(OZ v. 20.1.1978)
Alte Straßennamen erinnern an historische Ereignisse
Straßen- und Ortsnamen können uns interessante Hinweise zur Geschichte und Wirtschaft sowie zu historischen Ereignissen geben. Sie sind damit als Geschichtsquellen von Bedeutung.
Die Stadt Bergen trägt ihren Namen nach ihrer markanten Geländelage auf dem eiszeitlichen Rugard-Massiv, etwa 60 bis 80 Meter über dem Meeresspiegel. In ältesten Überlieferungen trägt der Ort noch die slawische Bezeichnung „Gora“, die sich auch in Goor und Göhren erhalten hat und gleichfalls „Berge“, „Berg“ bedeutet. Seit 1278 hat sich dann der Name „Berghe“ oder „Berchenn“ durchgesetzt.
Verschiedene Geschichtsforscher vermuten, dass die heutige Stadt aus drei kleineren Orten erwuchs. So unterschied man 1314 zwischen einer „villa montis“ (sie entspricht dem Dorf bzw. der Ansiedlung Bergen) und der „villa Gatemin“, d.h. dem Dorf Gatemin. „Villa“ ist die lateinische Bezeichnung für eine kleine Ansiedlung. Eine weitere Ansiedlung unbekannten Namens könnte am „Goldenen Blinken“ gelegen haben, wobei der freie Platz möglicherweise den alten Dorfanger darstellt.
Genaueres lässt sich den alten Urkunden leider nicht entnehmen. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass bei Schacht- und Erdarbeiten in der Stadt Bodenfunde, wie altertümliche Scherben, Metallgeräte, Münzen, Findlingsmauern und ähnliches, wertvolle stadtgeschichtliche Hinweise geben können.
Erst durch Bodenfunde wissen wir, dass Bergen wirklich in diesen Stadtteilen im 12. Jahrhundert bewohnt war.
Einen der ältesten Sakralbauten im Norden Deutschlands bildet die Marienkirche. Sie wird bereits 1193 mit einem Nonnenkloster geweiht. Ein halbes Jahrhundert später wird der Marktplatz, zu DDR-Zeiten „Karl-Marx-Platz“, als „forum principale“ (etwa „fürstlicher Markt“) erwähnt. Hier lag auch eine Gastwirtschaft, die bereits 1232 als „taberna in Gora“ in den Urkunden auftritt.
Die Straßennamen wechselten in jüngster Zeit mehrfach. In der DDR-Zeit gingen z. B. von den vier Ecken des unregelmäßigen Marktplatzes die Vieschstraße, die Straße der Solidarität, die Straße der Jugend, die Dammstraße und die Calandstraße als ursprünglich bedeutendste ab.
Die in der DDR-Zeit als „Straße der Jugend“ bezeichnete Straße war die ursprünglich nach Jasmund führende „Raddaser Straße“. Sie gewann erst nach dem Bau der festen Landverbindung bei Lietzow 1868 an Bedeutung. Davor verlief sie als Feldweg. In ihrem oberen Teil war sie jedoch bereits Anfang des 17. Jahrhunderts gepflastert.
Die Calandstraße. Die Verbindung nach Gingst und Trent verlief zunächst über die Calandstraße und den unteren Teil der heutigen Bahnhofstraße, die wiederum „Gingster Straße“ oder noch früher „lange Gasse“ genannt wurde. Die Calandstraße hat eine interessante Vergangenheit. Hier befand sich das Haus der rügenschen „Caland“, einer katholischen Brüderschaft. Sie traf sich jeden ersten Tag im Monat, dem sogenannten „calandae“. Dieser Caland wird bereits im 14. Jahrhundert genannt und löste sich mit der Reformation im 16. Jahrhundert auf. Er hatte sich zum Schluss zu einer Adelsverbindung – offenbar unter der Leitung der Putbusser Fürsten – entwickelt, die hier Zechgelage abhielten. Als Sitz des Caland vermutet man die Grundstücke Calandstraße 3-4.
Die Dammstraße. Sie trägt ihren Namen nach dem Steindamm, denn nicht jede Straße war in der Stadt gepflastert. Sie wird am 11. Oktober 1621 zum ersten Mal erwähnt, als die hier gelegenen Häuser einem Stadtbrand zum Opfer fielen. Über die Dammstraße, dann entlang der Stralsunder Straße führte vor dem Chausseebau die Verbindung nach Stralsund.
Die Straße der Solidarität. Sie führte zur alten Mönchguter Landstraße, die der heutigen Bäderchaussee zum Teil entspricht. Sie hieß früher „Königstraße“ und wird so um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwähnt. Da der Name sich nicht erklären lässt, könnte es sich um die allgemeine Bezeichnung einer Hauptstraße, die im Mittelalter als „Königsstraßen“ (via regia) bezeichnet wurden, gehandelt haben.