60 Personen Arbeit fanden. Daraus entwickelte sich nach 1990 u. a. eine „Agrargesellschaft GmbH“ Gustow mit allerdings nur noch etwa 50 Arbeitskräften im Jahre 1999. Mehrfach errang der Ort seit 1987 den Titel „Schönes Dorf“ und zeichnet sich auch gegenwärtig unter Bürgermeister Peter Geißler durch eine gepflegte Ortsstruktur aus.

Abb. 1. Die Kalkstein-Stele (Mordwange) auf dem Friedhof von Gustow. Aufnahme: A. Leube, August 2011

 

Die als „touristische Nebenstrecke“ bezeichnete und schon stark in ihrem Baumbestand gelichtete „Deutsche Alleenstraße“ von Stralsund nach Garz und Putbus führt nach etwa 6 km hinter Stralsund durch den kleinen Ort Gustow.

Einem aufmerksamen Reisenden gibt dabei eine senkrecht stehende Kalksteinplatte von etwa 2,6 m Höhe und 0, 6m Breite auf dem Friedhof an der Kirche Anlass zum Nachdenken.

Bereits um 1800 wurde vermerkt, dass sich „außerhalb des Friedhofes“ auf der Nordostseite an der Alleenstraße ein großer Sühnestein befand (Auszüge aus der Gustower Kirchenchronik des Pastors K. E. C. Piper /Aktenordner / Ortsakten Rügen / KHM Stralsund).

Abb. 2. Gustow. Mordwange. Aufnahme - A. Leube, Mai 2010

Abb. 2. Gustow. Mordwange aus Kalkstein. Aufnahme: A. Leube 2013

 

Es ist jene aus schwedischem Kalkstein gefertigte Mordwange von 2, 7 m Höhe, 0, 17 m Stärke und 0, 61 m Breite und oben 0, 85 m Breite  aus dem Jahre 1510 (vgl. Haselberg 1897, 298; Haas 1938). Ohle und Baier (1963, 260) nennen irrtümlich Granit. Eine weitere ähnliche Mordwange steht in Schaprode. Es gibt also zwei derartiger Gedenksteine auf Rügen.

Der auf dem Friedhof in Gustow erhaltene Sühnestein des Jahres 1510 gehört zu einer Gruppe von Kunstdenkmälern, die frühestens in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurden und heute unter strengem Denkmalschutz stehen (z. B. Saal 1971, 147 ff.; Neuber 1988 mit Literatur). Im Osten Deutschlands hat sich eine große Zahl dieser steinernen Denkmäler erhalten, so allein 367 in Sachsen, in Thüringen über 500, in der Niederlausitz 70, im übrigen Brandenburg nur acht. In Mecklenburg-Vorpommern sind es sieben Sühnesteine in Kreuzform und ein gutes Dutzend als Mordwange (nach Saal 1971, 147 mit Literatur) erhalten.

Die Kirche zu Gustow

Gustow ist eine eigenständige Kirchengemeinde gewesen und gehörte zwischen 1648 und 1815 zum schwedischen Königsreich: „Schweden hat zunächst in kirchlicher Hinsicht in dem übernommenen Rügen keine wesentlichen Änderungen eintreten lassen“ (Wiedemann 1934, 83).

Abb. 2. Gustow. Blick auf Kirche und Friedhof. Die Steinsäulen markieren die einstige Grabstätte der Familie von Bagewitz, Drigge. Aufnahme A. leube 2011

Abb. 3. Gustow. Blick auf Kirche und Friedhof. Die Steinsäulen markieren die einstige Grabstätte der Familie von Bagewitz, Drigge. Aufnahme A. Leube 2011.

 

1663 wurde eine allgemeine Kirchenvisitation durch die Kirchenpatrone angeordnet und nur allmählich wegen der folgenden Kriege vorgenommen. 1806 entstanden anstelle der bisherigen vier Präposituren nun zwei Propsteien in Bergen und Garz, wobei Gustow zu Garz gehörte (Wiedemann 1934, 91). Parallel dazu entstanden in Vorpommern vier Kirchen-Ämter mit eigenem Kirchensiegel: die aufgeschlagene Bibel, umschlossen auf einer Seite von einer fruchttragenden Rebe, auf der anderen Seite von einer Garbe. Dieses Siegel ist noch heute in Gebrauch.

Was hat es mit der Mordwange auf sich?

Bei näherer und genauer Betrachtung – die Kalksteinplatte ist dem sauren Regen und damit der Verwitterung seit fünf Jahrhunderten ausgesetzt – erkennt man auf der Vorderseite die Darstellung eines knienden Menschen mit einem Schwert auf dem Kopf.

Abb. 4. Gustow. Mordwange. Detail mit Darstellung des Schwertes und des Getöteten. Aufnahme – A. Leube 2010

 

Die Kunsthistoriker Ohle und Baier gaben 1963 folgende Beschreibung: „Auf der Vorderseite in Umrisslinien eingemeißelt: Kruzifix mit zwei Engeln, davor ein kniender Mann mit einem Schwert auf dem Kopf, daneben ein Kelch und Wappen mit Hausmarke. Der obere Teil des Steines ist scheibenförmig mit sieben angefügten Rosetten, die Rückseite unbearbeitet, die Oberfläche stark verwittert“.

Haas (1938b) schrieb dazu: „Auf der Vorderseite ist der Gekreuzigte eingemeißelt, dessen Lendentuch von 2 Engeln gehalten wird. Links daneben kniet die Gestalt eines Geistlichen, der die Hände zum Gebet erhoben hat; in seinem Haupt steckt das todbringende Schwert. Zur Rechten ist ein Wappen mit einer Hausmarke und ein Kelch dargestellt.

Abb. 5. Gustow. Mordwange. Darstellung des Kelches. Aufnahme – A. Leube 2010

Darunter befindet sich die achtzeilige Inschrift in gotischen Minuskeln, die also lauten: „Na der bort Xsti m cccc vnde x des  do(n)redag(es) in d(e) quatte (m) per vor sv(n)te michaele ys geslage(n) h(er) thomes norenberch karckh(ere) to gustow weset, dem(e) got gnedich sy.“

Haas (1938b) fährt fort: Daraus ergibt sich als Datum des Totschlages der 19. September 1510. Oben am Kreuz befindet sich ein Spruchband mit den Buchstaben „I n r i“ (Jesus Nazarenus, rex Judaeorum) und aus dem Munde des Geistlichen kommt ein Spruchband mit den Buchstaben: „O dm o m m, d. i. domine misere mei! – Herr erbarme dich meiner!“.

Haas hatte auch aus dem Gustower Kirchenbuch Erklärungen gefunden: „ Einige (drei) Bauern, die aus Stralsund stark bezecht zurückkehrten, gerieten in Streit und der Streit artete in Tätlichkeiten aus. Als nun der damalige Pastor Thomas Nörenberg den Streit zu schlichten suchte, wurde er von den sinnlos betrunkenen Bauern niedergestochen, daß er tot liegen blieb. Die Mörder mußten zur Strafe für ihre Untat einen kirchlichen Bau ausführen und zur Sühne für den Ermordeten den Stein aufrichten lassen“ (vgl. Heyden 1957b, 177, Anm. 4).

Die genauen Hintergründe dieses Totschlages sind dennoch nicht bekannt. Man erinnert sich aber an den 100 Jahre älteren „Pfaffentumult zu Stralsund“: 1407 wurden in Stralsund drei katholische Pfarrer auf dem Neuen Markt – heute ist hier ein kleiner Gedenkstein im Pflaster eingelassen – lebendig verbrannt. Hintergrund war damals die unsichere finanzielle Situation der Geistlichkeit und ihre eigenartigen Methoden der „Geldgewinnung“ zum Lebenserhalt. Der Mord von Gustow erfolgte jedoch 100 Jahre später und geschah am Vorabend der Reformation des Jahres 1535, die in Stralsund 1523 einsetzte. So können sich in Gustow „ideologische“ Streitigkeiten, aber auch ein Zerwürfnis um den Kirchenzehnt u. ä. Abgaben zwischen dem katholischen Pfarrer und der Dorfbevölkerung dahinter verbergen.

Letztendlich ist aber dieser Gedenkstein – eine so genannte „Mordwange“ – ein deutlicher Beleg für die damaligen „rauhen Sitten“ auf Rügen. Der rügensche Historiker Professor Dr. Alfred Haas (1860-1950) hat für den Zeitraum zwischen 1312 und 1417 allein 28 urkundlich nachgewiesene Mordtaten auf Rügen zusammengestellt.

So ist es auch verständlich, wenn der pommersche Chronist Thomas Kantzow (1898, 254) in der Mitte des 16. Jahrhunderts schrieb: „Es seint die Einwohner diesses Landes sehr ein mordisch und zenckisch Folck, das es eben an inen schyr wahr ist, wie das lateinische Sprichwort lawtet: „omnes insularis mali“. Dan im gantzen Land zu Pomern werden kein Jar so viel vom Adel und andere erslagen, als allein in diesser kleinen Insel“.

Er fährt fort: „Und aus sollcher Vermessenheit will einer dem andern nirgentz inne nachgeben, und khumpt daraus so viel Haders, Zancks und Morts (das es zu viel ist). Sonderlich geraten sie in den Krogen und Wirtzheusern leichtlich an ein ander, und wan einer sagt „das walt Got und ein kalt isen“, so mag man ime wol auff die Fawst sehen und nicht auf das Maul, dan er ist bald beyime“ .

Über das unmäßige Trinken in Pommern berichtete Kantzow aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (Kantzow 1898, 184). Danach gab es das „Bullentrinken“ – „und je mehr einer das hat pflegen können, je besser er bei den Leuten ist angesehen gewesen“. Dazu musste man drei Gläser unbekannter Größe und ein „Stenglein“ als viertes Glas austrinken. Die „Parlencke trinken“, d. h. ist eine große Schale austrinken, auf alle vieren reiten und trinken war „einen zu Wasser reiten“.

Natürlich hat Kantzow,  übrigens ein gebürtiger Stralsunder,  allein auf Rügen eine überzogene Behauptung abgegeben. Es war im damaligen Pommern allgemein eine „rauhe Zeit“. So haben sich aus der unmittelbaren Ostseeküste zwischen Grevesmühlen und Stralsund fünf weitere derartige steinerne „Mordwangen“ erhalten. Häufig wurden diese Gedenktafeln aber aus Holz angefertigt und sind damit vergangen.

Auf Rügen  in Schaprode befindet sich der zweite noch erhaltene derartige unter Denkmalschutz stehende  Gedenkstein, der  an den  Mord an dem Adligen Reinwart von Platen und seinen Söhnen (v. Platen 1938, 50 ff.) erinnert. Der Heimatforscher Carl Gustav von Platen – ein Nachkömmling dieser  rügenschen Adelsfamilie – hat die Mordtat in das Jahr 1368 gestellt und sah darin ein Zeugnis der Besitzstreitereien um Hiddensee. Die Inschrift lautet:

„Alle de hyr hinne gahn,
Ick bidde se, eyn kleine stahn,
un bidden God, in korter Tid
de Seele make pine quyt”
Reynwart Plate 1368

 1930 hatte es der Nachkomme Carl Gustav von Platen dichterisch umschrieben:

„Am Wegrand vor Schaprode, da steht ein grauer Stein,
drinnen meißelt’ man vor Zeiten der Platen Wappen ein.
Der Stein starrt stumm und schweigend, sechshundert Jahre lang,
um ihn webt graue Kunde der Sage dicht Gerank“.

Die Umstände des Gustower Mordes von 1510 – ein Politikum?

Die wahren Gründe, die eigentlichen Ursachen und wohl auch die Teilnehmer dieses Streites sind unbekannt. Das Jahr 1510 lag aber in einer sehr unruhigen Zeit. In dieser Zeit spitzten sich z. B. die Auseinandersetzungen der wendischen Hansestädte – also auch Stralsund – mit dem dänischen Königtum zu und gipfelten 1510 in einem Kriegsbündnis der Städte mit Schweden gegen Dänemark.

Darüber berichtete der Kirchenhistoriker Wackenroder (1730, 67) für das Jahr 1504: „Nun Hertzog Bogislaus von Hertzog Georg aus Meissen einen neuen Geheimen Rath D. Kitscher mitgebracht: Der rieth alsobald dem Hertzog, Gewalt und Feindseligkeit wider die Stralsunder zu gebrauchen, zu dem Ende viele Bürger in Eisen geschlagen, und die Zufuhr der Stadt gesperret ward. Hierdurch wurde Herr Omnis rege und hatte Bürgermeister Zabel Oseborn gnug zu thun, den Pöbel abzuhalten, daß sie den Hertzog zu Barth nicht überfielen: Allein sie drungen Hauffenweiß ins Land Rügen, brachten unterschiedliche von Adel auf ihre Seite, und verübten Gewaltthätigkeiten auf dem Fürstl. Höfen und Dörfern, da sie alles raubeten, was ihnen vorkam“.

Darauf folgte 1510 ein Vertrag zwischen Bogislaw mit Stralsund in Rostock, der „Rostocker Rezess“, der aber bereits 1511 nicht eingehalten wurde (Wackenroder 1730, 68). 1511 fiel der dänische König mit Truppen auf Rügen bei Schaprode ein, die  „die Stralsundischen Güter bis auf den Grund verwüsteten“ (Wackenroder 1730, 68).  Auf Seiten der Stadt Stralsund war Gödeke von der Osten zu Streue. Außerdem hieß es: „In Rügen wurden auch einige Irrungen gehoben, indem zuweilen die Stralsunder in der Verschuldeten von Adel Güter gefallen, und sich nach Belieben bezahlt gemacht; Welche Gewaltthätigkeit abzustellen, gute Gegenverfassung geschehen und bey dem Landvoigt die erste instance zu thun, und verhörter Sachen vorzunehmen beschlossen worden (Wackenroder 1730, 69).

In dieser  politischen und militärischen Gemengelage erfolgte der Gustower Pastoren-Mord.

Vielleicht spielten auch kirchliche „Betrügereien“ eine Rolle: im Jahre 1511 hatte in Stralsund ein altes Weib – Mutter eines jungen Mönches – das Blut eines geschlachteten Hahnes in ein Kruzifix von St. Marien geschüttet. Dieses ging so künstlich zu, daß es schien, das Bild wollte Blut weinen“ (Wackenroder 1730, 69).

Weitere Morde des 16. Jahrhunderts auf Rügen

Wenige Jahrzehnte später – im Jahre 1554 – wurde in Gingst der aus Bergen stammende Priester Laurentius Krintze, also  ein weiterer Kirchenmann auf Rügen, erschlagen (Heyden 1956, 52). Krintze war seit 1537 in Gingst der erste evangelische Pfarrer gewesen.

Hier war aber der Mörder der Adlige Sambur Preetz aus Silenz und die Tatwaffe eine zinnerne Kanne. Der Mörder wurde landflüchtig, und der Flecken Gingst verlor die Freiheit, Jahrmärkte abzuhalten. Später wurde hier ein „steinernes Kreuz, ein sogenanntes Mordkreuz, errichtet“ (Wiedemann 1934, 75). Vor 1727 wurde das Steinkreuz durch einen Pferdewagen umgeworfen, zerbrach und ist inzwischen verschollen. Ein vor der Kirche liegender Stein erinnert nur an die Mordtat und die Mordstelle.

Carl Gustav von Platen berichtete über Thomas II. von Platen, der 1317 auf Stralsunder Gebiet erschlagen wurde und dessen Mörder nach Dänemark flüchteten (v. Platen 1938, 51).

Mordkreuze, Mordwangen und Sühnesteine in Pommern

Bereits 1897 beabsichtigte die „Kommission zur Erhaltung und Erforschung der Denkmäler in der Provinz Pommern“, als Einzeldenkmäler „die Denksteine und Kreuze von Schaprode, Gustow auf Rügen, Berthke, Kreis Franzburg, Reinberg, Kreis Grimmen, Sassen, Kreis Greifswald, Kruckow, Kreis Demmin, Grüttow, Kreis Anklam, Pasewalk, Kreis Ueckermünde, Sommersdorf, Kreis Randow, Kremzow, Kreis Pyritz, Stargard, Kreis Saatzig, Wischow bei Treptow a. Rega, Kammin in Pommern und Rützow, Kreis Kolberg-Körlin“ „unter obrigkeitlichen Schutz zu stellen“ (Baltische Studien N. F. 1, 1897, 315).

1912 hatte sich der Stettiner Kunsthistoriker Dr. Lemcke „über Mordkreuze und Mordwangen in Pommern“ geäußert (Lemcke 1912, 174 f.).

Lemcke wies auf die Strafjustiz des Mittelalters hin, die oft geringe Vergehen mit dem Tode bestrafte. Mord und Totschlag konnten aber auch durch ein Wergeld – um nicht die altherkömmliche Blutrache fortzusetzen – gesühnt werden. Man zahlte dann den Verwandten des Toten eine Entschädigung. Dazu traten unter Einfluss der Kirche noch Aufwendungen für das Seelenheil des Erschlagenen. Das waren zunächst eigentliche Seelenmessen wie aber „auch die Aufrichtung eines steinernen Kreuzes an der Mordstätte, das die Vorübergehenden zu Fürbitten auffordern sollte“ (Lemcke 1912, 174).

Abb. 6. Verbreitung der Mordwangen und ähnlicher Grabsteine (nach Ende 1973, Abb. 9)

 

Nach Lemcke wurden diese Denkmale stets aus schwedischem Kalkstein gefertigt und haben teils die Form eines Kreuzes und teils einer Wange. Die einem Brett ähnelnden Steinwangen wurden auch „Docken“, d. h. Puppen, genannt. Sie haben meist am oberen Ende eine Einschnürung, durch die ein kreisförmiger Kopf abgesetzt wurde. In den pommerschen Urkunden wurden seit 1290 derartige Sühnesteine erwähnt – es haben sich aus dieser Zeit aber keine erhalten.  In Pommern sind die ältesten ohne Merkzeichen oder Inschriften. Man brachte später das Wappen an, wenn der Erschlagene von Adel war, sonst wurde die Hausmarke eingearbeitet. Lemcke erwähnte das Stargarder Kreuz mit Nennung des Mörders sowie den in der Kirche von Nossendorf bei Grimmen aufbewahrten Sühnestein des Plebanus Gerhard, der in der Kirche getötet wurde. Die meisten Steine hatten schon vor 100 Jahren stark gelitten, so dass Lemcke zum Denkmalschutz aufrief: „Es ist dringend zu wünschen, daß diese Denkmäler unter öffentlichen Schutz gestellt und vor jeder weiteren Schädigung gesichert werden“ (Lemcke 1912, 175). Dabei bezog er auch den Sühnestein von Gustow mit ein.

Eine weitere Mordwange befindet sich bei Berthke unweit von Franzburg (v. Haselberg 1881, 17 f.). Die Platte ist 2,23 m über dem Acker hoch, 0,60 m breit und 0,2 m dick. Sie schließt oben mit einem Dreiviertel-Kreis ab: „auf der nördlichen Seite ist durch eingeritzte Linien die Gestalt eines betenden Geistlichen dargestellt; oben links neben der Brust ein Spruchband, unter den Füssen eine jetzt nicht mehr lesbare Inschrift; erkennbar ist noch eine Tasche rechts neben der Gestalt und ein Flachbogen mit Ornament oberhalb des Kopfes. Auf der südlichen Seite des Steines findet sich eine ähnliche Gestalt. Die Inschrift … lautet: „anno d(omi)ni m ccc xiii feria secunda p(ost) trinitatis interfectus innocens frater dominus reimarus ora p(ro) eo ach leve here bidde … dinen leven bolecken kinde“ (v. Haselberg 1881, 17 f.). v. Haselberg ist der Meinung, dass die Datierung nicht stimme, da die Minuskelschrift auf spätere Zeit deutet.

Ein „Mordstein“ befindet sich bei Sommersdorf – unweit Kasekow im Randowgebiet (Lemcke 1901, 133 f.). Es ist eine 1,9 m hohe und 0,67 m breite „Wange aus Schwedenstein,  gothländischem Kalkstein“. Im oberen Drittel bilden vier viertelkreisförmige Durchbrechungen ein griechisches Kreuz. Dazu die Umrisse des Kruzifix und das Wappen der Familie Ramin. In gotischen Minuskeln die Inschrift darunter: „Im Jahre 1423 wurde Hinrik von Ramin von den Bauern in Wartin erschlagen“ (lat.).

Auf dem Kirchhof von Reinberg südlich Stralsunds befindet sich eine Kalksteinplatte von 2 m Höhe und 0,59 m Breite mit einer knienden Gestalt, die ihre Hände faltet sowie der Darstellung des Christus am Kreuz, dazu gehören die Worte „domine misere mei“ (von Haselberg 1881, 238). Der Sage nach sollte der Stein zur Erinnerung an die Hinrichtung des fürstlichen Rates und Landvogts Raven von Barnekow, der 1452 in Stralsund zum Tode verurteilt wurde, stehen. Diese Tat soll nach nicht verbürgter Überlieferung ein „Heyno van der Beken“ getan haben (von Haselberg 1881, 238). Haselberg erwähnt ferner die Aufstellung einer steinernen Mordwange durch den Matthias Lippe, der in Greifswald einen Hermann Goise tötete (Zeitschrift „Sundine“ 1833, 95; Haselberg 1881, 238).

Sinn und Zweck der Steinkreuze und Mordwangen in Mecklenburg-Vorpommern

Der Kunsthistoriker Horst Ende hatte 1973 diese mecklenburgisch-vorpommerschen Denk- und Sühnesteine zusammenfassend untersucht (Ende 1973, 56 ff.). Danach entstanden sie zwischen der Mitte des 14. und dem frühen 16. Jahrhundert – Gustow ist darin das jüngste Steindenkmal. Sie sollten die in dieser Zeit noch häufige Blutrache eindämmen. Mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts setzte die „Halsgerichtsordnung“ mit entsprechenden amtlichen Strafen ein. In der Darstellung des aus Kalkstein gefertigten Steinkreuzes mit dem Verstorbenen, einer Gebetsformel (Misere mei deus), der Darstellung des Kruzifixes ist eine große Einheitlichkeit festzustellen. Die Inschriften verwenden die gotische Minuskel und bedienen sich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts der lateinischen Sprache, später auch des Niederdeutschen, wie auch in Gustow. Man sollte für das Seelenheil des Toten beten, da dieser keine Möglichkeit besaß, sich auf seinen Tod vorzubereiten.

Nach Horst Ende (1973, 57 f.) ist es unklar, wer die Veranlassung zur Aufstellung des Steines gab. So ist es durchaus fraglich, ob die Steine wirklich „Sühnesteine“ sind. Allerdings ist nicht nur für Gustow, sondern auch für derartige Steine in weiteren Orten sicher, dass die Steine für eine Person gesetzt wurde, die eines gewaltsamen Todes starb. Die heute erhaltenen Steindenkmale sind sicher der kärgliche Rest einer ursprünglichen Fülle von Sühnsteinen. Dazu kommt noch die Form des Steinkreuzes, die im Kreis Demmin und in der Uckermark zu finden ist (Hinrichs 1969, 15 ff.). Derartige Sühnekreuze sind zwischen 1 und 2 m hoch und stammen aus Ellingen (Kalkstein), Kruckow und Prenzlau. Die Risse des Kreuzsteines aus Ellingen wurden 1969 durch einen Polyester-Harzverguß geschützt (Rosteck 1969, 14 f.).

Etwas zur Mordwaffe

Die Mordwaffe in Gustow – so die Darstellung auf der Kalksteinplatte – wird also ein zweischneidiges Schwert gewesen sein. Das Schwert war in jenen Jahrhunderten – durchaus mit dem Dolch – allerdings nur Bestandteil der Adelsrüstung und nicht die der Bauernschaft: „Der Nierendolch ist im Mittelalter und der frühen Neuzeit die wichtigste Wehr, besonders bei den niedrigen Ständen. Beim Adel und bei den Patriziern ist er wohl hauptsächlich eine Zweitwaffe, wobei das Schwert selbstverständlich nicht zur alltäglichen Ausrüstung gehört“ (Schoknecht 1992, 202).

Das Waffentragen innerhalb der Städte war nicht gestattet (Schoknecht 1980, 214). Die Mordwange von Steinhagen zeigt jedoch ein Mönchsbild, mit einem Dolch in der Brust (Heyden 1957 I, 175).

Abb. 7. Stralsund. Verzierte Nierendolche aus den Grabungen im Stadtgebiet Stralsunds

 

Dazu hatte bereits der Historiker H. A. Knorr (1971, 131) für das 14. Jahrhundert ausgeführt: „Der repräsentierende Standesherr als Richter, Lehnsherr, die Ritter in Rüstung führen im Sachsenspiegel keine Dolche, sondern das Schwert als Symbol der herrschenden Klasse. Aber Vasallen, Knappen, Kriegsknechte, bewaffnete Diener, Schergen, Zollwächter werden mit dem Dolch dargestellt, also ein Personenkreis im Herrendienst. Dazu kommen einige Male Bürger und Bauern mit dem gleichen Dolch an der Tracht vor. Der Bereich des Dolchträgers umfasst also weitgehend nicht feudale Schichten“.

Sollte in Gustow die Mordtat durch Bauern vollführt worden sein, dann kämen nur Dolche in Betracht, oder die gesamte Geschichte mit betrunkenen Bauern als Täter wäre falsch überliefert.

Diese Mittelalterdolche, die nach der Griffgestaltung als „Nierendolche“ bezeichnet werden, wurden inzwischen durch den Prähistoriker Ulrich Schoknecht eingehend dargestellt und hauptsächlich dem 13. bis 15. Jahrhundert zugewiesen (Schoknecht 1980, 209 ff.; 1983, 223 ff.; 1992, 197 ff.). Wie sah ein derartiger Dolch aus? Auf der Dobbertiner Grabplatte des Heinrich Gloewe erkennt man den langen zweischneidigen Dolch mit der typischen Nierenform des hölzernen Griffabschlusses (Schoknecht 1992, 200, Abb. 3a). Ein Beispiel aus dem mecklenburgischen Wolfshagen bei Strasburg – ähnliche stammen aus den Altstadtgrabungen in Stralsund – zeigt uns, dass der Dolch in der Regel einschneidig war und zu den großen Messern („Stekemesser“ – Stichmesser; lat. cultellus fixoralis bzw. acutus) gehörte (Schoknecht 1992, 198, Abb. 1d).

Literatur:

Ende, H. 1973: Denk- und Sühnesteine in Mecklenburg. In: Informationen des Bezirksfachausschusses für Ur- und Frühgeschichte Schwerin 13, 56-67.

Haas, A. 1938: Oestlich der Halbinsel Drigge (2. Teil). Die Dorfgemeinde Gustow im Wandel der Geschichte. In: Sippe und Heimat Nr. 22.

Haselberg 1897: Baudenkmäler des Regierungsbezirkes Stralsund. Band 4: Kreis Rügen.

Heyden, H. 1956: Die Evangelischen Geistlichen des ehemaligen Regierungsbezirkes Stralsund. – Insel Rügen. Greifswald.

Heyden, H. 1957: Kirchengeschichte Pommerns. I. Band. Von den Anfängen des Christentums bis zur Reformationszeit. Köln-Braunsfeld.

Hinrichs, A. 1969: Die Flurkreuze des Kreises Prenzlau. In: Mitteilungen des Bezirksfachausschusses für Ur- und Frühgeschichte Neubrandenburg 16, 15-19.

Kantzow, Thomas (Nachdruck 1898): Chronik vom Pommern in hochdeutscher Mundart. Hrsg. von Georg Gaebel. Stettin.

Knorr, H. A. 1971: Messer und Dolch. Eine Untersuchung zur mittelalterlichen Waffenkunde in gesellschaftskritischer Sicht. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte 6, 121 – 145.

Lemcke, H. 1912: Mordkreuze und Mordwangen in Pommern. Monatsblätter der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde 11, 174-175.

Neuber, D. 1981: Zu einigen Problemen des Steinkreuzsetzens. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 22, 225-227.

Ohle, W. und Baier, G. 1963: Die Kunstdenkmale des Kreises Rügen. Schwerin.

Rosteck, H. 1969, 14 f.:  Pflegearbeiten am Steinkreuz in Kruckow, Krs. Demmin. In: Mitteilungen des Bezirksfachausschusses für Ur- und Frühgeschichte Neubrandenburg 16, 14-15.

Saal, W. 1971: Das Steinkreuz von Axien, Kr. Jessen. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 6, 147-149.

Schoknecht, U. 1980: Mecklenburgische Nierendolche und andere mittelalterliche Funde. In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 1979 (1980), 209-231.

Schoknecht, U. 1983: Nierendolche in Mecklenburg (Teil II). In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 1982 (1983), 223-246.

Schoknecht, U. 1992: Nierendolche in Mecklenburg-Vorpommern (Teil III). In: Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern 1991 (1992), 197-210.

Wackenroder, E. H. 1730: Altes und Neues Rügen. Stralsund. Das ist: Kurtzgefaßte und umständliche Nachricht, von demjenigen, was sowol in Civilibus, als vornemlich in Ecclesiasticis mit dem Fürstenthum Rügen, von Anfang an, biß auf gegenwärtige Zeit sich zugetragen; nebst Richtigem Verzeichniß der IV. Praeposituren/mit denen einverleibten Pastoraten dieser Insel/auch umständl. Lebens-Beschreibung der Personen so Zeit der Reformation B. Lutheri im Lehr-Amt daselbst gestanden. Jetzo mit eiem Supplement von 2. Capitteln/von dem Pastorat zu Trent vermehret. Verlag Jacob Löffler.

Wiedemann, E. 1934: Kirchengeschichte der Insel Rügen. Stettin.

 

Handwerk und Kaufmannschaft in Bergen

(OZ v. 9.1.1980)

Die Geschichte eines Ortes wird maßgeblich durch das Handeln seiner Einwohner bestimmt. Einen besonderen Anteil daran hatte der sogenannte mittlere Stand, das Handwerk und die Kaufmannschaft. Leider fehlen für Rügen zusammenhängende Untersuchungen.

Obwohl die Entwicklung Bergens als rügensches Wirtschafts- und Handelszentrum bereits am Ende des 12. Jahrhunderts einsetzte, blieb der Ort stets im Schatten der mächtigen Hansestädte Stralsund und Greifswald. Eine hemmende Rolle spielte auch das Bergener Nonnenkloster, dem die Einwohner u. a. zu Steuern und Abgaben verpflichtet waren und das die Gerichtsbarkeit besaß. Erst Jahrhunderte später, – im Jahre 1613 – konnten sich die Bürger davon befreien und das Stadtrecht erwerben. Ein eigentliches Patriziat mit Bürgerhäusern hat sich in Bergen nie herausgebildet. Es waren zumeist Ackerbürger, die neben dem Handwerk noch Acker und Vieh besaßen. Weiterlesen

Lobbe – ein kleiner Ort auf Mönchgut mit 700jähriger Geschichte

von Prof. Dr. Achim Leube, Berlin, Juli 2013

Das kleine einstige Fischerdorf Lobbe ist erst in den letzten 50 Jahren als Bade- und Erholungsort bekannt und bedeutend geworden. Eine traditionelle Gastwirtschaft und „Fremdenbeherbergung“, wie es früher hieß, zeichnet den hier gelegenen „Gasthof zum Walfisch“ aus. Er liegt direkt an der Dorfstraße und unweit des breiten Badestrandes, von dem man einen herrlichen Blick über die Ostsee zu der 15 km entfernten Greifswalder Oie mit ihrem Leuchtturm und auch nach Peenemünde hat mit dem markanten ehemaligen Heizwerk, das heute als Museum genutzt wird. Weiterlesen

Das Geheimnis des Hertha-Sees

Aus Sagenwelt und echter Forscherarbeit auf unserer Insel Rügen

(Insel-Rundschau v. 12.12.1963) Das beliebteste Ausflugsziel Rügens stellt zweifellos die Landschaft um Stubbenkammer mit dem Hertha-See und dem Hertha-Wall dar. Der nur wenige Minuten westlich der Stubbenkammer gelegene See und Wall soll das Ziel eines gedanklichen Ausfluges sein.

Inmitten des hochragenden dichten Buchenwaldes der Stubnitz gelegen, übt der Hertha-See auf den Besucher einen eigenartig geheimnisvollen Reiz aus. Die tiefen Zweige der Buchen und sein schlammiger Untergrund verdunkeln seine Oberfläche so stark, dass er auch die Bezeichnung “Schwarzer See“ trägt und als grundlos gilt. Seine maximale Tiefe beträgt aber elf Meter. Weiterlesen

Sagenumwobenes Ralswiek – Ein historischer Streifzuge durch die Jahrhunderte

(16.6.1976) Zu den historisch bedeutsamsten Orten Rügens gehört der kleine Ort Ralswiek, unweit Bergen gelegen, inmitten einer reizvollen Landschaft. Bereits im 18. Jahrhundert schwärmte ein romantisch veranlagter Reisender „ … und zwischen düsterbraunen Bergen ging das anmutige Ralswyk auf, wie ein goldener Morgentraum vor die schwärmende Seele tritt“.

Es war aber weniger die Schönheit der Natur, als vielmehr die geschützte, günstige Verkehrslage mit einem Hafen, der bereits die slawischen Bewohner Rügens seit dem 9. Jahrhundert veranlasste, einen Handelsplatz anzulegen. Bedeutende wissenschaftliche Ausgrabungen erbrachten nahezu sensationelle Ergebnisse, über die die „Ostseezeitung“ verschiedentlich berichtete.

Bild 13. Reste eines wikingerzeitlichen  Bootes. Aufnahme 1970

Reste eines wikingerzeitlichen Bootes aus dem 10. Jahrhundert. Ausgrabung: Dipl.-Prähist. P. Herfert, Bergen, 1970

Diese Tradition setzten auch die Dänen fort. Nach ihrer Eroberung Rügens im Jahre 1168 wurde Ralswiek das Zentrum der dänischen Verwaltung. Hier ließ sich der bischöfliche Vertreter, auch als Landprobst bezeichnet, nieder, da Rügen zum Bistum Roeskilde (30 km westlich Kopenhagens gelegener Bischofssitz) kam. Die Kirche erhob von allen Ortschaften eine Naturalsteuer, den sogenannten Bischofsroggen. Um 1500 wurden die bischöflichen Güter, dazu gehörten u. a. Gnies, Bischofsdorf, Kontop und Putgarten, und die Roggenabgabe an das Geschlecht derer von Barnekow verpachtet und später zu erblichen Lehen gegeben.

Bild-14.-Ralswiek.-Altes-Propsteigebäude.-Aufnahme-2010

Ralswiek. Altes Propsteigebäude, 2010

 

Erst die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 leitete die Beseitigung dieser Feudallast ein. Jedoch mussten sich die Bauern durch eine Geldrente loskaufen. Da sie nicht über genügend Geld verfügten, zog sich dieser Prozess bis 1894 hin. Ein Zeuge aus dieser Zeit feudalistischer Herrschaft ist noch das renovierte Wohnhaus des ehemaligen Probsteihofes als Magazin der Roggenabgabe. Rundbögen gliedern die Fassade, in die einige Fester neu eingebrochen sind. Das Gebäude gehörte dem Jahrhundert an und es dient heute als Oberschule.

In unmittelbarer Nähe schließt sich ein Gutspark an, der einen bemerkenswerten Baumbestand (Kaukasusfichte, Säulentaxus, Scheinzypresse usw.) aufweist und weite Blicke über den Jasmunder Bodden gestattet. Hier fanden zwischen 1959 und 1961 auf einer Freilichtbühne, so wie auch heute wieder, die „Rügenfestspiele“ statt. Tausende Besucher nehmen dabei Anteil an Leben und Kampf des Klaus Störtebecker.

Das im englischen Stil zwischen 1893 und 1894 errichtete Schloss des Grafen Douglas, der zwischen 1891 und 1893 die Besitzung Ralswiek erwarb, dient heute als Feierabendheim.

Die hügelige Landschaft zwischen Ralswiek und der Fernstraße nach Sassnitz mit ihren tiefen Erosionsrinnen war noch um 1800 mit „schwarzem dichten Heidekraut gepolstert“ und erst in jüngerer Zeit aufgeforstet. Zahlreiche Hügelgräber aus der slawischen Epoche geben ein charakteristisches Gepräge und den Namen „Schwarze Berge“.

So ist dieser Landstrich außerordentlich Sagen umrankt. Da gibt es den Nachtjäger, der als Drache mit feurigem Schweif auftritt, und die Überlieferung, dass hier früher Gericht gehalten wurde.

Am bekanntesten aber sind einige Zwergen-Sagen. Hier lebten die weißen Zwerge. Sie waren Christen und bildeten den „Königsstamm unter den Zwergen Rügens. Als König wählten sie ein Menschenkind. Ein Schäfer aus Patzig raubte ihnen bei einer Hochzeit einen Goldbecher.

Abseits davon, bei Jarnitz und Gnies, liegen drei große Hügelgräber, von denen einige durch den Gutsherren geöffnet und später als Fixpunkte der Gedenkfeuer beim Sedanstag gedient haben. Das Grab bei Gnies trägt nach der Sage von der untergegangenen Ortschaft Liecham (d. h. Leichnam) seinen Namen.

 

Die Stubnitz

(1978) Der Mai gehört zu den traditionellen Ausflugsmonaten. Mit ihm beginnt nun schon seit Jahrzehnten ein reger Urlauber- und Touristenverkehr nach Rügen einzusetzen. Zu den beliebtesten und ältesten Ausflugszielen gehört die Stubnitz mit Stubbenkammer im heutigen Naturschutzgebiet.

Der Name Stubnitz, verwandt dazu „Stubbenkammer“, ist noch nicht befriedigend geklärt. Am leichtesten macht es sich der Volksmund. Danach hatte der Seeräuber Störtebecker seine „Stube und Kammer“ hier. Der Altmeister der rügenschen Volkskunde, Professor Alfred Haas aus Bergen, entschied sich für einen slawischen Ursprung des Wortes und deutete Stubbenkammer als „Stufen zum Meer“ und Stubnitz entsprechend als „Stufenland“ nach seinen zahlreichen Erhebungen und Tälern. Jedoch spricht vieles dafür, dass der Name eines Gewässers übertragen wurde. So gibt es verschiedene Seen und Flüsschen mit dem Namen „Stepenitz“ im slawischen Siedlungsraum.

Bild-10.-Stubnitz-Wissower-Klinken.-1993.-Heute-abgestürzt

Stubnitz. Wissower Klinken im Jahre 1993. Heute bereits abgestürzt

 

Die einzigartige Kreideküstenlandschaft zwischen Sassnitz und dem „Königsstuhl“ trägt allein 20 Flurnamen, die zum Teil zur Orientierung der Schiffer und der Fischer gegeben wurden. Einige dieser Namen dürften 500 bis 700 Jahre alt sein, da sie noch aus der Slawenzeit stammen. Dazu gehört der Uskahn (Gottesstein), das Gakower Ufer (Entenufer) und das Wissower Ufer (Hohes Ufer). Jüngste Prägungen sind z. B. das Fahrnitzer Loch (um 1790 entstanden) oder die Tipper Wacht (französische Uferwache zur Zeit Napoleons).

Die touristische Erschließung Stubbenkammers und der Jasmunder Kreideküste führt uns bis in das 18. Jahrhundert zurück. Damals wurden von Sagard erste Fahrwege angelegt und bald entstand ein Gast- und Rasthaus, das mehrfach abbrannte und schließlich im Stil eines Schweizerhauses nach 1891 unter dem seinerzeit bekannten Gastwirt Berendt bei Stubbenkammer erbaut wurde.

Die älteste urkundliche Erwähnung führt uns allerdings bis in das Jahr 1584 zurück. Die pommerschen Fürsten ließen hier ergebnislos nach Salzquellen und Mineralien suchen. In der Volkssage nimmt die Stubnitz einen besonderen Platz ein. Der „Schwarze See“ oder der „Borg-See“ wurde z. B. irrigerweise mit einem Kult der Göttin „Hertha“ verbunden. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts verwarf der Neubrandenburger Naturforscher E. Boll diese Sagen, denn sie dienen nur „zum Nutz und Frommen der Touristen, denen auf ihren Ausflügen des Pikanten nie zu viel dargeboten werden kann“. Ende des 19. Jahrhunderts wurden von Lohme und Sassnitz regelrechte „Opferzüge“ der Badegäste in historisch falscher Maskerade zum Hertha-See organisiert. Leider hat sich der Sagenkomplex um den „Hertha-See“ in ungebührlicher Breite bis heute erhalten.

Bild 11. Uferweg unterhalb des Hengstes 2010

Uferweg unterhalb des „Hengstes“ unmittelbar nördlich der Sassnitzer Promenade, 2011

Die Stubnitz wird sehr oft mit den Seeräubern Klaus Störtebecker und Gödeke Michel verbunden. Sie sollen nach der Volkssage ihre Schlupfwinkel hier gehabt, und ihre Schätze in einer Höhle bei Stubbenkammer, an der Golcha-Quelle, der Hertha-Burg und dem „Schlossberg“ bei Werder versteckt haben.

Bild 12. Herthasee. Vom Burgwallinneren gesehen. 2009

Hertha-See. Der See ist etwa 11 m tief, 2009  

Störtebecker selbst soll aus Ruschvitz stammen und auch in der Stubnitz hingerichtet und vergraben worden sein.

Diese reiche Sagenwelt könnte auf dem Charakter der Stubnitz als letzter Zufluchtsort vieler Menschen in den Drangsalen mittelalterlicher Fehden und Kriege begründet sein. Der polnische Schriftsteller Kaminski hielt derartige Szenen für das 16. Jahrhundert sogar literarisch fest. Historisch gesicherte Belege fehlen jedoch noch.

 

Zwei Münzfunde, die Aufsehen erregten

(OZ v. 31.12.1977/1.1.1978) Die Entdeckung eines Münzfundes von 103 Silber- und Kupferprägungen am 9. März 1978 in der Bergener Vieschstraße gaben viele Zeitungen bekannt. Nach dem 1973 in Ralswiek ausgegrabenen Münzfund ist es nun bereits der zweite größere Münzschatz, der in kürzerer Zeit auf Rügen gefunden wurde.

Der Ralswieker Münzfund wog etwa drei Kilogramm und bestand aus arabischen Münzen, die in der Mitte des 9. Jahrhunderts vergraben worden waren. Sein Besitzer lebte an einem bedeutenden slawischen Seehandelsplatz, der sich in jener Zeit über den heutigen Ortskern von Ralswiek erstreckte. Da die Slawen zunächst noch keine Münzen prägten, verwandten sie als Zahlungsmittel bis zum 10. Jahrhundert arabische Münzen. Diese belegen zugleich einen ausgeprägten Fernhandel, bei dem man an einen Sklavenhandel denken könnte. So erhielt man für den Schatz etwa zehn bis zwölf Sklaven. Er besaß aber auch den Wert von zehn guten Pferden, 30 Kühen oder 100 Schweinen.

Daneben hatten die auf Rügen ansässigen Ranen eine Leinentuchwährung als Äquivalent. Noch im 12. Jahrhundert heißt es: „Nun haben die Ranen kein gemünztes Geld … Was man auf dem Markt kaufen will, erhält man gegen Leinentücher“. Bei den Silbermünzen wurde übrigens nach Gewicht gezahlt. So befanden sich im Ralswieker Münzfund auch zerhackte Prägungen.

Erst der Ranenfürst Jaromar I., der von 1168 bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts regierte, ließ eigene Münzen prägen. Sie trugen sein Konterfei und die stolze Inschrift „Rex Rugionorum“ (König der Rügener).

Der Bergener Münzfund dürfte größere Übereinstimmung mit einem ähnlichen aus Altefähr besitzen. Dieser wurde bereits 1935 entdeckt und enthielt nach seiner Bestimmung durch Professor Suhle, Berlin, 119 Schillinge und Taler in einem Gefäß. Es überwogen sogenannte Doppelschillinge (16 Stück entsprechen einem Taler) mit einem Gegenstempel. Dieser Stempel war erforderlich, um die Gültigkeit und die Umlauffähigkeit der Münzen zu bezeugen. Diese Münzen hat man vermutlich 1638 (jüngste Münze war von 1637) vergraben. Schließlich sei noch ein kleiner Talerfund aus dem Jahre 1957 in Garz erwähnt. Er muss nach 1611 / 1612 vergraben worden sein.

Warum wurden nun diese Münzen im 17. Jahrhundert vergraben, oder, wie in Bergen eingemauert?

Blick in die Vieschstraße in Bergen. Ganz links ist das Haus mit dem Schatzfund. 2005

Blick in die Vieschstraße in Bergen. Ganz links ist das Haus mit dem Schatzfund. 2005

Als der Ort Bergen 1613 sein Stadtrecht für 8 000 Mark – die Mark entsprach acht bis neun Talern – vom pommerschen Herzog erwarb, galt er als verhältnismäßig wohlhabend. Jedoch wenige Jahre später hatten Katastrophen und die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) dieser Entwicklung ein schnelles Ende bereitet. Stadtbrände äscherten 1621 und 1631 große Teile der Stadt ein, auch wurde Bergen 1629 und 1639 von der Pest heimgesucht.

Die größten Drangsale in der Geschichte Rügens brachten die Kriegszüge der Habsburger unter Wallenstein und der Schweden nach 1627. Zeitweise standen 10 000 Soldaten mit einem umfangreichen Tross auf Rügen. Plünderungen und Brandschatzungen waren an der Tagesordnung. 1630 wird über fehlendes Saatgut geklagt und berichtet, dass die Bevölkerung von Eicheln, Samen und von in Salzwasser gekochtem Gras lebt. Erst 1646 soll es möglich gewesen sein, in Bergen wieder „wohlfeil zu leben“. In diesen unruhigen Jahren wurden die Münzen verborgen. Vermutlich hat man die Besitzer getötet, oder sie verstarben durch die Pest.  1629 gab es allein 800 Pesttote in Bergen.

Münzfunde sind als wichtige Geschichtsquellen auch ein Teil unseres kulturellen Erbes. Sie gelten bei ihrem Auffinden oder bei ihrer Bergung als Volkseigentum (auch der Einzelfund) und sind den zuständigen Museen zu übergeben. Das sei mit allem Nachdruck betont.

Die Jaromarsburg von Arkona ein welthistorisches Denkmal

Über Wittows Geschichte und Touristik seit über 400 Jahren

(OZ v. 27.2.1992) Das Nordkap Rügens, die beiden Leuchttürme und der slawische Burgwall „Jaromarsburg“ gehören, seit Rügen durch den Tourismus entdeckt wurde, zu den beliebtesten Reisezielen. Der Burgwall ist bereits zu erheblichen Teilen den Sturmfluten zum Opfer gefallen.

Obwohl er als welthistorisch bedeutendes Denkmal eigentlich allen Rüganern bekannt sein sollte, wurden erst kürzlich, unbegreiflicherweise beträchtliche Abtragungen auf den verbliebenen Erdwällen durch örtliche Verwaltungen vorgenommen.

Blick von der Wall-Innenseite nach Norden auf den Erdwall mit zahlreichen modernen Aufbauten 1967

Blick von der Wall-Innenseite nach Norden auf den Erdwall mit zahlreichen modernen Aufbauten 1967

Die nun durchgeführte Planierung des Erdwalles als Spazierweg hat das charakteristische Aussehen der Umwehrung schwer geschädigt. Hoffen wir, dass die weiteren historischen Bauwerke und Monumente Rügens vor ähnlichen Entstellungen bewahrt werden!

 „Das Swantevit-Heiligtum“

Blick vom damaligen Fischerdorf Vitt auf den slawischen Burgwall 1967

Blick vom damaligen Fischerdorf Vitt auf den slawischen Burgwall 1967

Die „Jaromarsburg“ stellte das zentrale Heiligtum der Westslawen im 12. Jahrhundert dar und ist den historisch interessierten Russen, Polen, Tschechen durchaus als Denkwürdigkeit bekannt. Die Slawen verehrten die vierköpfigen bzw. viergesichtigen Gottheit Swantevit, der die Zukunft weissagte und dessen hölzernes Abbild in einem besonderen Tempel stand. Als die Dänen das Götzenbild umstürzten, soll der Sage nach der Böse in Gestalt eines schwarzen Tieres entwichen sein.

Arkona im Jahre 1564

Arkonas Bedeutung als Tempelburg hatte sich durch das ganze Mittelalter als Sage erhalten. So erzählte man sich, dass hier eine große See- und Handelsstadt gestanden habe, die aber durch eine große Flut verschlungen wurde. Zuweilen soll sie aus dem Meer wieder auftauchen, und es sollen an jedem Ostermorgen die Glocken läuten. Der Heimatforscher Prof. Alfred Haas (1860-1950) hat diese Sage in Breege erfahren.

1564 machte sich der Bürgermeister Johann Lübbeke (geboren um 1520) auf die beschwerliche Reise von Treptow an der Rega (heute. Trzebiatów/Polen) nach Arkona. Er war einst Professor in Kopenhagen und weit gereist. Das wären 2014 vor 450 Jahren!

In Dänemark hatte er von der Eroberung Arkonas im Jahre 1168 gelesen und wollte nun „die einstige Hauptstadt Rügens“ kennen lernen. Allerdings war er enttäuscht, denn „was ich am 17. Oktober (1564) von den Trümmern des zerstörten Arkona habe sehen können, ist nur dürftig. Alles Übrige ist so völlig und vom Grunde aus zerstört, dass Äcker daraus geworden sind und solche zwischen Sand, Ziegel- und Kieselsteinen bebaut werden.“

Bereits damals hieß die Burg „Jaromarsburg“. Ihren Namen erhielt sie nach dem ersten geschichtlich überlieferten Fürsten Jaromar I. (gestorben 1218) von Rügen, der sich zum Christentum bekannte und in Bergen Kirche und Kloster erbauen ließ.

 Schutz und Erhalt des Burgwalls
(Die folgenden Textpassagen wurden im Sommer 2013 nachgesetzt, da sie wesentliches zur Geschichte des Burgwalls aussagen)

Bereits in den 1960er Jahren traten erhebliche Küstenverluste am Nordkap auf. Auf einer internationalen Tagung zum Denkmalschutz in Weimar äußerte mit anderen wichtigen osteuropäischen Denkmalpflegern der führende sowjetische Prähistoriker Akademie-Mitglied Prof. Dr. Rybakow (1908-1993) seine Sorge um den Erhalt des westslawischen Heiligtums und sprach sich für eine Verantwortung des deutschen Staates zum Schutz des erhaltenen Burgwalls aus. Man errechnete zwischen 1826 und 1978 einen Küstenverlust in Arkona um 30 m bis 40 m.

Der Verfasser dieses Textes wurde entsprechend beauftragt und gab damals zwei Vorschläge zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes gegen maritime Kräfte. Eine Schutz-Variante war das Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Fußes. Strand hätte aufgeschüttet und eine Molensteinpackung mit Kunststoff-Asphaltunterbau errichtet werden müssen. Derartige Bauten entstanden damals in Kühlungsborn. Eine weitere Variante zum Küstenschutz bildet ein Steinwall als Wellenbrecher.

Allerdings ist der Burgwall Arkona auch durch Oberflächenwasser (Quell- und Sickerwasser), das auch abzufangen wäre, durch die Lage der gleitenden Kreidescholle auf Wasser stauenden Tonbändern bzw. Mergel sowie durch Störungen der das Regenwasser aufnehmenden Flora durch Urlauber gefährdet. Nachdem bereits Anpflanzungen des Wallinneren in den Jahren 1962 und 1963 verhindert werden konnten, wurde nach 1973 ein Küstenschutzwald aufgeforstet. Ein eigentlicher Küstenschutz war zu DDR-Zeiten aus finanziellen Gründen nie erwogen worden, zumal ein Steinwall auch Strömungsversetzungen in die Tromper Wiek auslösen würde. Ob gegenwärtig derartige Gedanken aufgenommen werden?

Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes. Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes. Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Steinwalles als Wellenbrecher, Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Steinwalles als Wellenbrecher, Entwurf A. Leube, 1978

Ausgrabungen 1969-1971

Unter der örtlichen Grabungsleitung des kürzlich verstorbenen Prähistorikers Dr. Hansdieter Berlekamp (1930-2010) fanden zwischen 1969 und 1971 archäologische Ausgrabungen an den gefährdeten Uferhängen des Burgwalles statt, die sich leider nur auf sondierende Suchgräben und kleinere Flächenabdeckungen beschränkten. Damals rekonstruierte man zwei Holz-Erde-Wälle und vermutete, dass der slawische Kultplatz bereits abgestürzt sei.

Arkona auf Rügen. Rekonstruktionsversuch einer zweiteiligen Burg des 9. und 10. Jahrhunderts mit einem Tempel. Entwurf A. Leube 1978

Arkona auf Rügen. Rekonstruktionsversuch einer zweiteiligen Burg des 9. und 10. Jahrhunderts mit einem Tempel. Entwurf A. Leube 1978

Nach 1990 setzten wegen weiterer Küstenabstürze verschiedene archäologische Ausgrabungen an, die auch gegenwärtig noch andauern. Zunächst grub der nicht nur auf Rügen bekannte Dipl.-Prähistoriker Peter Herfert, Bergen, der zu völlig neuen Erkenntnissen gelangte und der Meinung war, dass der slawische Kultplatz noch erhalten geblieben ist. Zahlreiche Studierende der Vor- und Frühgeschichte konnten dabei in „Top-Lage“ ihr berufliches Handwerk erlernen.

Arkona. Grabungssituation des Jahres 1998. Im Vordergrund der Student des Seminars für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität zu Berlin Georg Leube

Arkona. Grabungssituation des Jahres 1998. Im Vordergrund der Student des Seminars für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität zu Berlin Georg Leube

 

Ranenburg Rugard ist schon über 800 Jahre alt

(OZ v. 26.5.1977) Zu den Arbeiten der Akademie der Wissenschaften zu Berlin zur Erforschung der slawischen Geschichte Rügens gehört auch eine Untersuchung der Burg „Rugard“ (d. h. Ranen- oder Rügenburg). Die Slawen erbauten hier auf einem schmalen, nach drei Seiten jäh abfallenden Höhenrücken von über 90 Meter über dem Meeresspiegel, eine geschickte Verteidigungsanlage, von der mächtige Erdwälle bis zu 10 Meter Höhe längs des Weges nach Buschvitz zeugen. Die Burg war zweigeteilt. Die höher gelegene „Hauptburg“ trägt heute den Arndt-Turm und die Gaststätte. Die um eine Drittel kleinere Vorburg – hier befanden sich vor einigen Jahren Tiergehege – wird von schwächeren Erdwällen zangenartig umgeben und besitzt noch zwei alte Zugänge.

Rugard bei Bergen 1972. Alter slawischer Zugang zum Burgwall an der heute asphaltierten Landstraße nach Buschvitz. Hier verlief einst der Wallgraben.

Rugard bei Bergen 1972. Alter slawischer Zugang zum Burgwall an der heute asphaltierten Landstraße nach Buschvitz. Hier verlief einst der Wallgraben.

Die Burg bestand mit Sicherheit noch im 11. und 12. Jahrhundert und scheint später, neben Garz, zeitweiliger Sitz der rügenschen Fürsten gewesen zu sein. Man bezieht sich dabei auf eine Urkunde eines Jaromar II. von Rügen, der diese 1258 mit der Ortsangabe „datum Ruygart“ versah. Wenige Jahrzehnte später nennen Urkunden eine Kapelle auf dem Rugard, die 1291 dem Bergener Kloster geschenkt wurde. Die Kirche auf dem „Rygharde“ soll 1380 abgerissen worden sein.

Inneres des Rugard-Walles 1972. In der DDR-Zeit wurde ein völlig neuer Zugang zur neu errichteten „Rugard-Gaststätte“ errichtet.

Inneres des Rugard-Walles 1972. In der DDR-Zeit wurde ein völlig neuer Zugang zur neu errichteten „Rugard-Gaststätte“ errichtet.

Leider lassen die modernen Bebauungen in der Hauptburg keine größeren Aufschlüsse zur mittelalterlichen Geschichte erwarten, zumal später hier auch eine Mühle stand und die Innenfläche beackert wurde. Allerdings weisen bemerkenswerte Funde, wie ein romanisches Türschloss, arabische Münzen, ein Bildstein unbekannter Form u. a. auf die Bedeutung der Burg hin. Wir dürfen daher in ihr den Verwaltungsmittelpunkt des slawischen Burgbezirkes Gora (deutsch Bergen) sehen, dessen Funktion sich mehr und mehr auf die entstehende Stadt Bergen übertrug.

Zugang zum Burgwall 1970. Einsatz des Baggers beim Modernisierungsbau

Zugang zum Burgwall 1970. Einsatz des Baggers beim Modernisierungsbau

 Dieses historische Bild ist jedoch noch sehr ungenau. Die Erforschung der Umgebung des Rugard nach eventuellen slawischen Siedlungen und das Verhältnis zur Stadt Bergen sind noch zu klären. Lediglich der Stadtteil Gattmund dürfte eine slawische Wurzel besitzen. So sollten Bodenfunde bei Bau- und Erdarbeiten (Scherben, dunkle Verfärbungen u. ä.) sofort dem Kulturhistorischen Museum Stralsund gemeldet werden.

Blick vom Arndt-Turm auf die neue Rugard-Gaststätte 2010

Blick vom Arndt-Turm auf die neue Rugard-Gaststätte 2010

In den folgenden Jahrhunderten besaß der Rugard eine geringe Bedeutung. Er gelangte in den Besitz der Fürsten von Putbus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete die französische Garnison die ersten Bänke und Ausflugspunkte. Bald entstand die „Gastwirtschaft am Rugard“, die als einfache, aber gute Wirtschaft gelobt wurde. Im vorigen Jahrhundert endeten hier sehr oft Umzüge der Bergener. Auf dem Rugard fanden Sportveranstaltungen unter dem Motto „Muth, Kraft, Fleiß, Ausdauer!“ statt. Der Rugard wurde ein beliebtes Ausflugsziel der Einheimischen und der Stralsunder.

Pfingsten 1889 wurden allein an einem Tag 130 Kutschfahrten vom Bahnhof zum Rugard gezählt. Mit dem Bahnbau nach Sassnitz und Putbus verlor die Stadt Bergen als Ausflugsort an Bedeutung.

Innerhalb des Hauptwalles wurde zwischen 1869 und 1877 durch Aufschüttungen und Planierungen der etwa 27 m hohe Ernst-Moritz-Arndt-Turm als Aussichtsturm errichtet 2010

Innerhalb des Hauptwalles wurde zwischen 1869 und 1877 durch Aufschüttungen und Planierungen der etwa 27 m hohe Ernst-Moritz-Arndt-Turm als Aussichtsturm errichtet 2010

Rügener Burgen – Zeugen alter Kulturen

(OZ v. 10.9.1976)

Zu den sichtbaren Zeugen vergangener Zeiten und Kulturen gehören auch die gewaltigen Burgwälle aus der slawischen Periode des 7. bis 12. Jahrhunderts. Es sind hoch aufgeschüttete Erdwälle mit einer rundlichen oder viereckigen Innenfläche, von denen noch zwölf Anlagen auf Rügen erhalten sind und unter strengem Denkmalschutz stehen.

Der eigentliche Wall ist als Holz-Erd-Mauer in der typischen Kastenkonstruktion mit vorgelagerte Gräben, Palisaden und Brüstung errichtet, wie Ausgrabungen in Garz und auf Arkona nachweisen. Diese oft beträchtlich großen Burgen nutzten natürlichen Schutz aus und waren mitunter – wie Arkona, Gobbin, Schaprode, der „Hengst“ bei Saßnitz und Zudar – direkt an der Küste gelegen. Nur wenige befinden sich im sumpfigen Gelände des Landesinneren (Garz, Venz, Karow) oder auf Berghöhen (Rugard, Schlossberg bei Saßnitz, Hertaburg).

Schnitt durch den Burgwall am Herthasee, Kreidezeichnung 1869

Schnitt durch den Burgwall am Herthasee, Kreidezeichnung 1869

Diese Burgen dienten seit dem 10. Jahrhundert in Kriegszeiten den auf Rügen ansässigen slawischen Stämmen der Ranen als Fliehburgen und wurden schließlich politische Zentren kleiner Burgbezirke, wie bei Rambin, Schaprode, Wiek auf Wittow, Kapelle bei Sagard für Jasmund usw. Unter ihrem Schutz hielt man Markt und Gericht. Diese Orte behielten ihre zentrale Bedeutung teilweise als Städte – wie Garz und Bergen – oder als Marktorte und Großgemeinden bis in die Gegenwart.

Burgwall „Jaromarsburg“ bei Kap Arkona 1972, (Aufnahme: Harro Schack, Sagard)

Burgwall „Jaromarsburg“ bei Kap Arkona 1972, (Aufnahme: Harro Schack, Sagard)

Die Tempelburg auf Arkona entstand frühestens im 9. Jahrhundert und gilt als die bekannteste Befestigung Rügens, da hier das im südlichen Ostseegebiet verehrte Heiligtum des Gottes Swantewit stand. Ein beträchtlicher Teil der Anlage, wohl auch der Tempel, versank in den Fluten der anstürmenden Ostsee. Die Burgstätte wird heute zwar von Tausenden Besuchern aufgesucht. Zahlreiche Kletterpfade fügen der Rasenfläche schwere Schäden zu, die in Zukunft verhindert werden sollten.

Der zweite bedeutende Burgwall befindet sich im Stadtgebiet Garz, dem alten Charenza. In slawischer Zeit standen hier die Tempel von drei Göttern. Beide Burgen wurden 1168 durch die Dänen erobert. Allerdings ist diese Deutung in jüngster Zeit umstritten worden. Während Arkona bedeutungslos wurde, entwickelte sich allerdings Garz zum rügenschen Fürstensitz. Hier erhielt Stralsund 1234 Stadtrecht.

Für die Touristen und Urlauber bildet die „Herthaburg“ in der Stubnitz die größten Geheimnisse und Rätsel. Es ist aber weniger bekannt, dass fast alle „Geschichtchen“ und Sagen mit der Göttin Hertha auf die Phantasie eines Wissenschaftlers des 17. Jahrhunderts zurückzuführen sind. Dieser übertrug die Berichte des römischen Historikers Tacitus, der im 1. Jahrhundert lebte, von einer germanischen Göttin Nerthus auf diese Stätte. Jedoch wurde auch diese Burg erst im 10. bis 12. Jahrhundert von den Slawen erbaut. Übrigens ist der in der Nähe gelegene Königstuhl bereits 1584 genannt und verdankt seinen Namen nicht irgendwelchen dänischen oder schwedischen Königen, die hier Seegefechte beobachtet haben sollen, sondern seiner majestätischen und erhabenen Lage und Erhebung. So gibt es auch in ähnlicher Lage auf der dänischen Insel Möen einen Königstuhl (dronning Stole) und in der Pfalz einen „Kaiserstuhl“.

In slawische Zeit gehört auch die alte Landwehr des „Mönchgrabens“ bei Baabe, die nicht von den Mönchen, sondern von den Wenden zur Abwehr aus Süden eindrängender Feinde errichtet wurde. Es ist typisch für die rügensche Geschichte, dass Burgen und Befestigungen des kleinen Landadels aus dem 14. bis 16. Jahrhundert fehlen. Befestigt waren die Schlösser und Höfe bei Putbus und Vilmnitz. Erst mit dem Dreißigjährigen Krieg und den folgenden Kriegen zwischen Dänen, Schweden und Preußen um den Besitz Rügens entstanden Schanzen Redouten u. ä. bei Juliusruh (Park), Binz (Steilufer), Prosnitz (bis 19. jahrhundert als Fort Napoleon) oder Altefähr (Steilufer). Zeugen dieser Kämpfe sind auch Gedenksäulen bei Groß Stresow und Neukamp.