Archiv für den Monat: Juli 2013

Lobbe – ein kleiner Ort auf Mönchgut mit 700jähriger Geschichte

von Prof. Dr. Achim Leube, Berlin, Juli 2013

Das kleine einstige Fischerdorf Lobbe ist erst in den letzten 50 Jahren als Bade- und Erholungsort bekannt und bedeutend geworden. Eine traditionelle Gastwirtschaft und „Fremdenbeherbergung“, wie es früher hieß, zeichnet den hier gelegenen „Gasthof zum Walfisch“ aus. Er liegt direkt an der Dorfstraße und unweit des breiten Badestrandes, von dem man einen herrlichen Blick über die Ostsee zu der 15 km entfernten Greifswalder Oie mit ihrem Leuchtturm und auch nach Peenemünde hat mit dem markanten ehemaligen Heizwerk, das heute als Museum genutzt wird. Weiterlesen

Das Geheimnis des Hertha-Sees

Aus Sagenwelt und echter Forscherarbeit auf unserer Insel Rügen

(Insel-Rundschau v. 12.12.1963) Das beliebteste Ausflugsziel Rügens stellt zweifellos die Landschaft um Stubbenkammer mit dem Hertha-See und dem Hertha-Wall dar. Der nur wenige Minuten westlich der Stubbenkammer gelegene See und Wall soll das Ziel eines gedanklichen Ausfluges sein.

Inmitten des hochragenden dichten Buchenwaldes der Stubnitz gelegen, übt der Hertha-See auf den Besucher einen eigenartig geheimnisvollen Reiz aus. Die tiefen Zweige der Buchen und sein schlammiger Untergrund verdunkeln seine Oberfläche so stark, dass er auch die Bezeichnung “Schwarzer See“ trägt und als grundlos gilt. Seine maximale Tiefe beträgt aber elf Meter. Weiterlesen

Archäologische Denkmale auf Rügen

(OZ v. 2. und 8.4.1987) Zu den bemerkenswertesten Erscheinungen Rügens aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit gehören die Hügelgräber, im Volksmund auch als „Hünengräber“ bezeichnet. Sie haben sich auf Rügen besonders zahlreich erhalten und prägen maßgeblich das Landschaftsbild.

1973 wurden noch 561 Gräber erfasst, die erstmalig die DDR-Regierung 1954 unter Denkmalschutz gestellt hatte. Ein erneuter Denkmalschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahre 1992 sichert ihren Schutz. Auch sie gehören dem nationalen und kulturellen Erbe an. Hier ist nun Verantwortung und Pietät sowie das historische Verständnis aller örtlichen Gemeindevertretungen, aber auch der landwirtschaftlichen und Industriebetriebe gefordert, auf deren Gelände derartige Zeugnisse unserer Vergangenheit liegen.

Bild-19.-Königsstuhl.-Zugang-über-ein-Hügelgrab.-Aufnahme-19841

Gerade hinsichtlich eines ausgeprägten Tourismus und dem in den letzten Jahren gewachsenen Verständnis für den Denkmalschutz können wir auf Rügen optimistisch künftige Aufgaben lösen. Es sei jedoch mit allem Nachdruck betont, dass jegliche Veränderungen, Einbauten, Abholzungen, Anpflanzungen usw. grundsätzlich nur in Abstimmung mit den zuständigen Behörden durchgeführt werden dürfen.

Die Sitte, Tote in mitunter gewaltigen Hügeln beizusetzen, war in einem älteren Abschnitt der sogenannten Bronzezeit (1800 bis 1000v. Chr.) üblich. Jedoch auch die slawische Bevölkerung Rügens bestattete ihre Verstorbenen unter Hügeln. Der beste Beweis ist das slawische Hügelgräberfeld von Ralswiek.

Der Aufbau der bronzezeitlichen Hügel ist heute durch zahlreiche Ausgrabungen bekannt. Die Einfassung erfolgte durch eine sehr präzise angelegte kreisförmige Steinsetzung. In der Mitte wurde das Haupt- oder Zentralgrab eingetieft und der oder die Tote unverbrannt, mit einer Wegzehrung, wenigen Geräten, Schmuck und Waffen aus Bronze oder Feuerstein beigesetzt. Die Gräber sind in der Regel sehr spärlich ausgestattet, Holz, Felle oder andere organische Stoffe haben sich nicht erhalten. Edelmetall fehlt.

Das Zentralgrab wurde dann durch eine Steinpackung abgedeckt und mit einem Erdhügel von mehreren Metern Dicke – die Arbeit einer oder mehrerer Sippen – zugeschüttet. Diese Hügelgräber haben oft eine besondere Lage an markanten Geländestellen. Sie sollten mahnen und schützen, man sollte der Toten gedenken. So finden wir sie an der Ostseeküste, auf Bergkuppen oder an ursprünglichen Wegläufen.

Bild-18.-Stubbenkammer.-Hügelgrab.-Frühjahr-19671

Die schönste Lage hat wohl das Hügelgrab auf Stubbenkammer, das den Zugang zur Aussichtsfläche markiert. Es ist weitgehend abgestürzt. Am bekanntesten ist das 10 m hohe Hügelgrab „Dobberworth“ bei Sagard, heute direkt an der Chaussee nach Sassnitz gelegen.

Weitere bemerkenswerte Hügelgräber liegen bei Woorke, in der Stubnitz, bei Nadelitz, Nistelitz, um Putbus.

Der ursprüngliche Bestand an Grabhügeln auf Rügen dürfte mit 2000 Denkmalen nicht zu hoch geschätzt sein. Viele wurden abgetragen, um Erdlöcher aufzufüllen oder eine bessere Bewirtschaftung der Ackerfläche zu erreichen. Dennoch ist auffallend, dass der Westen Rügens und auch auf Wittow keine Grabhügel aufweisen. Diese Gebiete waren vermutlich in der Bronzezeit siedlungsleer.

Die Hügelgräber spielten in der Volkskultur früher eine große Rolle. Sie hatten ihre Eigennamen, von denen sich mancher bis heute gehalten hat. Dazu kommen viele Sagen, Anekdoten und Geschichtchen, die man sich früher erzählte und die den hintergründigen und humorigen Volkscharakter der Landbevölkerung widerspiegeln. Einige dieser Sagen fanden auch in modernen Fernsehdokumentationen über Rügen ihren Widerhall.

So trägt eine Gruppe von drei Hügeln bei Prosnitz den Namen „Himmel von Prosnitz“. Nach der Überlieferung sollen im mittleren Hügel ein Herzog, in den beiden anderen Grabhügeln seine beiden Frauen bestattet sein. Dagegen kennzeichnet das Hügelgrab „De Licham“ (Leichnam) bei Gnies einen untergegangenen Ort. Am engsten aber sind die Grabhügel mit dem Leben der „Unnerirdschen“ (der Zwerge) verbunden. Offenbar war Anlass dieser Sagen das Gelegentliche Auffinden von Tongefäßen und Geräten beim Abtragen der Hügel. Eine besondere Gruppe der Unterirdischen lebte in den „Neun Bergen“ zwischen Rambin und Samtens. Von diesen neun Hügelgräbern sind heute noch zwei erhalten und von der Bahnstrecke aus gut sichtbar.

Die „Unneridschen“ lebten aber auch in den Ralswieker Bergen und im „Dobberworth“. Die Sage berichtet, dass ein Bauer den Auftrag hatte, Getreide in den geöffneten Hügel zu bringen. Dafür erhielt er den Pferdewagen voller Goldmünzen, aber zugleich die Aufforderung, sich beim Hinausfahren nicht umzudrehen. Er tat es dennoch und entkam zwar mit Pferd und Vorderwagen, den Hinterwagen mit dem Gold hatte jedoch der „Dobberworth“ verschlungen.

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Leuchtfeuer und Leuchttürme auf und um Rügen

Vor 150 Jahren erfolgte der Bau des Leuchtturmes auf Arkona

(1976) Während am Tage dem Schiffer mehrere Landmarken zur Orientierung dienen, verlangte die Entwicklung des Seehandels schon früh nächtliche Peilungspunkte. So sind für das Mittelalter mit Kienholz gespeiste Feuerbaken überliefert. Daran erinnert der Ortsname Kinnbackenhagen nördlich von Stralsund, der auf eine Kienbake am Ort Hagen zurück zu führen ist.

Das älteste, seit 1306 überlieferte Leuchtfeuer befand sich auf dem Gellen im Süden Hiddensees und diente dem Schifffahrtsweg nach Stralsund. Mit dessen zunehmender Versandung und dem Aufkommen größerer Schiffe verlor es an Bedeutung und ging schließlich ein.

Vereinzelt half man sich auch mit ausgehängten Laternen auf einem Signalmast, wie es für das Posthaus auf dem Bug seit 1683 bezeugt ist.

Bild-15.-Blick-auf-die-Leuchttürme-im-Jahre-1958

Arkona. Blick auf die beiden Leuchttürme im Jahre 1958

 

Größeres Interesse, verbunden mit starken militärischen Akzenten, zeigte erst die preußische Regierung, nachdem Rügen 1815 von Schweden zu Preußen kam. Ihr schlug die Stralsunder Kaufmannschaft seit 1816 vor, Leuchtfeuer auf Arkona, Stubbenkammer und der Greifswalder Oie zu errichten. Nachdem 1819 ein erster Plan für einen Leuchtturm auf Wittow bestand, erfolgten 1825 die ersten Arbeiten und am 5. Mai 1826 die Grundsteinlegung mit einer beschrifteten Kupferplatte. Am Standort befand sich bereits seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts eine hölzerne Feuerbake. Das Baumaterial schaffte man zu Wasser über Breege und Wiek heran. Die Bauleitung hatte der Stralsunder Maurermeister Teichens inne, der nach Plänen des klassizistischen Baumeisters Th. Schinkel, Berlin, arbeitete. Die zahlreichen Schwierigkeiten beim Bau komplizierte der zu dieser Zeit sehr einflussreiche Fürst von Putbus mit einem nachträglich eingereichten Vorschlag, den Leuchtturm bei Koosdorf auf Jasmund zu errichten.

Das Leuchtfeuer auf dem 19,3 m hohen Turm war ein Festfeuer aus zunächst 17 Rüböl-Lampen mit parabolischen Scheinwerfern hinter silberplattierten Spiegelscheiben. Da wenige Erfahrungen vorlagen, testete der damals einzige preußische Marineoffizier Longé, Stralsund, im Auftrage des Kriegsministers die Sichtweite des Feuers, es betrug etwa 50 km.

Zur gleichen Zeit entstanden auf dem Ruden eine Seeleuchte und auf der Greifswalder Oie 1832 eine eiserne Leuchtbake. Letztere wurde später durch einen Leuchtturm mit Drehfeuer ersetzt, der mit dem von Swinemünde (heute Świnoujście) korrespondierte.

Der 1826 auf Arkona errichtete Leuchtturm wurde nach 75 Jahren Betriebsdauer gleichfalls durch einen Turm mit Gruppenblitzfeuer ersetzt. Dieser neue Turm wurde 1901/1902 unmittelbar daneben auf einem 3 m tiefen Fundament aus Fels und Granit errichtet. Der sich nach oben verjüngende achteckige Unterbau trägt eine Galerie aus Granit und eine Eisenkuppel. Er erreicht eine Höhe von 26 m und steht damit 75 m über Mittelwasser. Für den Leuchtapparat entstand ein Maschinenhaus mit einem Elektrizitäts-Werk, das ein weißes Gruppenblitzfeuer mit Gruppen von drei Blitzen in einer Folge von vier Sekunden erzeugte. Die Wiederkehr beträgt 16 Sekunden, die Blitzdauer 0,1 bis 0,2 Sekunden und die Dunkelpause 7,8 bis 7,9 Sekunden.

Gleichzeitig errichtete man eine Anlage für das Nebelhorn (sog. Sirene), deren Druckluft drei Sauggasmotoren erzeugten. Sie gab bei Nebel und dergleichen alle 70 Sekunden einen Dauerton von fünf Sekunden, den man 20 km weit hörte.

Außerdem entstanden Marinesignal-, Telegraphie-, Eissignal- und Sturmsignalstationen. Für die Funktelegraphie wurden acht Masten von etwa 20 m Höhe auf dem Burgwall errichtet.

1888 baute man den Leuchtturm auf dem „Dornbusch“ Hiddensees, dessen Blinkfeuer 45 km weit sichtbar war, und dem man 1911 eine Dampfsirene hinzu fügte. Ein kleiner Leuchtturm befand sich bei Ranzow, dessen weißes Gruppenblitzfeuer aus Gruppen von je zwei Blitzen bestand.

Als Leuchtturmwärter und später als Besitzer eines Gasthauses auf Arkona machte sich die Familie Schilling einen Namen. Hier kehrten viele Persönlichkeiten ihrer Zeit (z. B. Gerhard Hauptmann) ein und verewigten sich in dem berühmten, heute verschollenen, Gästebuch. Der alte Schilling strotzte dann von Schnurren und Seemannsgeschichten, mit denen er die „Landratten“ hinein legte.

Der eigenartige Reiz dieser Bauwerke und ihre Bedeutung für die heutige Schifffahrt ist schließlich auch durch zwei Briefmarkenemissionen gewürdigt worden.

Zu DDR-Zeiten wurde auf Arkona eine Versuchsstation eingerichtet, um verschiedene Materialien unter Klimaeinwirkung zu testen.

Bild 16. Arkona. Versuchsstation. 1976

Arkona. Versuchsstation, 1976

Sagenumwobenes Ralswiek – Ein historischer Streifzuge durch die Jahrhunderte

(16.6.1976) Zu den historisch bedeutsamsten Orten Rügens gehört der kleine Ort Ralswiek, unweit Bergen gelegen, inmitten einer reizvollen Landschaft. Bereits im 18. Jahrhundert schwärmte ein romantisch veranlagter Reisender „ … und zwischen düsterbraunen Bergen ging das anmutige Ralswyk auf, wie ein goldener Morgentraum vor die schwärmende Seele tritt“.

Es war aber weniger die Schönheit der Natur, als vielmehr die geschützte, günstige Verkehrslage mit einem Hafen, der bereits die slawischen Bewohner Rügens seit dem 9. Jahrhundert veranlasste, einen Handelsplatz anzulegen. Bedeutende wissenschaftliche Ausgrabungen erbrachten nahezu sensationelle Ergebnisse, über die die „Ostseezeitung“ verschiedentlich berichtete.

Bild 13. Reste eines wikingerzeitlichen  Bootes. Aufnahme 1970

Reste eines wikingerzeitlichen Bootes aus dem 10. Jahrhundert. Ausgrabung: Dipl.-Prähist. P. Herfert, Bergen, 1970

Diese Tradition setzten auch die Dänen fort. Nach ihrer Eroberung Rügens im Jahre 1168 wurde Ralswiek das Zentrum der dänischen Verwaltung. Hier ließ sich der bischöfliche Vertreter, auch als Landprobst bezeichnet, nieder, da Rügen zum Bistum Roeskilde (30 km westlich Kopenhagens gelegener Bischofssitz) kam. Die Kirche erhob von allen Ortschaften eine Naturalsteuer, den sogenannten Bischofsroggen. Um 1500 wurden die bischöflichen Güter, dazu gehörten u. a. Gnies, Bischofsdorf, Kontop und Putgarten, und die Roggenabgabe an das Geschlecht derer von Barnekow verpachtet und später zu erblichen Lehen gegeben.

Bild-14.-Ralswiek.-Altes-Propsteigebäude.-Aufnahme-2010

Ralswiek. Altes Propsteigebäude, 2010

 

Erst die bürgerlich-demokratische Revolution von 1848 leitete die Beseitigung dieser Feudallast ein. Jedoch mussten sich die Bauern durch eine Geldrente loskaufen. Da sie nicht über genügend Geld verfügten, zog sich dieser Prozess bis 1894 hin. Ein Zeuge aus dieser Zeit feudalistischer Herrschaft ist noch das renovierte Wohnhaus des ehemaligen Probsteihofes als Magazin der Roggenabgabe. Rundbögen gliedern die Fassade, in die einige Fester neu eingebrochen sind. Das Gebäude gehörte dem Jahrhundert an und es dient heute als Oberschule.

In unmittelbarer Nähe schließt sich ein Gutspark an, der einen bemerkenswerten Baumbestand (Kaukasusfichte, Säulentaxus, Scheinzypresse usw.) aufweist und weite Blicke über den Jasmunder Bodden gestattet. Hier fanden zwischen 1959 und 1961 auf einer Freilichtbühne, so wie auch heute wieder, die „Rügenfestspiele“ statt. Tausende Besucher nehmen dabei Anteil an Leben und Kampf des Klaus Störtebecker.

Das im englischen Stil zwischen 1893 und 1894 errichtete Schloss des Grafen Douglas, der zwischen 1891 und 1893 die Besitzung Ralswiek erwarb, dient heute als Feierabendheim.

Die hügelige Landschaft zwischen Ralswiek und der Fernstraße nach Sassnitz mit ihren tiefen Erosionsrinnen war noch um 1800 mit „schwarzem dichten Heidekraut gepolstert“ und erst in jüngerer Zeit aufgeforstet. Zahlreiche Hügelgräber aus der slawischen Epoche geben ein charakteristisches Gepräge und den Namen „Schwarze Berge“.

So ist dieser Landstrich außerordentlich Sagen umrankt. Da gibt es den Nachtjäger, der als Drache mit feurigem Schweif auftritt, und die Überlieferung, dass hier früher Gericht gehalten wurde.

Am bekanntesten aber sind einige Zwergen-Sagen. Hier lebten die weißen Zwerge. Sie waren Christen und bildeten den „Königsstamm unter den Zwergen Rügens. Als König wählten sie ein Menschenkind. Ein Schäfer aus Patzig raubte ihnen bei einer Hochzeit einen Goldbecher.

Abseits davon, bei Jarnitz und Gnies, liegen drei große Hügelgräber, von denen einige durch den Gutsherren geöffnet und später als Fixpunkte der Gedenkfeuer beim Sedanstag gedient haben. Das Grab bei Gnies trägt nach der Sage von der untergegangenen Ortschaft Liecham (d. h. Leichnam) seinen Namen.

 

Die Stubnitz

(1978) Der Mai gehört zu den traditionellen Ausflugsmonaten. Mit ihm beginnt nun schon seit Jahrzehnten ein reger Urlauber- und Touristenverkehr nach Rügen einzusetzen. Zu den beliebtesten und ältesten Ausflugszielen gehört die Stubnitz mit Stubbenkammer im heutigen Naturschutzgebiet.

Der Name Stubnitz, verwandt dazu „Stubbenkammer“, ist noch nicht befriedigend geklärt. Am leichtesten macht es sich der Volksmund. Danach hatte der Seeräuber Störtebecker seine „Stube und Kammer“ hier. Der Altmeister der rügenschen Volkskunde, Professor Alfred Haas aus Bergen, entschied sich für einen slawischen Ursprung des Wortes und deutete Stubbenkammer als „Stufen zum Meer“ und Stubnitz entsprechend als „Stufenland“ nach seinen zahlreichen Erhebungen und Tälern. Jedoch spricht vieles dafür, dass der Name eines Gewässers übertragen wurde. So gibt es verschiedene Seen und Flüsschen mit dem Namen „Stepenitz“ im slawischen Siedlungsraum.

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Stubnitz. Wissower Klinken im Jahre 1993. Heute bereits abgestürzt

 

Die einzigartige Kreideküstenlandschaft zwischen Sassnitz und dem „Königsstuhl“ trägt allein 20 Flurnamen, die zum Teil zur Orientierung der Schiffer und der Fischer gegeben wurden. Einige dieser Namen dürften 500 bis 700 Jahre alt sein, da sie noch aus der Slawenzeit stammen. Dazu gehört der Uskahn (Gottesstein), das Gakower Ufer (Entenufer) und das Wissower Ufer (Hohes Ufer). Jüngste Prägungen sind z. B. das Fahrnitzer Loch (um 1790 entstanden) oder die Tipper Wacht (französische Uferwache zur Zeit Napoleons).

Die touristische Erschließung Stubbenkammers und der Jasmunder Kreideküste führt uns bis in das 18. Jahrhundert zurück. Damals wurden von Sagard erste Fahrwege angelegt und bald entstand ein Gast- und Rasthaus, das mehrfach abbrannte und schließlich im Stil eines Schweizerhauses nach 1891 unter dem seinerzeit bekannten Gastwirt Berendt bei Stubbenkammer erbaut wurde.

Die älteste urkundliche Erwähnung führt uns allerdings bis in das Jahr 1584 zurück. Die pommerschen Fürsten ließen hier ergebnislos nach Salzquellen und Mineralien suchen. In der Volkssage nimmt die Stubnitz einen besonderen Platz ein. Der „Schwarze See“ oder der „Borg-See“ wurde z. B. irrigerweise mit einem Kult der Göttin „Hertha“ verbunden. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts verwarf der Neubrandenburger Naturforscher E. Boll diese Sagen, denn sie dienen nur „zum Nutz und Frommen der Touristen, denen auf ihren Ausflügen des Pikanten nie zu viel dargeboten werden kann“. Ende des 19. Jahrhunderts wurden von Lohme und Sassnitz regelrechte „Opferzüge“ der Badegäste in historisch falscher Maskerade zum Hertha-See organisiert. Leider hat sich der Sagenkomplex um den „Hertha-See“ in ungebührlicher Breite bis heute erhalten.

Bild 11. Uferweg unterhalb des Hengstes 2010

Uferweg unterhalb des „Hengstes“ unmittelbar nördlich der Sassnitzer Promenade, 2011

Die Stubnitz wird sehr oft mit den Seeräubern Klaus Störtebecker und Gödeke Michel verbunden. Sie sollen nach der Volkssage ihre Schlupfwinkel hier gehabt, und ihre Schätze in einer Höhle bei Stubbenkammer, an der Golcha-Quelle, der Hertha-Burg und dem „Schlossberg“ bei Werder versteckt haben.

Bild 12. Herthasee. Vom Burgwallinneren gesehen. 2009

Hertha-See. Der See ist etwa 11 m tief, 2009  

Störtebecker selbst soll aus Ruschvitz stammen und auch in der Stubnitz hingerichtet und vergraben worden sein.

Diese reiche Sagenwelt könnte auf dem Charakter der Stubnitz als letzter Zufluchtsort vieler Menschen in den Drangsalen mittelalterlicher Fehden und Kriege begründet sein. Der polnische Schriftsteller Kaminski hielt derartige Szenen für das 16. Jahrhundert sogar literarisch fest. Historisch gesicherte Belege fehlen jedoch noch.

 

In memoriam Friedrich-Wilhelm Furthmann (1920 – 1986)

(OZ 1986) Am 5. Januar verstarb in Lancken-Granitz zu früh im Alter von 66 Jahren der langjährige Lehrer und Schulleiter Friedrich-Wilhelm Furthmann. Rügen verliert mit ihm einen seit 40 Jahren auf Rügen tätigen Heimatforscher, dessen Leistung und Persönlichkeit weit über das Lokale hinaus reichte, und dem wir ein ehrendes Gedenken widmen.

Bild 6. Putbrese und Furthmann

Friedrich-Wilhelm Furthmann (rechts) und Heino Putbrese (links) auf einer Tagung zur Vor- und Frühgeschichte Rügens. Aufnahme: Dipl.-Prähist. W. Lampe, Sundhagen

Friedrich-Wilhelm Furthmann wurde am 11. Februar 1920 – wie auch der in Alt Reddevitz wirkende Heimatforscher und Heimatdichter Fritz Worm (1863 – 1931) – in Barth geboren.

F.-W. Furthmann war aber gleich nach dem Kriege in Lancken-Granitz als Neulehrer tätig und blieb diesem Beruf bis zur Pensionierung treu. Seine pädagogische Arbeit als Landlehrer wurde mit der Carl-Friedrich-Wilhelm-Wander- und mit der Pestalozzi-Medaille sowie vielen weiteren Auszeichnungen gewürdigt. Während seiner Zeit als Lehrer bekam Lancken-Granitz auch einen Schulneubau.

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Schulgebäude von Lancken-Granitz im Jahre 1972

 

Seine Freizeit gehörte der Rügenschen Heimatforschung, und hier hat er sich bleibende Verdienste erworben. Es ist besonders die Ur- und Frühgeschichte, von dem ersten Auftreten des Menschen vor etwa 10 000 Jahren bis zum 13. Jahrhundert, mit ihren archäologischen Funden, die sein Interesse fand. Besonders die Orte und Gemeinden Baabe, Binz, Blieschow, Dummertevitz, Gobbin, Lancken-Granitz, Neu-Reddevitz, Sellin, Stresow usw. hat er gründlich durchforscht.

Bild 8. Karte Hagenow 1829  westl. von Lancken - Gr

Karte des Freiherrn von Hagenow aus dem Jahre 1829. Verteilung der „Hünengräber“ westlich von Lancken/Granitz und Burtevitz und südlich der heutigen Bäderchaussee

Bild 7. Lancken-Granitz. Birkengrab 2009

Großsteingrab bei Lancken/Granitz – sogenanntes Birkengrab, 2005

Dabei stützte er sich auf einen breiten Kreis interessierter Helfer und entfaltete eine rege Vortrags- und Aufklärungstätigkeit. Es gibt vermutlich kaum ein Gebiet in der DDR, das so gründlich erkundet ist, wie die Landschaft südlich der Granitz.

Seine wissenschaftlichen Kenntnisse eignete er sich durch das Studium der entsprechenden Fachliteratur und die Teilnahme an vielen Kongressen, Tagungen und Seminaren der Museen, der Akademie der Wissenschaften, des Kulturbundes und der Historiker-Gesellschaft an. Hier trat er auf und berichtete über seine Arbeit. Mehrfach wurde er als einer der erfolgreichsten Laienforscher des Ostseebezirkes ausgezeichnet.

Bild-9.-Blick-über-den-Neuensiener-See-auf-das-Dorf.-1965

Blick über den Neuensiener See auf das Dorf Lancken/Granitz im Herbst 1965

 

Vor 100 Jahren … Rügens landwirtschaftliche Entwicklung

Als Rügen 1815 nach längerer schwedischer Herrschaft an Preußen gelangte, waren günstige Voraussetzungen zu einer bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung erreicht. Besonders nach den Kriegen 1870 und 1871 entwickelten sich die deutsche Industrie und die Landwirtschaft. Es dominierte auf Rügen weiterhin der Großgrundbesitz, der nun jedoch neue Wege beschritt. So entstanden seit 1821 in den verschiedensten größeren Orten Rügens (z. B. in Altenkirchen, Sagard, Rambin) „Landwirtschaftsvereine“, deren Vorsitz sich meist in den Händen der progressiven Landwirte und Züchter befand. Man reduzierte die Brachwirtschaft, setzte sich für eine Einführung von zwei- und dreischarigen Schälpflügen ein, diskutierte u. a. um 1890 die Verwendung von Kunstdünger. Erst jetzt baute man Zuckerrüben an. Durch die Gründung eines Herdbuches und den Import ostfriesischer Rinder wurde die Rinderzucht angehoben. Der Rambiner Verein und besonders einzelne Züchter, wie der Gutsherr Stuth in Gustow machten sich um die Verbesserung der Pferdezucht auf Rügen verdient.

Bild 3. Schubrad-Drillmaschine um 1900. Reproduktion

Schubrad-Drillmaschine um 1900. Reproduktion

Der Bergener Vorschussverein

Von der industriellen Entwicklung dieser „Gründer-Jahre“ wurde Rügen nur begrenzt erfasst. Es blieb das Absatzgebiet von Greifswald, Stralsund und dem damaligen Stettin. Besonders „lebhaft“ war das Geschäft mit Holz- und Baumaterialien für den Ausbau der Badeorte.

Das spiegelt sich auch in der jährlichen Umsatzsteigerung von fünf Millionen Mark der Stralsunder Reichsbank wider. 1858 bildete sich in Bergen ein sogenannter Vorschussverein, aus dem später die Rügensche Bank in der Billrothstraße hervorging. Er vergab Darlehen und verfügte um 1890 über eine halbe Million Mark mit über 600 Mitgliedern.

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Einstiger Sitz der Rügenschen Bank. Billrothstraße 16, 2005

150.- Mark Jahresverdienst

An dieser Entwicklung hatten die Kleinbauern, Büdner, Kossäten und Landarbeitern nur begrenzt Anteil. Das schlug sich u. a. in ihrer geringeren Entlohnung nieder. So zahlte man zur Erntezeit dem Landarbeiter 2,50 Mark und der Landarbeiterin 1,00 bis 1,50 Mark täglich. Der Jahreslohn eines Knechtes lag bei 150 Mark, der einer Magd bei 100 bis 120 Mark. Allerdings waren die Preise für Agrar- und Fischereiprodukte recht niedrig und verhinderten wiederum größere Einnahmen der Gutsherrschaften und Gutspachtungen. So kostete eine Stiege Eier 1,20 Mark, ein Huhn 1,00 bis 1,40 Mark, das Pfund Butter 0,90 bis 1,20 Mark. Ein Wall (80 Stück) Heringe verkaufte man unterschiedlich zwischen 0,80 und 4,00 Mark. Der Aal wurde mit 0,60 Mark das Pfund gehandelt. Das sind jedoch Marktpreise, die Aufkaufpreise lagen niedriger.

Bild 5. Suchanzeige im Titelblatt der Zeitung

Das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Putbus gedruckte „Rügensche Kreis- und Anzeigenblatt“ leistete durch seine Beiträge, Annoncen, Mitteilungen und seinen Bildungsteil einen großen Beitrag zum Bildungsniveau der Bevölkerung Rügens

Konservative Gesetze

Eine „Gesindeordnung“ gab bis 1918 den „Herrschaften“ eine nahezu unbegrenzte Gewalt über die Landarbeiter. So verhandelte man oft vor dem Bergener „Schöffengericht“ und vor den beiden Strafkammern in Greifswald und Stralsund gegen Rüganer, die den Pächter „bedrohten“. Als z. B. der Landarbeiter Moritz Becker (gen. Mau) die Schläge des Pächters erwiderte, wurde er in Bergen zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Zu 8 Mark Strafe oder zwei Tagen Haft verurteilte man in Stralsund das Dienstmädchen Minna Uerkvitz aus Reischvitz, weil sie zwei Nächte „ohne Vorwissen und Genehmigung der Herrschaft“ das Haus verlassen hatte Das war ein Verstoß gegen die „Gesindeordnung“.

Bild-4.-Rügensches-Kreisblatt-1890

Suchanzeige im „Kreis- und Anzeige Blatt für den Kreis Rügen“

 

Bild 2. Innere des Amtsgerichts 2010

Das 1905 errichtete Amtsgericht Bergen. Treppenaufgang 2010

Gesangvereine, Kriegervereine, Schützengilden etc.

Das geistige Leben wurde auch von Kriegervereinen, Schützengilden, Gesangsvereinen mit vorwiegend „patriotischem“ Repertoire (etwa mit dem „Füselier Schmidt“ oder „Rommel mit der Trommel“), Bade- und Verschönerungsvereinen mitbestimmt. Eigentliche Bildungsarbeit leisteten die Lehrervereine und mit Einschränkungen der Gewerbe-Verein Bergen. 1905 konnte sich in Bergen eine Ortsgruppe der SPD gründen, deren weitere Entwicklung Walter Börst in seinem Buch „Bilder aus der Vergangenheit“ skizziert.

 

 

Ernst Moritz Arndt und die Zeit der Befreiungskämpfe 1812 bis 1814

(1979, unveröffentlicht) Die neue (Nov. 1978) fünfteilige Fernsehserie „Scharnhorst“ macht uns seit der dritten Folge mit einer der bedeutendsten Persönlichkeiten jener Zeit, mit Ernst Moritz Arndt, bekannt. Arndt gehörte zu den Vertretern einer nationalbürgerlichen Bewegung. Jedoch neigten sie zu einer nationalistischen Übersteigerung und traten für den Erhalt einer konstitutionellen Monarchie ein.

Arndt wurde am 26. Dezember 1769 wenige Kilometer südlich des alten Städtchens Garz in Groß Schoritz als Sohn eines Gutspächters geboren. Eine gusseiserne Tafel mit der Reliefplatte Arndts und einem kurzen Text am ehemaligen Gutshaus kündet davon. Im Erdgeschoß befindet sich heute das Arndt-Zimmer, das erst kürzlich umgestaltet wurde.

Groß Schoritz. Rückseite des Gutshauses. Im Vordergrund der Baumstubben der ehemaligen „Arndt-Esche“ 1991

Groß Schoritz. Rückseite des Gutshauses. Im Vordergrund der Baumstubben der ehemaligen „Arndt-Esche“ 1991

In den „Erinnerungen aus dem äußeren Leben“ zeichnet E. M. Arndt ein eindrucksvolles Bild seiner Jugendzeit. Und charakterisiert dabei das gesellschaftliche Leben Rügens im 18. Jahrhundert. „Schoritz war dann recht hart an einer Meeresbucht gelegen, welche die Halbinsel Zudar von der größeren Insel abschneidet. …“ Jedoch zog der Vater wenige Jahre später als Gutspächter nach Dumsevitz. „Dumsevitz war ein hässlicher, zufällig entstandener Hof mit einem neuen, aber doch kleinlichen Hause; indessen doch hübsche Wiesen und Teiche umher, nebst zwei sehr reichen Obstgärten, und in den Feldern, Hügel, Büsche, Teiche, Hünengräber, …“

Ehemaliges Gutshaus Dumsevitz 2005. Das Gebäude wurde erst im 19. Jahrhundert erbaut.

Ehemaliges Gutshaus Dumsevitz 2005. Das Gebäude wurde erst im 19. Jahrhundert erbaut.

1817 – nun bis zu seinem Tode in Bonn lebend – gedachtete der erst 48jährige Arndt der Kindheit in Groß Schoritz und Dumsevitz anlässlich eines letzten Rügen-Besuches in seinem Gedicht „Gruß der Heimat“:

So seh’ ich dich , mein Schoritz, wieder,
wo mir das Meer mit dunkelm Klang
die ahnungsvollen Wunderlieder
der Zukunft um die Wiege sang?

So kann ich wieder dich begrüßen,
mein Dumsevitz, du trauter Ort?
So traut, daß meine Tränen fließen,
und meine Lippe weiß kein Wort?

Zwischen 1780 und 1788 bewirtschaftete der Vater die Güter Breesen und Grabitz. „Wir waren gottlob! wieder ans Meer gekommen, fanden reichliche Obst- und Blumengärten und auch ein paar Wäldchen, die Lau bei Grabitz, den Tannenwald bei Breesen und den größeren, noch näheren Tannenwald an dem Kloster St. Jürgen vor Rambin.“

Arndt wurde durch die strenge Erziehung und der einfachen Herkunft des Vaters als eines geborenen Leibeigenen – der Fürst von Putbus gab ihm die Freiheit – mit dem Leben der Landbevölkerung eng vertraut gemacht. Er lernte ihre Nöte, ihre einfache Gastfreundschaft und ihre Abhängigkeit von der Gutsherrschaft kennen. Es verwundert daher nicht, dass sein erstes größeres Werk sich mit der „Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ beschäftigte (1803). Das war ein Bahn brechendes politisches Buch, das die angeblichen „guten patriarchalischen“ Verhältnisse zwischen Landbevölkerung und Gutsherrschaft demaskierte und als unmenschliche, brutale Ausbeutung darstellte. Besonders zwischen 1760 und 1790 wurde „der Bauernstand nicht nur allenthalben mit ungemessener Dienstbarkeit belastet, sondern durch Verwandlung der Dörfer in große Pacht- und Rittergüter endlich zerstört“.

Breesen bei Rambin 2010. Blick auf das ehemalige Gutshaus, das erst im 19. Jahrhundert errichtet wurde.

Breesen bei Rambin 2010. Blick auf das ehemalige Gutshaus, das erst im 19. Jahrhundert errichtet wurde.

Arndt sah sich bald einer Klage durch den Landadel ausgesetzt. Die schwedische Regierung, Rügen gehörte bis 1815 zu Schweden, stimmte jedoch seinem Werk zu und hob 1806 die Leibeigenschaft auf.

 Arndt zwischen 1806 und 1812

1806 verfasste er den ersten Band „Geist der Zeit“, in dem er sich vom schwedischen Staatsuntertan zum deutschen Patrioten bekannte und zum Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft aufrief. Im gleichen Jahr duellierte er sich mit einem schwedischen Offizier, der die Deutschen beleidigt hatte, unweit Stralsund und wurde schwer verwundet.

In Greifswald ließ sich Arndt nach seiner Habilitation an der dortigen Universität im Jahre 1800 als Dozent nieder und heiratete im gleichen Jahr auch. Diese äußerst kleine Universität hatte in jener Zeit nur 60 Studenten. Arndt begann mit Vorlesungen und Seminare zur Geschichte Italiens und Griechenlands, die zunächst keine Teilnehmer fanden. Erst mit thematischen Erweiterungen, die die Geschichte der germanischen Stämme, ja sogar der Vorgeschichte, die Geschichte der jetzigen Staaten mit „der Kraft der Wissenschaft und Erfindungen aller Zeiten“, gelang es ihm, das Interesse „weniger Zuhörer zu fesseln“ – so hatte es 1908 der Germanist Heinrich Meisner geschildert. .

Greifswald. Arndts Wohnhaus in der Greifswalder Johann-Sebastian-Bach-Straße 2013

Greifswald 2013. Arndts Wohnhaus in der Greifswalder Johann-Sebastian-Bach-Straße

1812 beim erneuten Einmarsch der Franzosen verließ er illegal als „Sprachmeister Allmann“ seine Heimat und reiste über Berlin nach Breslau (heute Wroclaw). Jetzt lässt sich sein Leben mit den Ereignissen der Fernsehfolge „Scharnhorst“ verbinden. Denn Arndt trifft hier auf Blücher, Gneisenau, Boyen, Gruner, und auf Scharnhorst. Er charakterisiert Scharnhorst: „schlichteste Wahrheit in Einfalt, geradeste Kühnheit in besonderer Klarheit, das war „Scharnhorst.“ Seine historische Bedeutung besteht nach Arndt darin, dass Scharnhorst „tiefer als einer des Vaterlands Weh gefühlt und mehr als irgend einer zur Hebung desselben gestrebt und gewirkt hat“. Als Scharnhorst 1813 einer Verwundung erlag, widmete Arndt ihm zwei Lieder („Waffenschmied deutscher Freiheit“ und „Scharnhorst als Ehrenbote“).

Arndt ging mit Gruner nach Prag und vertraute sich dann Schmugglern an, die Ihn über Polen, Galizien nach Kiew führten. Am 16. August 1812 traf er mit dem Freiherrn vom Stein im damaligen Petersburg zusammen. Er wirkte nun als dessen Sekretär und wurde von der russischen Regierung angestellt. 1812 schrieb er sein einprägsames „Vaterlandslied“:

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
der wollte keine Knechte,
drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
dem Mann in seine Rechte,

drum gab er ihm den kühnen Mut,
den Zorn der freien Rede,
dass er bestände bis aufs Blut,
bis in den Tod die Fehde.

Stein, den er „kurz, gedrungen, breit; die Worte derb, klar, fest“ beschreibt und Redlichkeit, Mut Zorn, aber auch Jähzorn bescheinigt, hatte hier einen Kreis von Patrioten zusammengezogen, von denen Arndt die Namen Dörnberg, Clausewitz, Goltz, Dohna, Boyen und Adolf Lützow nennt.

Er berichtet auch über Gustav von Barnekow aus Teschvitz bei Gingst. „Dieser Gustav von Barnekow war in Russland der genannteste deutsche Name“. Es war ein Haudegen und Draufgänger, der die Franzosen hasste und sich als Kosakenführer bei Borodino und in späteren Schlachten außerordentlich gut schlug.

 Arndt in Russland im Jahre 1812

Am kaiserlichen Hof in Petersburg erlebte Arndt die Auswirkungen der Schlacht von Borodino am 7. und des Brandes am 15. und 16. September mit. Besonders das russische Volk lernte er achten und hielt es dem deutschen als Beispiel hin. „Auch hat der gemeinste Kerl eine Miene, die sagt: Ich bin etwas, …, etwas einem Stolze ähnliches, wovon der demütige Deutsche keine Ahnung hat“.

Hier verfasste er als bedeutendste Schrift den „Kurzen Katechismus für deutsche Soldaten“, dessen Passagen über die Soldatenehre im vierten Teil der Fernsehfolge „Scharnhorst“ zitiert wurden. Diese Schrift wurde in Deutschland heimlich verbreitet und wirkte durch ihre aufrüttelnde, verständliche Sprache ungemein mobilisierend im Freiheitskampf gegen Napoleon. Arndt setzte sich mit den Begriffen Soldatenehre, gerechte und ungerechte Kriege, dem bisherigen „Kadavergehorsam“ auseinander. Unter der Führung Steins wurde in Russland aus deutschen Offizieren und Soldaten, die vor Napoleon geflüchtet bzw. desertiert waren, eine „Deutsche Legion“ gebildet, der Arndt einige Agitationsschriften widmete.

Als obersten Souverän sieht Arndt das Volk: „das Land und das Volk sollen unsterblich und ewig sein, aber die Herren und ihren Ehren und Schanden vergänglich“. Diese revolutionären aufrührerischen Worte und Gedanken musste Arndt in späteren Auflagen ändern. Sie wurden ihm in der sogenannten Demagogenverfolgung einige Jahrzehnte später dennoch mit zum Verhängnis und führten zu seinem zeitweiligen Berufsverbot.

 Arndt im Jahre 1813

Am 15. Januar 1813 folgte Arndt den siegreichen russischen Truppen nach Deutschland und lernte dabei den General York („eine starre, entschlossene Gestalt, eine gewölbte Stirn voll Mut und Verstand, …“) kennen.

Im damaligen Ostpreußen wurde mit der Aufstellung der Landwehr und des Landsturms die Volksbewaffnung unter der Führung Scharnhorsts eingeleitet. Arndt schrieb dazu seine populärste Arbeit „Was bedeutet Landwehr und Landsturm?“ Die dadurch ausgelöste Begeisterung und der Wille der Volksmassen zur patriotischen Erhebung zwangen den preußischen König schließlich am 17. März Landwehr und Landsturm aufzubieten.

In den folgenden Schriften, die unter dem Motto „Was müssen die Deutschen jetzt tun?“ standen, wurden Arndts Anklagen gegen das feudale Kleinstaatensystem und die Forderung nach einem einheitlichen, demokratischen immer kühner und mächtiger. Teilweise waren sie jedoch mit Ausfällen gegen das französische Volk und Gebietsforderungen belastet, neben dem Wunsch nach einem deutschen Kaiser an der Spitze des Reiches. Bereits jetzt stand Arndt eine starke Gegnerschaft, die den Druck einiger Schriften zu verhindern wusste, gegenüber und ihn zwang, einiges anonym erscheinen zu lassen.

 Arndt in Bonn

1818 erhielt Arndt an der neu gegründeten Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn eine Professur für Geschichte. Er wurde aber bereits 1820 suspendiert und erst 1840 unter Friedrich Wilhelm IV. von Preußen wieder zugelassen. 1854 ließ er sich mit sagenhaften 85 Jahren emeritieren.

Arndt Villa Bonn

Die von Arndt erbaute Villa „Haus Lülow“ in Bonn

Zur 1841 erfolgten Grundsteinlegung des „Hermannsdenkmal“ im Teutoburger Wald dichtete der 72jährige Arndt eines seiner bedeutendsten, zugleich missdeuteten Poeme „Was ist des Deutschen Vaterland?“

Das ganze Deutschland soll es sein!
Das sei der Ruf, der Klang, der Schein,
der junge und der alte Schluß,
der Blücher, der Arminius!
Das soll es sein!
Das soll es sein!
Das ganze Deutschland soll es sein!

Und ein Jahr später schrieb er die vielfach vertonte Hymne der Rüganer und all jener, die weit von der Heimat entfernt leben:
 

Heimweh nach Rügen

O Land der dunklen Haine,
O Glanz der blauen See,
O Eiland, das ich meine,
Wie tut’s nach Dir mir weh!
Nach Fluchten und nach Zügen
Weit über Land und Meer,
Mein trautes Ländchen Rügen,
Wie mahnst Du mich so sehr!

 
Arndt, der noch 18 Jahre bis zu seinem Tode am 29. Januar 1860 in Bonn lebte, schloss sein Gedicht mit dem Wunsch:
 

Fern, fern vom Heimatlande
Liegt Haus und Grab am Rhein.
Nie werd’ an deinem Strande
Ich wieder Pilger sein.
Drum grüß ich aus der Ferne
Dich, Eiland, lieb und grün:
Sollst unterm besten Sterne
Des Himmels ewig blühn!

 
Wir ehren in Arndt – zu Recht als Rügens größter Sohn bezeichnet – einen unerbittlichen Kämpfer für die Freiheit eines Volkes für die Menschenwürde und Menschenrechte jedes einzelnen. Im nationalen Freiheitskampf 1812 bis 1814 gehörte er zu den führenden deutschen Patrioten.
 
Verwendete Literatur u. a.: Ernst Moritz Arndts ausgewählte Werke in 16 Bänden. Hrsg. Heinrich Meissner und Robert Geerts, Leipzig, 1908; Weber, R. (Herausgeber), Ernst Moritz Arndt. Erinnerungen 1769-1815. Berlin; Bock, S. und Helms, Th., Schlösser und Herrenhäuser auf Rügen. Bremen.
 

Christian Albert Theodor Billroth

Zum 150. Geburtstag des gebürtigen Bergeners

 (1979, nicht veröffentlicht) 1896 erfolgte in Würdigung des zwei Jahre zuvor verstorbenen weltbekannten Mediziners Billroth die Umbenennung der bisherigen Toten-, Kloster- und Joachimstraße in Billrothstraße durch den Magistrat der Stadt Bergen.

Bergen auf Rügen. Geburtshaus des Mediziners Theodor Billroth in der Billrothstraße 1967

Bergen auf Rügen. Geburtshaus des Mediziners Theodor Billroth in der Billrothstraße 1967

Hier, in dem heutigen Haus Billrothstraße 17, wurde Theodor Billroth vor genau 150 Jahren am 26. April 1829 geboren. Daran erinnert auch eine Metalltafel, die an dem Haus angebracht ist.

Billroth verlebte nur wenige Jahre in Bergen. Die Schulzeit und einen Teil seines Medizinstudiums – die Jahre 1836 bis 1849 – verbrachte er in der Greifswald. Darauf weist eine Metalltafel in der Greifswalder Domstraße darauf hin.

Greifswald. Wohnhaus des Mediziners Theodor Billroth von 1836 bis 1849 in der Domstraße  2013

Greifswald 2013. Wohnhaus des Mediziners Theodor Billroth von 1836 bis 1849 in der Domstraße

Sein Hauptwirkungsfeld wurde ab 1867 die II. Chirurgische Lehrkanzel in Wien, wo er u. a. die wissenschaftliche Chirurgie entwickelte. Neue Operationsmethoden, wie die erstmals gelungene Speiseröhrenentfernung 1871 und die Kehlkopfentfernung 1883, wie auch seine Arbeiten über Wundfieber und akzidentelle Wundkrankheiten, Billroth führte die Antisepsis ein, begründeten seinen Weltruhm. Aufsehen erregte die erste erfolgreiche Magenresektion 1881 bei einem Krebspatienten. Damit gab er der modernen Medizin die Grundlage für Eingriffe auf dem Gebiet des Magen- und Darmtraktes.

Theodor Billroth verstarb mit fast 65 Jahren in Abbazia (heute Opatia, Kroatien) am 6. Februar 1894, und erhielt ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

 

Überall wehten monarchistische Fahnen

Kriegervereine auf Rügen – ein trauriges Kapitel Heimatgeschichte

(OZ v. 17.2. und 24.2.1977) Die Propagierung militärischen Gedankengutes vollzog sich zu einem beträchtlichen Teil den Kriegervereinen. Sie schossen nach den Kriegen Preußens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Pilze aus der Erde. In geschickter Weise verband man das Kriegserlebnis der Teilnehmer als einen nachhaltigen psychologischen Faktor mit einem natürlichen Wunsch nach Geselligkeit.

Kriegervereine prägten die öffentliche Meinung und besaßen gerade auf dem Lande eine gefährliche politische Ausstrahlung. So sind sie in ihrer Bedeutung keinesfalls zu unterschätzen. Ausgang des 19. Jahrhunderts existierten fast 10 000 Kriegervereine mit einer Million Mitgliedern in Deutschland. Der Bezirksverband „Neuvorpommern“ umfasste zu dieser Zeit etwa 30 Vereine mit über 3000 Mitgliedern. Trotz des Zusammenbruches des kaiserlichen Reiches und der Niederlage im 1. Weltkrieg blühte dieses „Kriegertum“ auch in der Weimarer Republik. Auf Rügen erreichte es mit 33 Vereinen und etwa 3000 mitgliedern im Jahre 1928 einen traurigen Höhepunkt!

Und es wuchs auf einem fruchtbaren, reaktionären Boden. Anlässlich einer zeitgleichen Propagandafahrt der Presse berichtete der fortschrittliche Journalist und Schriftsteller Joseph Roth, ein Freund Egon Erwin Kischs, über diese anachronistischen Zustände auf Rügen: „Man empfing uns also mit monarchistischen Fahnen und mit schmetternden Militärmärschen. Wir speisten in Sälen der Kulturhäuser, an deren Wänden Kaiserbilder hingen. In Binz wehten zwei große Hakenkreuzfahnen von den Giebeln eines großen Strandhotels“ (Roth, J., Das Hakenkreuz auf Rügen. In: „Damals in den zwanziger Jahren“. Berlin, Leipzig, 1963, S. 136 ff.). Ironisch fragte er, ob „man auf Rügen noch nichts von der inzwischen geänderten deutschen Staatsverfassung gehört habe“. Wir wissen, dass die Arbeiterparteien SPD und KPD auch auf Rügen gegen diese Verhältnisse einen schweren und unerbittlichen Kampf geführt haben.

Die stärksten Kriegervereine bestanden in Sassnitz und auf Mönchgut mit fast 200 Mitgliedern, dann folgten Bergen und Garz. Den Kreisvorstand hatte längere Zeit mit Dr. med. Biel, ein bekannter Bergener Bürger, inne. Als Beisitzer fungierten dann aktive und ehemalige Offiziere, wie der Rittmeister v. Schultz, der Gutsbesitzer in Granskevitz war und auch beim Kapp-Putsch 1920 in Erscheinung getreten war.

Poseritz. Der „Krieger- und Militärverein“ aus Poseritz und Umgebung lud in der „Rügenschen Zeitung“ zum 18. 1. 1931 zu einer „Reichsgründungsfeier“ ein. Man bezog sich dabei auf das Jahr 1871

Poseritz. Der „Krieger- und Militärverein“ aus Poseritz und Umgebung lud in der „Rügenschen Zeitung“ zum 18. 1. 1931 zu einer „Reichsgründungsfeier“ ein. Man bezog sich dabei auf das Jahr 1871

Die angeblich „unpolitische“ Haltung der Kriegervereine wird durch ihre Zielsetzung ad absurdum geführt. So umreißt die „Stralsundische Zeitung“ vom 2. Februar 1892 die Aufgabe „in Einigkeit treu zu Kaiser und Reich zu stehen, … und Gut und Blut für den König einzusetzen. – wenn es einmal gelten sollte, …“.

22 Jahre später galt es, und 1100 Rügener zogen ins „Feld“. Die Kriegervereine galten auch als Bollwerk gegen den „verderblichen Einfluss der Sozialdemokratie“. Im Mai 1907 forderte der damalige pommersche Oberpräsident v. Maltzahn-Gültz von den Vereinen, alle „Bestrebungen gegen die Grundlagen unseres Staatslebens und unserer Gesinnung abzuwehren, wie sie die Sozialdemokratie vertritt“.

Die Kriegervereine kamen regelmäßig (in Garz zum Beispiel im damaligen „Hotel du Nord“) zu sogenannten Apellabenden zusammen, an denen nationalistische Vorträge gehalten wurden, wie „Die Schöpfung des deutschen Kriegsheeres“ oder „Wie Deutschland den Elsass verlor und wieder zurückeroberte“. Anschließend wurde ein „Umtrunk“ gereicht. Ihr öffentliches Auftreten erfolgte dann an Staatsfeiertagen, wie Kaisers Geburtstag oder dem Sedanstag, und bei der Einweihung zahlreicher Kriegerdenkmäler.

Der sowjetische Schriftsteller Kasakewitsch schilderte uns seine persönlichen Eindrücke im Jahre 1945 folgendermaßen: „Fast in jedem Städtchen standen Kriegerdenkmäler von 1813, 1866, 1870-71 oder 1914-18, errichtet vom „dankbaren Vaterland“ und den „dankbaren Mitbürgern“. Es gab kaum ein Denkmal für einen Dichter oder Komponisten. Für die Welt war Deutschland einst das Land Goethes, Beethovens und Dürers, aber hier regierten Friedrich, Bismarck und Moltke“ (Kasakewitsch, E., Frühling an der Oder. Berlin, 1953, S. 218 f.).

Dabei waren diese Denkmäler oft geschmacklos errichtet und zerstörten wieder ältere Kulturdenkmäler, wie historisch wertvolle Grabstätten (z. B. auf dem Friedhof von Lancken-Granitz) oder Hünengräber, deren Findlinge entfernt wurden. Proteste der Denkmalpflege verhallten ergebnislos.

Kriegerdenkmal 1914-1918 in Gustow 2010

Kriegerdenkmal 1914-1918 in Gustow 2010

Nach dem ersten Weltkrieg entstanden daneben neue militärische Wehrverbände, die die gleiche Zielsetzung verfolgten. Auch sie propagierten demagogisch einen „Frontsozialismus“ und dienten der Militärkaste.

Aufmarsch des rügenschen „Stahlhelm“ in Sellin im Jahre 1932 (Rügensche Zeitung)

Aufmarsch des rügenschen „Stahlhelm“ in Sellin im Jahre 1932 (Rügensche Zeitung)

Am bedeutendsten war der „Stahlhelm – Bund der Soldaten“. Er wurde im Dezember 1918 vom Hauptmann d. R. und Fabrikanten Franz Seldte in Magdeburg gegen die Revolution gegründet. 1929 umfasste der „Stahlhelm“ 500 000 Mitglieder. Da in ihm das Junkertum, Kleinbürgertum und gewisse Schichten der Landarbeiter vertreten waren, fand er auch auf Rügens beträchtlichen Widerhall. Am 16. September 1928 überfielen „Stahlhelmer“ bei einem Aufmarsch Garzer Arbeiter und verletzten sieben Rot-Front-Kämpfer schwer.

Alle diese Verbände bildeten eine Bürgerkriegsreserve und übernahmen auch die wehrsportliche Ausbildung der Jugend (zum Beispiel im Jungstahlhelm).

Von ihnen führte eine direkte Linie zur faschistischen Machtergreifung. Das zeigt sich auch darin, dass der Gründer des „Stahlhelms“, Franz Seldte, in der ersten gleich zu Beginn der Hitlerregierung ein Ministeramt erhielt.

Es braucht nicht weiter betont zu werden, dass in der damaligen sowjetisch besetzten Zone diese Vereine verboten wurden. Ihr revanchistisches und militärisches Gedankengut ist einer humanistischen und friedliebenden Weltanschauung fremd.

Zu einer genaueren Darstellung der Funktion und Bedeutung der militärischen Wehrverbände auf Rügen können die Heimatforscher und Ortschronisten sicher noch manches Wichtige beitragen.

 

Neuer Jubiläumsvorschlag: 200 Jahre Park von Juliusruh

Zum Historikerstreit: 100 Jahre Badeort Breege (OZ v. 20. März)

(OZ v. 23.4.1992) Eine zusammenfassende Chronik der vorpommerschen Badeorte ist bis heute nicht geschrieben. Archive, Ortschroniken und die mündliche Überlieferung wären sichere Quellen, stehen uns aber nur noch fragmentarisch zur Verfügung und müssten in mühevoller Kleinarbeit aufgearbeitet werden. Darin bestehen bereits die ersten Schwierigkeiten.

Die Frage muss beantwortet werden, was das Gründungsdatum unserer Badeorte bestimmt – die Gründung des Badevereins, der Besuch der ersten Urlauber, die Aufnahme in ein offizielles Bäderverzeichnis oder alio modo? Breege-Juliusruh – wohlgemerkt als Doppelort – müsste meines Erachtens als Gründungsdatum die jüngste Nennung annehmen, und das wäre 1895.

Breege. Dorfstraße mit einheitlichen im niederdeutschen Hallenhaus-Stil errichteten Wohnhäusern 2010

Breege. Dorfstraße mit einheitlichen im niederdeutschen Hallenhaus-Stil errichteten Wohnhäusern 2010

Nun hat die Kommune Breege bereits die 1883 erfolgte Gründung des Bade-Vereins als Ausgangsdatum erwähnt, dessen Aktivitäten sine dubio Juliusruh umfassten. So befestigte der Verein 1889 die Wege zu den Bädern und pflanzte an ihnen über 100 Ebereschen und Linden, die dem Park entnommen wurden. Breege scheint besonders bei den Beamten als Badeort beliebt gewesen zu sein und gewann 1894 an Attraktivität „als nun auch durch Anschaffung von Kohlensäure-Apparaten und Benutzung von Eis ein gutes Glas Bier verabreicht werden“ konnte.

Will man aus verständlichen Gründen keine zweite Jubelfeier 1995 begehen, dann wird man sicher der vor 200 Jahren erfolgten Gründung des ehemaligen Parks von Juliusruh durch Julius von der Lancken (1767 – 1831) gedenken. Jubiläen gehören nun einmal zum Salz in der „touristischen Suppe“.

 

Vor 40 Jahren entstand der Rügendamm

(OZ v. 24.11.1976) Mit dem Ausbau des Verkehrswesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ins besondere im Transit- und Personenverkehr – wurde die Errichtung einer festen Verbindung zwischen Rügen und dem Festland eine lebenswichtige Notwendigkeit. 1863 erreichte man Stralsund von Berlin aus mit dem Zug. Zwanzig Jahre später entstand die Bahnlinie Altefähr-Bergen, verbunden mit der Trajektfähre über den Strelasund.

1909 wurde die Trajektverbindung nach Schweden über Sassnitz in Betrieb genommen. Zu dieser Zeit erfolgten täglich bis zu 90 Fährschifffahrten über den Sund.

Blick in den Hafen von Altefähr 2011.

Blick in den Hafen von Altefähr 2011

Erste Pläne, den Sund mittels Tunnel oder Hochbrücke zu überwinden scheiterten an dem üblichen Geldmangel der Regierung für derartige Projekte. In der Hoffnung auf schwedische Hilfe begann man schließlich 1932 während der Weltwirtschaftskrise stockend mit den ersten Arbeiten, die später meist als Notstandsarbeiten erfolgten und mit der Einweihung am 5. Oktober 1936 abgeschlossen wurden.

Anlegestelle des Trajektes 1974

Anlegestelle des Trajektes 1974

Diese neue Verbindung verkürzte den Personenverkehr um eine Stunde, und den Güterverkehr sogar um 11 Stunden. Zweifellos spielte der Rügendammbau auch eine militärisch-strategische Rolle. Die dann folgende Einbeziehung der Insel in die Aufrüstung des faschistischen Deutschland beweist das. Wenige Tage vor Kriegsende wurde der Rügendamm von zerstörungswütigen Wehrmachtsoffizieren gesprengt. Erst im Oktober 1947 konnte er wieder befahren werden.

Stralsund-Dänholm. Ziegelgrabenbrücke. Wenn die Ziegelgrabenbrücke hochgeklappt wird, um den Schiffsverkehr zu ermöglichen, ist Rügen jedes Mal wieder eine Insel, ganz zum Leidwesen der Kraftfahrer, die dann auf beiden Seiten eine unfreiwillige Pause einlegen müssen. 2010

Stralsund-Dänholm. Ziegelgrabenbrücke. Wenn die Ziegelgrabenbrücke hochgeklappt wird, um den Schiffsverkehr zu ermöglichen, ist Rügen jedes Mal wieder eine Insel, ganz zum Leidwesen der Kraftfahrer, die dann auf beiden Seiten eine unfreiwillige Pause einlegen müssen. 2010

Die Anlage des Rügendammes – die Gesamtlänge wird ursprünglich mit 2 450 Metern angegeben – war in ihrer Zeit eine technische Meisterleistung. Man verbaute 11 800 Tonnen Eisen und Stahl, sowie 48 000 Kubikmeter Beton. Es waren 2,6 Kubikmeter Boden zu bewegen. Der Strelasund zwischen dem Dänholm und Rügen wurde durch eine auf neun Pfeilern ruhende Stahlkonstruktion überbrückt. Die Pfeiler reichten bis zu der Tiefe von 24 Metern Zwischen dem Dänholm und Stralsund errichtete man eine Klappbrücke (nach dem Prinzip des Waagebalkens), die sogenannte Ziegelgrabenbrücke von 270 Meter Länge.

Die 540 m lange Eisenbahnbrücke wurde 1936 als erste voll geschweißte Großbrücke von der Firma Krupp erbaut. Nach der Sprengung durch die flüchtende deutsche Wehrmacht konnte der Damm erst ab Oktober 1947 wieder benutzt werden. 1961 baute man am Widerlager A (Dänholm) ein 42 m langes Überbauteil neu ein. Wegen des wachsenden Zugverkehrs musste im Dezember 1986 die Höchstgeschwindigkeit von 90 auf 30 km/h herabgesetzt werden. Vom 9. bis 13. 5. 1990 wurde der stählerne Überbau der alten Brücke mit Hilfe von Schwimmkränen durch vormontierte Neuteile ersetzt.

Der Rügendamm gehörte bis zum Jahre 2007 zu den am meisten befahrenen Straßen- und Schienenabschnitten. Innerhalb von 24 Stunden passierten damals bis zu 12 000 Kraftfahrzeuge und rund 80 Eisenbahnzüge dieses Nadelöhr. 2004 begann man mit dem Bau einer zweiten, parallel verlaufenden Strelasundquerung, die 2007 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es ist eine mächtige und 4,7 km lange Rügendamm- Brücke, die teilweise 42 m über den Strelasund verläuft und von bis zu 128 m hohen Pylonen getragen wird. Die wurde vom Architekten André Keipke entworfen und am 20. Oktober 2007 durch Frau Dr. Angela Merkel eröffnet (www.stern.de/panorama/ruegendamm-bruecke-zum-vergnuegen-auf-ruegen-600512.html). Gegenwärtig werden beide Rügenzugänge gleichzeitig genutzt.

Stralsund. Blick auf die Ziegelgraben-Brücke des Jahres 1936 und die neue Rügendamm-Brücke des Jahres 2007

Stralsund. Blick auf die Ziegelgraben-Brücke des Jahres 1936 und die neue Rügendamm-Brücke des Jahres 2007

„Wissenswertes in Kürze von Arkona bis Zudar“ und „Vom Badekarren bis zum Strandkorb“

(OZ v. 10.1.1978) „Rügen von A bis Z“ heißt eine lexikonartig aufgebaute Broschüre von Heinz Lehmann und Renate Meyer, die nun bereits in zweiter erweiterter Auflage erschienen ist. Wie der Untertitel verrät, vermittelt das Büchlein „Wissenswertes in Kürze von Arkona bis Zudar“. Es enthält 156 Stichworte über die Geschichte der Insel, ihrer Städte und Dörfer, über Geographie, Geologie und Biologie, über Volkskunde, Dichtung und Malerei, über Schifffahrt, Fischerei, Technik Industrie und über Touristik. Den Autoren ist zu diesem Buch nur zu gratulieren, da nach längerer Zeit wieder ein umfangreicher Überblick über die Insel Rügen gegeben wird.

Natürlich kann man über die Auswahl der Stichworte und über deren Informationsgehalt mitunter geteilter Meinung sein. So haben die Verfasser zwar die gewaltigen ökonomischen und sozialen Veränderungen Rügens in der Ortsgeschichte dargestellt, dennoch wäre es wünschenswert, besonders resümierende Stichworte wie „Landwirtschaft“ und „Tierzucht“, u. ä. einzubauen. Nahezu vergessen worden ist der Sport. Auf Rügen gibt es aber aktiven Motor-, Pferde-, Schach-, Segel- und Ballsport. Erinnert sei auch an das Sundschwimmen oder an die Göhrener Sportakrobaten als ständige DDR-Meister.

Einige Unklarheiten und veraltete Auffassungen (Geschichte und Geologie betreffend) sollten durch Konsultationen mit den entsprechenden Fachstellen behoben werden.

Eine empfehlenswerte Lektüre bildet auch das Buch „Vom Badekarren bis zum Strandkorb“ von Horst Prignitz. Mit großer Sorgfalt, gründlichem Materialstudium und in gelungener Umsetzung (Zeichnungen von Inge Brüx-Gorisch) wird hier der Geschichte des Badewesens an der Ostseeküste nachgegangen. Prignitz bemühte sich um die Wiedergabe von Gemälden, Zeichnungen oder Fotos aus den Anfängen des Badewesens. Die Anfänge dieser Entwicklung auf Rügen (Badeorte Sagard und Putbus) sind sehr detailgetreu wiedergegeben.

Badehaus in der Goor bei Lauterbach. Erbaut vom Fürsten Malte zu Putbus zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Nach 1945 Wohnraum für etwa 40 Personen. Seit 1957 Urlaubszentrum des Eisenhüttenwerkes in Eisenhüttenstadt. Heute privatisiert.

Badehaus in der Goor bei Lauterbach. Erbaut vom Fürsten Malte zu Putbus zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Nach 1945 Wohnraum für etwa 40 Personen. Seit 1957 Urlaubszentrum des Eisenhüttenwerkes in Eisenhüttenstadt. Heute privatisiert.

Nach 1880 entwickelte sich Rügen zum größten Erholungsgebiet an der Ostsee. Im Jahre 1900 gab es bereits 44 000 Badegäste. Als beliebte und auch damals begehrte Ostseebäder galten Sassnitz-Crampas, Binz und Göhren. Besonders Angehörige der Geldaristokratie suchten die teuren Bäder Rügens und Usedoms auf, daneben aber auch Angehörige des Adels, Kaufleute, Gutsbesitzer, Beamte, Handwerker und dergleichen. Die Masse der Bevölkerung hatte auch um 1900 und danach keine Möglichkeit, ins Bad zu fahren, da das Geld fehlte und es noch keine Urlaubsregelung (mit einigen Ausnahmen) gab.

Haus Rheingold. Zu dieser Zeit eine HO-Gaststätte 1984.

Haus Rheingold. Zu dieser Zeit eine HO-Gaststätte 1984.

Prignitz erinnert dazu an den mühevollen Anfang nach 1945. Schwarzhändler und Schieber trieben ihr Unwesen. So wurden für ein Pfund Dorsch 20 bis 30 Mark und für eine Kanne „Muckefuck“ 3,59 Mark verlangt. 1947 begann aber der FDGB-Feriendienst, diesen Auswüchsen ein Ende zu setzen. So wurde der Ostseebezirk zum führenden Urlaubszentrum der DDR. – Ein umfangreicher Anhang und eine Literaturauswahl gestatten weiterführende Studien für Interessenten.

 

Wetterprognosen vor 100 Jahren

(OZ v. 30.1.1976) Kürzlich berichtete die OZ über die verantwortungsvolle Arbeit der 1954 gegründeten Wetterbeobachtungsstation in Putbus. Es dürfte interessant sein, den Anfang der Wetterbeobachtung auf Rügen zu verfolgen. Bereits 1833 errichtete eine „Kaiserlich-russische Chronometer-Expedition“ eine Beobachtungsstation auf Arkona, die sich aber besonders mit dem Verlauf des Meeresspiegels beschäftigte. Eine Wetterwarte mit den der damaligen Zeit entsprechenden Geräten wurde dann 1853 in Putbus gegründet. Später kamen dann einige Beobachtungsstützpunkte in Arkona, Thiessow und dem Wittower Posthaus auf dem Bug hinzu.

Die Putbusser Messungen wurden im 19. Jahrhundert von Lehrern des ehemaligen Pädagogiums sowie vom Uhrmacher Freiberg durchgeführt. Obwohl genaue Direktiven vorlagen, scheinen diese Mitarbeiter ihre Sache nicht immer so genau genommen zu haben. Es wird berichtet, dass sie die letzte Messung (22:00 Uhr) oft vorzogen und das Regenwasser mitunter erst einige Tage im Gerät sammelten, ehe sie es maßen.

Dennoch lassen sich über den Verlauf von 50 Jahren (1855 bis 1902) Grundzüge des Putbusser und damit des rügenschen Wetters feststellen. So besitzt Putbus im Frühjahr und Sommer eine wesentlich geringere Bewölkung als auf dem benachbarten Festland. Dafür gelten der Spätherbst und der Winter als recht feucht. Die Temperatur ist entsprechend dem Seeklima im Sommer abends kälter als am Morgen.

Im Jahresdurchschnitt wies Putbus im 19. Jahrhundert nur 44 sehr heitere, gegenüber 126 sehr trübe Tage auf. Im Vergleich zu anderen rügenschen Orten gilt Putbus als regenreich. So waren im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts im Jahresdurchschnitt 143 Tage verregnet. Die Regenzeit konzentrierte sich allerdings auf den Herbst und Winter, während das Frühjahr niederschlagsfrei blieb.

Eingeschneite Bahnstrecke im Dezember 1978 zwischen Bergen und Saßnitz.

Eingeschneite Bahnstrecke im Dezember 1978 zwischen Bergen und Saßnitz.

Auch der geringe Schneefall hängt mit dem Seeklima zusammen. Im Jahresdurchschnitt sind es nur 32 Tage (vorwiegend Januar bis März) mit Schneefall. Der erste Schnee fällt selten vor dem 15. November, der letzte noch am Ausgang des Aprils.

Auch die Gewittertage wurden damals registriert. Danach gehört Putbus zu den „gewitterarmen“ Orten Mecklenburgs (nur 17 Tage!). Gewitter traten vorwiegend im Juli auf, während Wintergewitter nur in jedem fünften Jahr vorkamen.

Soweit ein Einblick in das Wetter des 19. Jahrhunderts. hat es sich verbessert? Vielleicht können die heutigen Putbusser „Wetterfrösche“ darüber berichten?

 

1904 stand ganz Mönchgut unter Wasser

(OZ v- 31.12.1976) In den Monaten November bis Januar treten nach allgemeinen Erfahrungen an unseren Küsten die meisten „Sturmfluten“ auf. Richtiger müsste man sie Sturmhochwasser nennen, da es keine Fluten im Sinne eines Gezeitenwechsels sind. Nach statistischen Erhebungen trat seit 1044 alle 17 bis 19 Jahre ein größeres und etwa alle fünf Jahre ein kleineres Sturmhochwasser auf.

Bei einem schweren Sturmhochwasser erreicht der Wasserstand mehr als 1,5 Meter über Mittelwasser (MW). Ausgelöst werden diese Naturkatastrophen im Ostseegebiet z. B. durch charakteristische Wetterlagen in Verbindung mit anhaltenden Stürmen aus dem Norden. Das Ausmaß des Hochwassers hängt vom Füllungsgrad des Ostseebeckens ab. So wird bekanntlich bei andauernden Westwinden Nordwasser hineingedrückt, und das kann beim Umspringen des Windes nach Norden nicht so schnell durch Sund und Belt entweichen. Das war 1954 der Fall. Seit dem 27. Dezember 1953 war Nordseewasser in die Ostsee gelangt und hatte sich in deren östlichen Teilen gestaut. Der Wind drehte auf Nord und Nordost und entwickelte sich am 3. Januar 1954 zum Sturmtief.

Thießow, Oststrand 2004

Thießow, Oststrand 2004

Die Flutwelle trifft dann mit voller Wucht die Ostküste Rügens (1904 maß sie  mit 8,5 km/h) und bei Nordwestwinden auch Hiddensee. Hier ist vor allem der Dornbusch gefährdet, der 1904 um 5 bis 15 m verkürzt wurde. Dieses Hochwasser von 1904 gehört mit denen von 1872, 1913/14 und 1954 zu den bedeutendsten Hochwassern der letzten 100 Jahre.

Vom 30. zum 31. Dezember 1904 wurden auf Arkona fast 2 m, in Sassnitz 2,2 m, in Göhren 2,5 m und in Glowe sogar über 3 m über MW gemessen. 1954 erreichte der Wasserstand auf Mönchgut 1,6 m über MW.

Oft ist das Hochwasser mit einem starken Temperaturwechsel und schwerem Schneegestöber verbunden. So war es auch 1904, als die Flut besonders Mönchgut heimsuchte. Am 31. Dezember war die Halbinsel mit Ausnahme seiner Erhebungen gänzlich überschwemmt. Die Dünen am „langen Strand“ waren weggespült – wie auch 1954 – und der Deich in Thiessow zusammengestürzt. Das Wasser stand im Ort 0,7 bis 0,8 m hoch.

Wenige Stunden nach Eintreffen der Flutwelle an der Ostseeküste wird auch das Boddenhinterland erreicht und überschwemmt. Gefährdet war immer das Niederland Hiddensees. In Neuendorf-Plogshagen blieben 1872 von 57 Häusern nur vier unversehrt. Auch 1954 mussten einige Häuser geräumt werden. Teilweise standen die Orte Breege, Dranske und Libitz unter Wasser. Überschwemmt wurden die Chausseen Kuhle – Banz (1904), Garz – Groß Schoritz und Lancken-Granitz – Sellin (1954). Teilweise hatte das Wasser 1954 die Orte Klein-Zicker, Neu-Reddevitz und Lüßvitz eingeschlossen.

 Thiessow, Steinmole am Oststrand 2004.

Thiessow, Steinmole am Oststrand 2004.

Obwohl seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schützende Steinwälle und Deckwerke geschaffen wurden, musste doch für größere Schutzanlagen und ein wirksames Warnsystem gesorgt werden. Am bekanntesten dürfte dabei das fast 2,2 km lange Rauhdeckwerk auf Hiddensee sein. Vor der Ortslage Dranske entstand nach polnischem Vorbild ein T-förmiges Buhnensystem, dessen Standfestigkeit durch 500 Kilogramm schwere Sandsäcke erhöht wurde. Während der letzten 30 Jahre wurden auf Rügen außerdem Boddendeiche mit einer Gesamtlänge von etwa 40 Kilometern geschaffen.

Zwei Münzfunde, die Aufsehen erregten

(OZ v. 31.12.1977/1.1.1978) Die Entdeckung eines Münzfundes von 103 Silber- und Kupferprägungen am 9. März 1978 in der Bergener Vieschstraße gaben viele Zeitungen bekannt. Nach dem 1973 in Ralswiek ausgegrabenen Münzfund ist es nun bereits der zweite größere Münzschatz, der in kürzerer Zeit auf Rügen gefunden wurde.

Der Ralswieker Münzfund wog etwa drei Kilogramm und bestand aus arabischen Münzen, die in der Mitte des 9. Jahrhunderts vergraben worden waren. Sein Besitzer lebte an einem bedeutenden slawischen Seehandelsplatz, der sich in jener Zeit über den heutigen Ortskern von Ralswiek erstreckte. Da die Slawen zunächst noch keine Münzen prägten, verwandten sie als Zahlungsmittel bis zum 10. Jahrhundert arabische Münzen. Diese belegen zugleich einen ausgeprägten Fernhandel, bei dem man an einen Sklavenhandel denken könnte. So erhielt man für den Schatz etwa zehn bis zwölf Sklaven. Er besaß aber auch den Wert von zehn guten Pferden, 30 Kühen oder 100 Schweinen.

Daneben hatten die auf Rügen ansässigen Ranen eine Leinentuchwährung als Äquivalent. Noch im 12. Jahrhundert heißt es: „Nun haben die Ranen kein gemünztes Geld … Was man auf dem Markt kaufen will, erhält man gegen Leinentücher“. Bei den Silbermünzen wurde übrigens nach Gewicht gezahlt. So befanden sich im Ralswieker Münzfund auch zerhackte Prägungen.

Erst der Ranenfürst Jaromar I., der von 1168 bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts regierte, ließ eigene Münzen prägen. Sie trugen sein Konterfei und die stolze Inschrift „Rex Rugionorum“ (König der Rügener).

Der Bergener Münzfund dürfte größere Übereinstimmung mit einem ähnlichen aus Altefähr besitzen. Dieser wurde bereits 1935 entdeckt und enthielt nach seiner Bestimmung durch Professor Suhle, Berlin, 119 Schillinge und Taler in einem Gefäß. Es überwogen sogenannte Doppelschillinge (16 Stück entsprechen einem Taler) mit einem Gegenstempel. Dieser Stempel war erforderlich, um die Gültigkeit und die Umlauffähigkeit der Münzen zu bezeugen. Diese Münzen hat man vermutlich 1638 (jüngste Münze war von 1637) vergraben. Schließlich sei noch ein kleiner Talerfund aus dem Jahre 1957 in Garz erwähnt. Er muss nach 1611 / 1612 vergraben worden sein.

Warum wurden nun diese Münzen im 17. Jahrhundert vergraben, oder, wie in Bergen eingemauert?

Blick in die Vieschstraße in Bergen. Ganz links ist das Haus mit dem Schatzfund. 2005

Blick in die Vieschstraße in Bergen. Ganz links ist das Haus mit dem Schatzfund. 2005

Als der Ort Bergen 1613 sein Stadtrecht für 8 000 Mark – die Mark entsprach acht bis neun Talern – vom pommerschen Herzog erwarb, galt er als verhältnismäßig wohlhabend. Jedoch wenige Jahre später hatten Katastrophen und die Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) dieser Entwicklung ein schnelles Ende bereitet. Stadtbrände äscherten 1621 und 1631 große Teile der Stadt ein, auch wurde Bergen 1629 und 1639 von der Pest heimgesucht.

Die größten Drangsale in der Geschichte Rügens brachten die Kriegszüge der Habsburger unter Wallenstein und der Schweden nach 1627. Zeitweise standen 10 000 Soldaten mit einem umfangreichen Tross auf Rügen. Plünderungen und Brandschatzungen waren an der Tagesordnung. 1630 wird über fehlendes Saatgut geklagt und berichtet, dass die Bevölkerung von Eicheln, Samen und von in Salzwasser gekochtem Gras lebt. Erst 1646 soll es möglich gewesen sein, in Bergen wieder „wohlfeil zu leben“. In diesen unruhigen Jahren wurden die Münzen verborgen. Vermutlich hat man die Besitzer getötet, oder sie verstarben durch die Pest.  1629 gab es allein 800 Pesttote in Bergen.

Münzfunde sind als wichtige Geschichtsquellen auch ein Teil unseres kulturellen Erbes. Sie gelten bei ihrem Auffinden oder bei ihrer Bergung als Volkseigentum (auch der Einzelfund) und sind den zuständigen Museen zu übergeben. Das sei mit allem Nachdruck betont.

Rügen vor fast 200 Jahren

Zwei Drittel der Bevölkerung waren leibeigen und litten unter extremer Ausbeutung

(OZ v. 20.2. und 27.2.1986) Ende des 18. Jahrhunderts, also vor fast 200 Jahren, erschienen die ersten ausführlichen Beschreibungen der Insel Rügen. Die Autoren Karl Nernst (1800) und Johann Jacob Grümbke (1805 unter dem Pseudonym Indigena) zeichneten besonders ausführlich und von großer Bedeutung ein Bild der Entwicklung Rügens. Beide lebten auf Rügen, Nernst vermutlich einige Jahre in Schwarbe. Grümbke war Bergener Bürger und darf als der „Vater der rügenschen Geschichtsschreibung“ bezeichnet werden. Beide besaßen eine universale Bildung, die es gestattete, fast alle Bereiche des damaligen gesellschaftlichen Lebens zu betrachten, womit sie sich auch übrigens wohltuend von mancher späteren Rügenbeschreibung abheben.

Ausführliche Beschreibung der Insel Rügen durch J. J. Grümbke 1819

Ausführliche Beschreibung der Insel Rügen durch J. J. Grümbke 1819 

Auf Rügen, das bis 1815 zum Schwedischen Reich gehörte, waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch ausgeprägte feudale Verhältnisse vorhanden. Von den über 27 000 Einwohnern Rügens galten fast 18 000 Leibeigene als völliges Eigentum der Grundherrschaft. Der Erbherr konnte nach gültigen Gesetzen, die bis 1616 zurückreichten, den Leibeigenen „verpfänden, gegen Vieh tauschen, ihm Hof und Acker nehmen und über ihn Recht sprechen“. Harte Strafen standen auf alle „Vergehen“. Besonders verbreitet war die Züchtigung mit der Peitsche oder der „Ganten“. Bei heimlicher Flucht „soll ihm (dem Leibeigenen) ein Brandmal auf die Stirn gebrannt werden“. Leibeigen und einer strengen Fron unterworfen waren fast alle Landbewohner, so z. B. fast 99 Prozent der Bevölkerung Jasmunds. Lediglich in den Städten Garz und Bergen sowie in den sogenannten Flecken Gingst und Sagard und einigen größeren Dörfern (Altenkirchen, Middelhagen) gab es Freie.

Nernst und Grümbke führten eine Vielzahl von Hand- und Spanndiensten sowie Naturalabgaben und Geldsteuern auf, die die Bevölkerung bedrückten und ihre große Armut und Unwissenheit belegten. Nernst fiel die besondere Armut der Hiddenseer auf: „Die Armuth wohnt hier und das Elend. Nicht selten begegneten uns zerlumpte Kinder, welche mit wahrem Heißhunger in ein Stücklein gedörrten Fisches bissen, wovon sie immer eine Portion mit sich führen“. Auch Grümbke empörte sich über diese Zustände: „Denn der Druck der Knechtschaft macht das Gemüth feige und schlecht, … weil er nichts hat, was ihm die Mühen des Lebens erleichtern, was ihn trösten und über sein Schicksal erheben kann“. Diese Situation extremer Ausbeutung und Verdummung der arbeitenden Schichten füllte noch viele der folgenden Jahrzehnte.

Titelblatt des Buches „Das alte Pommern“ von Schleinert und Wartenberg 1995.

Titelblatt des Buches „Das alte Pommern“ von Schleinert und Wartenberg 1995.

Der Adel stellte den größten Teil der Großgrundbesitzer. Ihm gehörten auf Rügen 380 Ortschaften, Dörfer, Vorwerke usw. Den übrigen Besitz teilten sich das königliche Domanium und die Stadt Stralsund (mit ihren Kirchen und Klosterstiftungen). Die größten Besitzer waren die Grafen von Putbus (damals noch nicht im Fürstenstande) und die schwedischen Grafen von Brahe auf Spyker, denen die Hälfte von Jasmund gehörte mit einem Jahresgewinn von etwa 10000 Reichstalern.

So konnte Grümbke dann sagen: „ Im Ganzen herrscht unter dem Adel viel Wohlstand…“ Dieser Adel besaß die Zollfreiheit, war von sämtlichen Erhebungen finanzieller Art befreit und hatte eine eigene Gerichtsbarkeit über seine Untertanen. Er bildete die „Rügianische Ritterschaft“ mit einer besonderen Uniform (gelbe Hosen, dunkelblauer Rock) zu besonderen Anlässen.

Einen besonderen Stand verkörperte die Geistlichkeit, die gleichfalls bestimmte Abgaben von der Landbevölkerung erhob, aber auch über ein meist beträchtliches Ackerwerk verfügte, wonach „die Pfarrstellen größtenteils sehr einträglich“ waren (Grümbke). Um 1800 gab es auf Rügen einige sehr bedeutende Prediger, von denen Picht in Gingst, Kosegarten in Altenkirchen und Schwarz in Wiek eine bleibende Bedeutung erlangt haben.

Der Hauptwirtschaftszweig wurde durch die Landwirtschaft gebildet. Besonders hohe Getreideerträge, die nach Stralsund verschifft wurden, erzielte man auf Wittow. Hier begann man um 1800 auch mit dem Anbau von Klee und Wicken. Die Fruchtfolge war die sogenannte Schlagwirtschaft: Winterkorn (Weizen oder Roggen) – Gerste – Erbsen – Gerste – Hafer – Brache (Klee).

Ackerfeld bei Bergen 1960

Ackerfeld bei Bergen 1960

Die Rinderzucht wurde durch die Anlegung sogenannter Holländereien sehr vergrößert und durch den Ankauf fremder Zuchttiere auf den großen Gütern verbessert. Noch im argen lag die Schafzucht trotz weiter Heideflächen, die es auf Rügen noch gab, und die heute entweder aufgeforstet oder Ackerland sind. Erinnert sei an die Boldevitzer, die Patziger und die Ralswieker Heide. Auch die Schaabe, die Schmale Heide und die Landschaft um Sehlen waren damals noch Heideland.

 

Wann wurde Rügen von Menschen besiedelt?

(OZ v. 24./25.12.1977) Erst mit dem Rückzug der eiszeitlichen Gletscher und einer fühlbaren Erwärmung entwickelte sich in unserer Heimat eine natürliche Umwelt, die den Menschen geeignete Lebensbedingungen schuf. So löste sei dem 8. Jahrtausend v. Chr. eine Waldsteppe aus Kiefer, Birke und einem erlen- bzw. haselreichen Eichenmischwald die bisherige tundrenartige arktische Flora ab. Damit zogen Reh, Rothirsch, Wildschwein, Elch und Ur als wichtigste Jagdtiere ein. Geweihe und Schaufeln einiger dieser Tiergattungen wurden in den Mooren von Frankenthal und Vilmnitz gefunden.

Lietzow. Ortseingang mit Hinweis auf die mittelsteinzeitliche Lietzow-Kultur 2010.

Lietzow. Ortseingang mit Hinweis auf die mittelsteinzeitliche Lietzow-Kultur 2010

Rügen gehörte in dieser Zeit zu einem großen Landmassiv im westlichen Ostseebecken. Unsere Ostsee war damit ein abgeschlossener Süßwassersee (sog. Ancylus-See), dessen Ufer nördlich und östlich von Rügen (etwa im Arkonabecken) verlief. Im 8. Jahrtausend wanderten nun die ersten Menschen über diese Landverbindung – vermutlich aus dem dänisch-südschwedischen Raum – in das rügensche Gebiet ein. Bisher lassen sich ihre Siedlungsspuren nur in Tetel, Augustenhof und am Bergener Nonnensee nachweisen (B. Grams, Das Mesolithikum im Flachland zwischen Elbe und Oder. Berlin, 1973). Das waren dann gewissermaßen die ältesten Orte Rügens.

Seit dem 6. Jahrtausend veränderte sich die natürliche Umwelt in erheblichem Maße. Jetzt erfolgte ein Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter, so dass die Ostsee im 4. Jahrtausend den heutigen Küstenverlauf erreichte. Allerdings bestand Rügen nun aus mehreren Inseln (Wittow, Jasmund, Mönchgut usw.), deren verbindende Haken und Nehrungen (Schaabe, Schmale Heide, Bug) sich erst ausbildeten.

Aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. kennen wir inzwischen eine größere Anzahl von Siedlungsplätzen, deren Bewohner offenbar einer Wald- und Meerestierjagd nachgingen. Ausgrabungen bei Lietzow durch den Potsdamer Museumsdirektor Dr. Gramsch vor einigen Jahren erbrachten den Nachweis von Rothirsch, Wildschwein, Fischotter, Ur, Seehund, Wildpferd, Fuchs, Hund, Schwan und Reh als Jagdtiere. Angelhaken und Knochenspitzen lassen auf eine Angel- und Stechfischerei (besonders auf Hecht) schließen. Unklar bleibt leider der zeitliche Beginn dieser Kultur, da ihre Anfänge vom ansteigenden Meer überspült wurden und in erheblicher Tiefe liegen. Die Lietzow-Kultur endete vermutlich um 4000 v. Chr.

Feuersteingerät der Lietzow-Kultur vom Fundort Saiser-Buddelin. Klinge mit einer sogenannten Kantenretuschierung. Als Schneidegerät genutzt (nach B. Gramsch 1989, Archäologie in der DDR, Teil 2, S. 355 Abbildung)

Feuersteingerät der Lietzow-Kultur vom Fundort Saiser-Buddelin. Klinge mit einer sogenannten Kantenretuschierung. Als Schneidegerät genutzt (nach B. Gramsch 1989, Archäologie in der DDR, Teil 2, S. 355 Abbildung) 

Die wichtigsten Rohmaterialien bildeten Feuer- und Felsgesteine. Feuerstein lagert auf Rügen als senonischer Flint in den Kreideschichten.

Kreideabsturz mit deutlichen Feuersteinbändern. Man nutzte nur den „bergfrischen“ Feuerstein 1993

Kreideabsturz mit deutlichen Feuersteinbändern. Man nutzte nur den „bergfrischen“ Feuerstein 1993 

Damit entwickelte sich Rügen zu einem Rohstofflieferanten, dessen Bedeutung noch in den folgenden Jahrhunderten an Bedeutung gewann. Der Feuerstein ist spaltbar, hart und scharfkantig. Er diente zur Herstellung von Kleingeräten, wie Pfeilspitzen oder Sticheln, und Großgeräten. Erstmals tritt uns jetzt das Beil als Gerät entgegen. Da diese Beile aus einem Feuerstein-Kern geschlagen wurden, nennt man sie Kernbeile. Sie wurden noch nicht geschliffen und wirken daher etwas plump.

Feuersteingerät der Lietzow-Kultur vom Fundort Saiser-Buddelin. Kernbeil aus einem Rohling geschlagen (nach B. Gramsch 1989, Archäologie in der DDR, Teil 2, S. 355 Abbildung)

Feuersteingerät der Lietzow-Kultur vom Fundort Saiser-Buddelin. Kernbeil aus einem Rohling geschlagen (nach B. Gramsch 1989, Archäologie in der DDR, Teil 2, S. 355 Abbildung)  

Aus dieser mittleren Steinzeit fehlen bisher Grabstätten, ebenso wenig kennen wir die Siedlungen. Die Menschen lebten vermutlich in Schilfhütten, vielleicht aber auch in Fellzelten (ähnlich den Eskimos). Die Bevölkerung Rügens scheint in dieser Zeit nur einige hundert Menschen umfasst zu haben.

 

Die Jaromarsburg von Arkona ein welthistorisches Denkmal

Über Wittows Geschichte und Touristik seit über 400 Jahren

(OZ v. 27.2.1992) Das Nordkap Rügens, die beiden Leuchttürme und der slawische Burgwall „Jaromarsburg“ gehören, seit Rügen durch den Tourismus entdeckt wurde, zu den beliebtesten Reisezielen. Der Burgwall ist bereits zu erheblichen Teilen den Sturmfluten zum Opfer gefallen.

Obwohl er als welthistorisch bedeutendes Denkmal eigentlich allen Rüganern bekannt sein sollte, wurden erst kürzlich, unbegreiflicherweise beträchtliche Abtragungen auf den verbliebenen Erdwällen durch örtliche Verwaltungen vorgenommen.

Blick von der Wall-Innenseite nach Norden auf den Erdwall mit zahlreichen modernen Aufbauten 1967

Blick von der Wall-Innenseite nach Norden auf den Erdwall mit zahlreichen modernen Aufbauten 1967

Die nun durchgeführte Planierung des Erdwalles als Spazierweg hat das charakteristische Aussehen der Umwehrung schwer geschädigt. Hoffen wir, dass die weiteren historischen Bauwerke und Monumente Rügens vor ähnlichen Entstellungen bewahrt werden!

 „Das Swantevit-Heiligtum“

Blick vom damaligen Fischerdorf Vitt auf den slawischen Burgwall 1967

Blick vom damaligen Fischerdorf Vitt auf den slawischen Burgwall 1967

Die „Jaromarsburg“ stellte das zentrale Heiligtum der Westslawen im 12. Jahrhundert dar und ist den historisch interessierten Russen, Polen, Tschechen durchaus als Denkwürdigkeit bekannt. Die Slawen verehrten die vierköpfigen bzw. viergesichtigen Gottheit Swantevit, der die Zukunft weissagte und dessen hölzernes Abbild in einem besonderen Tempel stand. Als die Dänen das Götzenbild umstürzten, soll der Sage nach der Böse in Gestalt eines schwarzen Tieres entwichen sein.

Arkona im Jahre 1564

Arkonas Bedeutung als Tempelburg hatte sich durch das ganze Mittelalter als Sage erhalten. So erzählte man sich, dass hier eine große See- und Handelsstadt gestanden habe, die aber durch eine große Flut verschlungen wurde. Zuweilen soll sie aus dem Meer wieder auftauchen, und es sollen an jedem Ostermorgen die Glocken läuten. Der Heimatforscher Prof. Alfred Haas (1860-1950) hat diese Sage in Breege erfahren.

1564 machte sich der Bürgermeister Johann Lübbeke (geboren um 1520) auf die beschwerliche Reise von Treptow an der Rega (heute. Trzebiatów/Polen) nach Arkona. Er war einst Professor in Kopenhagen und weit gereist. Das wären 2014 vor 450 Jahren!

In Dänemark hatte er von der Eroberung Arkonas im Jahre 1168 gelesen und wollte nun „die einstige Hauptstadt Rügens“ kennen lernen. Allerdings war er enttäuscht, denn „was ich am 17. Oktober (1564) von den Trümmern des zerstörten Arkona habe sehen können, ist nur dürftig. Alles Übrige ist so völlig und vom Grunde aus zerstört, dass Äcker daraus geworden sind und solche zwischen Sand, Ziegel- und Kieselsteinen bebaut werden.“

Bereits damals hieß die Burg „Jaromarsburg“. Ihren Namen erhielt sie nach dem ersten geschichtlich überlieferten Fürsten Jaromar I. (gestorben 1218) von Rügen, der sich zum Christentum bekannte und in Bergen Kirche und Kloster erbauen ließ.

 Schutz und Erhalt des Burgwalls
(Die folgenden Textpassagen wurden im Sommer 2013 nachgesetzt, da sie wesentliches zur Geschichte des Burgwalls aussagen)

Bereits in den 1960er Jahren traten erhebliche Küstenverluste am Nordkap auf. Auf einer internationalen Tagung zum Denkmalschutz in Weimar äußerte mit anderen wichtigen osteuropäischen Denkmalpflegern der führende sowjetische Prähistoriker Akademie-Mitglied Prof. Dr. Rybakow (1908-1993) seine Sorge um den Erhalt des westslawischen Heiligtums und sprach sich für eine Verantwortung des deutschen Staates zum Schutz des erhaltenen Burgwalls aus. Man errechnete zwischen 1826 und 1978 einen Küstenverlust in Arkona um 30 m bis 40 m.

Der Verfasser dieses Textes wurde entsprechend beauftragt und gab damals zwei Vorschläge zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes gegen maritime Kräfte. Eine Schutz-Variante war das Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Fußes. Strand hätte aufgeschüttet und eine Molensteinpackung mit Kunststoff-Asphaltunterbau errichtet werden müssen. Derartige Bauten entstanden damals in Kühlungsborn. Eine weitere Variante zum Küstenschutz bildet ein Steinwall als Wellenbrecher.

Allerdings ist der Burgwall Arkona auch durch Oberflächenwasser (Quell- und Sickerwasser), das auch abzufangen wäre, durch die Lage der gleitenden Kreidescholle auf Wasser stauenden Tonbändern bzw. Mergel sowie durch Störungen der das Regenwasser aufnehmenden Flora durch Urlauber gefährdet. Nachdem bereits Anpflanzungen des Wallinneren in den Jahren 1962 und 1963 verhindert werden konnten, wurde nach 1973 ein Küstenschutzwald aufgeforstet. Ein eigentlicher Küstenschutz war zu DDR-Zeiten aus finanziellen Gründen nie erwogen worden, zumal ein Steinwall auch Strömungsversetzungen in die Tromper Wiek auslösen würde. Ob gegenwärtig derartige Gedanken aufgenommen werden?

Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes. Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Deckwerkes zur Sicherung des Klifffußes und des Strandes. Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Steinwalles als Wellenbrecher, Entwurf A. Leube, 1978

Regelprofil eines Steinwalles als Wellenbrecher, Entwurf A. Leube, 1978

Ausgrabungen 1969-1971

Unter der örtlichen Grabungsleitung des kürzlich verstorbenen Prähistorikers Dr. Hansdieter Berlekamp (1930-2010) fanden zwischen 1969 und 1971 archäologische Ausgrabungen an den gefährdeten Uferhängen des Burgwalles statt, die sich leider nur auf sondierende Suchgräben und kleinere Flächenabdeckungen beschränkten. Damals rekonstruierte man zwei Holz-Erde-Wälle und vermutete, dass der slawische Kultplatz bereits abgestürzt sei.

Arkona auf Rügen. Rekonstruktionsversuch einer zweiteiligen Burg des 9. und 10. Jahrhunderts mit einem Tempel. Entwurf A. Leube 1978

Arkona auf Rügen. Rekonstruktionsversuch einer zweiteiligen Burg des 9. und 10. Jahrhunderts mit einem Tempel. Entwurf A. Leube 1978

Nach 1990 setzten wegen weiterer Küstenabstürze verschiedene archäologische Ausgrabungen an, die auch gegenwärtig noch andauern. Zunächst grub der nicht nur auf Rügen bekannte Dipl.-Prähistoriker Peter Herfert, Bergen, der zu völlig neuen Erkenntnissen gelangte und der Meinung war, dass der slawische Kultplatz noch erhalten geblieben ist. Zahlreiche Studierende der Vor- und Frühgeschichte konnten dabei in „Top-Lage“ ihr berufliches Handwerk erlernen.

Arkona. Grabungssituation des Jahres 1998. Im Vordergrund der Student des Seminars für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität zu Berlin Georg Leube

Arkona. Grabungssituation des Jahres 1998. Im Vordergrund der Student des Seminars für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität zu Berlin Georg Leube