Archiv für den Monat: Mai 2013

„Ratskeller“ mit 750jähriger Tradition (1232-1987)

(OZ v. 25.1.1978)

Zur Geschichte des „Ratskellers“

Vieles spricht dafür, dass das 1232 in Bergen erwähnte Wirtshaus an der Stelle des heutigen „Ratskellers“ lag.

Derartige „Krüge“ bildeten in ihrer Zeit wichtige gesellschaftliche Zentren, da hier Gericht gehalten wurde. Auch verkaufte man in ihnen, erhob die fürstlichen Steuern und ähnliches. 1306 pachtete ihn ein Bürger „Heinrich“, drei Jahre später erfolgte bereits ein Besitzwechsel an einen „Tezicze“. Übrigens hatte der Ort Bergen 1506 immerhin 14 derartige „Krüge“!

Restaurant „Ratskeller“ in Bergen 1992

Restaurant „Ratskeller“ in Bergen 1992

Der Hauptkrug wurde 1614 von der Stadt erworben und zum Rathaus umgebaut, wobei man in den unteren Räumen weiterhin eine Schankwirtschaft betrieb. Erst 1862 baute die Stadt das heutige Rathaus am Markt. Das Gebäude Markt Nr. 27 erhielt nun den Namen „Hotel zum Ratskeller“.

So hat sich der Stadtkern mit seinem Straßenverlauf im Wesentlichen bis in die Gegenwart erhalten. Mit der Industrialisierung am Ausgang des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts begann dann die Bebauung der Bahnhof- und der Ringstraße.

In jüngster Zeit hat man den älteren Häusern am Markt und in der Marktstraße durch modernen Farbputz zu einem freundlichen Aussehen verholfen.

Die Billrothstraße. Sie erhielt ihren Namen erst 1896 nach dem hier geborenen Mediziner Billroth. Im Mittelalter endete sie in der Höhe des Gerichtes mit dem Klosterbesitz als Sackgasse. Daher stammt auch der frühere Name „Klosterstraße“. Er wurde um 1800 von der Bezeichnung „Joachimsberg“ abgelöst. Die Anhöhe des heutigen Joachimsberges hieß ursprünglich „Gauenberg“, daraus plattdeutsch „Jochbarg“ und schließlich „Joachimsberg“. Das Wort „Gauenberg“ ist verballhornt aus „Goigenberg“ und bedeutet Papageienberg. Der Papagei war jener hölzerne Vogel, den die Schützengilden des Mittelalters auf ihren Schützenfesten für den Titel des Schützenkönigs aufbauten. Eine Bergener Schützengilde (de Schütting) gab es seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Sie war eine feste gesellschaftliche Organisation von Bürgern, Bauern und Knechten, auch aus der Umgebung der Stadt, mit der Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe. Adlige durften nicht beitreten.

Geburtshaus von Theodor Billroth in Bergen 2008

Geburtshaus von Theodor Billroth in Bergen 2008

Die Vieschstraße. Sie führt über den „Rugard“ zur Bootsstelle, der ursprünglichen Fischereistelle Bergens. Man hat sie daher oft als „Fischerstraße“ gedeutet. Vielleicht lässt sich der Name aus dem slawischen “vysoki“, deutsch hoch – also „Hohe Straße“ – herleiten.

Der Goldene Brinken ist eine Erweiterung der „Bahnhofstraße“. Bereits 1667 wurde er als „Güldenbringh“ erwähnt. Hier befand sich das „Gildehaus“ der Bergener Handwerkerzünfte.

Die Wasserstraße im Gatmund (dem ursprünglichen Dorf Gatemin) mit einer noch einheitlich erhaltenen Bebauung kleiner Traufenhäuser führte längere Zeit zum einzigen Trinkwasserbrunnen Bergens Erst 1846 kam in der Dammstraße ein weiterer hinzu.

Der Marktplatz (zu DDR-Zeiten „Karl-Marx-Platz). Markt wurde in Bergen sehr früh gehalten. Jedoch Genaueres erfahren wir erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es gab drei Jahrmärkte, Wochenmärkte und zwischen dem 24. August und dem 6. Dezember noch einen regelmäßigen Viehmarkt. Die Bergener hatten übrigens ein Vorkaufsrecht. Erst nach ihrer Befriedigung konnten die „Butenbarger“ einkaufen. Der Marktplatz war früher größer, da die Gebäude der heutigen Poliklinik (in der Mitte des 19. Jahrhunderts) und der Post (1891) hineingebaut wurden.

Jagdverbot bei „Pein des Halses …“

(OZ v. 19.3.1976)

Alte Jagdgeschichten

In den früheren Jahrhunderten hing die Jagd natürlich von dem vorhandenen Wildbestand sowie von den Jagdwaffen und -methoden ab. So barg man aus der Steinzeit Rügens (vor etwa 5000 Jahren) sogenannte Vogelpfeile, die die Jagd auf Wasservögel belegen. Das ist bei dem Reichtum Rügens an Land- und Wasservögeln nicht verwunderlich. Im 14. Jahrhundert gehörten erlegte Wildgänse und Schwäne zur Festtafel des Hochadels.

Ausgrabungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin vor einigen Jahren auf dem slawischen Burgwall von Arkona erbrachten den Nachweis einer außerordentlich vielseitigen jagbaren Tierwelt auf und um Rügen im 9. bis 12. Jahrhundert. Hier sollen nur genannt sein: Hase, Hirsch, Kegelrobbe, Reh, Bergente, Bussard, Habicht, Kormoran, Rebhuhn, Schlangenadler, Stock- und Eisente sowie Turmfalke. Erst der Übergang von Grund und Boden in Privateigentum – zunächst des Ackers, später auch der Wälder und Heiden – machten dem Recht des einzelnen, Wild zu erlegen, ein Ende. Aus dem 16. Jahrhundert sind für Rügen außerordentlich harte Jagdgesetze überliefert.

Neben den „Jagdgehölzen“ der Adligen diente die Halbinsel Wittow im 16. Jahrhundert den pommerschen Fürsten als Hasengehege. Hier durfte, wie die Gesetzessammlung aus dem Jahre 1546 vorschrieb, niemand „jagen, Netze stellen, Stricke nach dem Hasen legen, Hetzen mit großen Hunden, nicht schießen oder werfen, wenn sie ihm schon in den Kohlgarten gingen, bei der Pein des Halses …“ . Wer einen Hund hielt, musste ihm eine Vorderpfote abschlagen lassen. Als Mindeststrafe bei Verstößen galten 60 Mark. Sie entsprachen dem sogenannten Bruchgeld, das man für einen erschlagenen Bauern zu zahlen hatte! Diese menschenverachtende Gesetzgebung übertraf damit die wegen ihrer Härte berüchtigten alt-englischen Jagdgesetze und ist Ausdruck der absolutistischen Herrschaft des Adels im Feudalismus.

Die Stubnitz war das Jagdrevier für das Hochwild, worunter Rot- und Damwild zu verstehen sind. Auch in der Nähe der Stubnitz durften nur dreibeinige Hunde gehalten werden. Weitere Jagdgebiete des Adels lagen bei Garz, Rosengarten und Gützlaffshagen. Bekannt ist auch, dass die Granitz mit ihrem Jagdschloss ein eingehegtes Jagdrevier der Herren von Putbus besaß, das nur durch feste Torhäuser zugängig war.

Da das waldreiche Rügen die pommerschen Fürsten zu ständigen Jagden animierte, ließen sie in Bergen als „anständige Wohnung“ zwischen 1605 und 1611 ein Schloss errichten, das allerdings bereits 50 Jahre später verfallen war. Es stand auf dem Terrain des späteren Rates des Kreises. Damals wollten die pommerschen Fürsten Rehe anstelle der Hirsche aussetzen, die es auf Rügen nicht mehr gab, und die noch 1860 in der Stubnitz unbekannt waren.

Wolfsjagd auf „Preesters rugen Hund“

Am bedeutendsten waren damals Wolfsjagden. Der Wolf war nach der Verödung durch den dreißigjährigen Krieg wieder eingewandert und erst 1697 auf Rügen erneut ausgerottet.

Ein zeitgenössisches, sehr verbreitetes Scherzlied um 1655 verspottete die „Wolfsjagd“ einiger Rügenschen und Stralsunder Edelleute, die zum Schluss nur „Preesters ruden Hund“ erlegten. Darin wurden Feigheit, Frömmelei, Raffsucht, Geiz und Modetorheit der von Ahnen, Barnekow, von Bohlen, von Gagern, von Lancken usw. mit bissiger Ironie dargestellt.

1857 hatte Sassnitz etwa 200 Badegäste

(OZ v. 10.6.1987)

Zu den Jubiläen, die Sassnitz in letzter Zeit beging, gehört auch der 150. Jahrestag als Badeort. Zwar wird allgemein1824 als Gründungsjahr angesehen, doch scheint sich ein kontinuierlicher Besuch durch Badegäste erst 1835 durchgesetzt zu haben. Demnach beging die Stadt 1985 eine bemerkenswerte Jubelfeier. Wenngleich Saßnitz inzwischen ein anderes Gesicht erhielt und der Schwerpunkt des Wirtschaftsgeschehens im Fährverkehr und in der Fischerei zu sehen ist, kündet doch das östliche Stadtbild – besonders das alte Saßnitz – von dieser einst prägenden Geschichte.

1857 hatte Sassnitz (ohne das westlich gelegene Crampas) etwa 200 Badegäste. Wenige Jahre später errichteten die Fischer Hinrich Kruse und Karl Ruge auch die ersten ein- bis zweistöckigen Steinhäuser. Es ist ein Kennzeichen Sassnitzer Entwicklung, dass der Hotel- und Villenbau zunächst und wohl auch im Wesentlichen von den einheimischen Fischer- und Bauernfamilien getragen wurde. Größere Bodenspekulationen erfolgten meines Wissens nur in Crampas (z. B. im Gebiet der heutigen Walterstraße) durch eine „Stralsunder Gesellschaft“.

Als ältestes Hotel gilt der am Steinbach gelegene „Sassnitzer Hof“, der bis etwa 1924 den Namen „Hotel Bristol“ trug und ursprünglich als Küsters Hotel oder Restaurant (plattdeutsch Küsters resterie) bekannt war und bereits 1853 häufig aufgesucht wurde. Der Besitzer Magnus Küster (gestorben 1881) war zugleich auch Inhaber der umfangreichen Kreidefabrik. Nur in den unteren Räumen befanden sich Gastzimmer. Die oberen beiden Stockwerke dienten als Trockenschuppen für die Kreide. Erst 1875 wurde das Gebäude zu einem Hotel ersten Ranges ausgebaut.

Magnus Küsters Sohn Malte (gestorben 1913) übernahm das Erbe und wurde der reichste Mann im Ort. Er war aber auch der bestgehasste Mann in Sassnitz, wie ältere Quellen berichten, da einmal seine Steuern nach Crampas flossen (der „Sassnitzer Hof“ lag auf Crampasser Gemarkung) und das Ansehen von Sassnitz als Badeort durch die kahlen Kreideberge und die weißen Kreideabwässer litt. Malte Küster ließ andererseits den Kurplatz aufschütten und befestigen. Hier war ursprünglich eine Meeresbucht. Oberhalb der Ufermauer errichtete er 1894 das Restaurant „Bieramare“ (später „Miramare“). Da er mit der Gemeinde Sassnitz wegen der Ausdehnung des Kreideabbaues in die Forst Stubnitz verfeindet war, ließ er später einen Zugang durch „Miramare“ auf zwei Meter Breite verengen und mit einem Drahtzaun verkleiden. Es wird berichtet, dass die Gäste durch sein Grundstück wie in einem Käfig gingen und bei Regenwetter mit einem Schirm sein Grundstück meiden mussten. 1905 verkaufte er dieses Grundstück schließlich für eine erhebliche Summe an die Gemeinde.

Bedeutsame Pforte am Joachimberg

(OZ v. 24.3.1992)

Von 12 kunsthistorisch wertvollen Türen ist in Bergen nur eine übrig geblieben

Türen an einem Haus verraten den künstlerischen Geschmack und die Liebe des Hauseigners zu seinem Besitz. So kann die Tür durch ihr Aussehen und ihre Gestalt eine erste Mitteilung geben, wie der Besucher empfangen wird. Schöne alte, liebevoll gepflegte Türen findet man z. B. in Prerow, oder auf Bornholm, in Schleswig-Holstein und Friesland.

1963 haben die beiden Schweriner Kunsthistoriker Dr. Ohle und Dr. Beier in Bergen noch 12 alte Haustüren erfasst. Es waren einfach und schlicht ausgeführte Arbeiten, mit klassizistischen Kunstelementen, wie Rosetten, Halbkreise, Ovale, Palmetten usw., dekoriert. Sie lassen sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. 30 Jahre danach ist von diesen kulturhistorisch wertvollen Türen nur noch die bemerkenswerte Haustür am Joachimberg 4 erhalten!

Joachimberg in Bergen 1995

Joachimberg in Bergen 1995

Alte kulturhistorisch wertvolle Haustüren befanden sich vor allem in der Wasserstraße. Gerade hier sind aber viele Häuser „modernisiert“ und die Türen vernichtet worden.

Barocktür im Joachimberg 1987

Barocktür im Joachimberg 1987

Diese bedauerliche Entwicklung steht im Widerspruch zu anderen Kulturlandschaften. Gerade in den Kleinstädten und Dörfern im Norden der alten Bundesländer oder in Dänemark wird die Liebe und das historische Verständnis der Bewohner zu ihrem Haus durch eine traditionelle Pflege deutlich. Da werden defekte Tür- und Hausteile im alten Sinne ergänzt und mühevoll eingefügt. Da werden die alten vierteiligen Fenster beibehalten und die geringe Raumgröße der Zimmer nicht geändert.

Joachimberg in Bergen 1974

Joachimberg in Bergen 1974

Aber gerade das gesamte dörfliche und städtische Ensemble macht den touristischen Reiz dieser Ortschaften aus. Einige Kleinstädte auf Bornholm sind z. B. mit UNESCO-Diplomen für die Erhaltung ihres historischen Stadtbildes ausgezeichnet worden und genießen dadurch touristische Sehenswürdigkeit.

Die Tür des Hauses Joachimberg 4, in dem sich in den 30ger Jahren eine Jugendherberge befand, besitzt eines der seltenen plastischen Türfelder. Zwei Figuren auf einem Sockel stellen die Göttin Fortuna mit ihrem Segen bringenden Füllhorn da. Erhalten hat sich auch das reich gegliederte Türblech mit einer schlichten Türklinke. Leider ist eine Türklinke bereits entfernt und ein Türblech beschädigt. Hier wünscht man sich durch die gegenwärtigen Nutzer eine verständnisvolle Restaurierung und Ergänzung. Möglicherweise läßt sich das reichhaltige Dekor des Türrahmens durch eine mit der Baudenkmalpflege abgestimmte Farbtönung deutlicher herausarbeiten.

Dieses Haus ist heute, wie manche Bürgerhäuser in Bergen, mit einem hässlichen Rauputz versehen, unter dem sich ein die Außenwände gliederndes Fachwerk vermuten läßt. So erhebt sich die Frage, ob nicht der dem Haustyp und der pommerschen Tradition entsprechende Fachwerkbaustil wieder angestrebt werden sollte?