(OZ v. 24./25.12.1977) Erst mit dem Rückzug der eiszeitlichen Gletscher und einer fühlbaren Erwärmung entwickelte sich in unserer Heimat eine natürliche Umwelt, die den Menschen geeignete Lebensbedingungen schuf. So löste sei dem 8. Jahrtausend v. Chr. eine Waldsteppe aus Kiefer, Birke und einem erlen- bzw. haselreichen Eichenmischwald die bisherige tundrenartige arktische Flora ab. Damit zogen Reh, Rothirsch, Wildschwein, Elch und Ur als wichtigste Jagdtiere ein. Geweihe und Schaufeln einiger dieser Tiergattungen wurden in den Mooren von Frankenthal und Vilmnitz gefunden.
Rügen gehörte in dieser Zeit zu einem großen Landmassiv im westlichen Ostseebecken. Unsere Ostsee war damit ein abgeschlossener Süßwassersee (sog. Ancylus-See), dessen Ufer nördlich und östlich von Rügen (etwa im Arkonabecken) verlief. Im 8. Jahrtausend wanderten nun die ersten Menschen über diese Landverbindung – vermutlich aus dem dänisch-südschwedischen Raum – in das rügensche Gebiet ein. Bisher lassen sich ihre Siedlungsspuren nur in Tetel, Augustenhof und am Bergener Nonnensee nachweisen (B. Grams, Das Mesolithikum im Flachland zwischen Elbe und Oder. Berlin, 1973). Das waren dann gewissermaßen die ältesten Orte Rügens.
Seit dem 6. Jahrtausend veränderte sich die natürliche Umwelt in erheblichem Maße. Jetzt erfolgte ein Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter, so dass die Ostsee im 4. Jahrtausend den heutigen Küstenverlauf erreichte. Allerdings bestand Rügen nun aus mehreren Inseln (Wittow, Jasmund, Mönchgut usw.), deren verbindende Haken und Nehrungen (Schaabe, Schmale Heide, Bug) sich erst ausbildeten.
Aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. kennen wir inzwischen eine größere Anzahl von Siedlungsplätzen, deren Bewohner offenbar einer Wald- und Meerestierjagd nachgingen. Ausgrabungen bei Lietzow durch den Potsdamer Museumsdirektor Dr. Gramsch vor einigen Jahren erbrachten den Nachweis von Rothirsch, Wildschwein, Fischotter, Ur, Seehund, Wildpferd, Fuchs, Hund, Schwan und Reh als Jagdtiere. Angelhaken und Knochenspitzen lassen auf eine Angel- und Stechfischerei (besonders auf Hecht) schließen. Unklar bleibt leider der zeitliche Beginn dieser Kultur, da ihre Anfänge vom ansteigenden Meer überspült wurden und in erheblicher Tiefe liegen. Die Lietzow-Kultur endete vermutlich um 4000 v. Chr.
Die wichtigsten Rohmaterialien bildeten Feuer- und Felsgesteine. Feuerstein lagert auf Rügen als senonischer Flint in den Kreideschichten.
Damit entwickelte sich Rügen zu einem Rohstofflieferanten, dessen Bedeutung noch in den folgenden Jahrhunderten an Bedeutung gewann. Der Feuerstein ist spaltbar, hart und scharfkantig. Er diente zur Herstellung von Kleingeräten, wie Pfeilspitzen oder Sticheln, und Großgeräten. Erstmals tritt uns jetzt das Beil als Gerät entgegen. Da diese Beile aus einem Feuerstein-Kern geschlagen wurden, nennt man sie Kernbeile. Sie wurden noch nicht geschliffen und wirken daher etwas plump.
Aus dieser mittleren Steinzeit fehlen bisher Grabstätten, ebenso wenig kennen wir die Siedlungen. Die Menschen lebten vermutlich in Schilfhütten, vielleicht aber auch in Fellzelten (ähnlich den Eskimos). Die Bevölkerung Rügens scheint in dieser Zeit nur einige hundert Menschen umfasst zu haben.