Kriegervereine auf Rügen – ein trauriges Kapitel Heimatgeschichte
(OZ v. 17.2. und 24.2.1977) Die Propagierung militärischen Gedankengutes vollzog sich zu einem beträchtlichen Teil den Kriegervereinen. Sie schossen nach den Kriegen Preußens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Pilze aus der Erde. In geschickter Weise verband man das Kriegserlebnis der Teilnehmer als einen nachhaltigen psychologischen Faktor mit einem natürlichen Wunsch nach Geselligkeit.
Kriegervereine prägten die öffentliche Meinung und besaßen gerade auf dem Lande eine gefährliche politische Ausstrahlung. So sind sie in ihrer Bedeutung keinesfalls zu unterschätzen. Ausgang des 19. Jahrhunderts existierten fast 10 000 Kriegervereine mit einer Million Mitgliedern in Deutschland. Der Bezirksverband „Neuvorpommern“ umfasste zu dieser Zeit etwa 30 Vereine mit über 3000 Mitgliedern. Trotz des Zusammenbruches des kaiserlichen Reiches und der Niederlage im 1. Weltkrieg blühte dieses „Kriegertum“ auch in der Weimarer Republik. Auf Rügen erreichte es mit 33 Vereinen und etwa 3000 mitgliedern im Jahre 1928 einen traurigen Höhepunkt!
Und es wuchs auf einem fruchtbaren, reaktionären Boden. Anlässlich einer zeitgleichen Propagandafahrt der Presse berichtete der fortschrittliche Journalist und Schriftsteller Joseph Roth, ein Freund Egon Erwin Kischs, über diese anachronistischen Zustände auf Rügen: „Man empfing uns also mit monarchistischen Fahnen und mit schmetternden Militärmärschen. Wir speisten in Sälen der Kulturhäuser, an deren Wänden Kaiserbilder hingen. In Binz wehten zwei große Hakenkreuzfahnen von den Giebeln eines großen Strandhotels“ (Roth, J., Das Hakenkreuz auf Rügen. In: „Damals in den zwanziger Jahren“. Berlin, Leipzig, 1963, S. 136 ff.). Ironisch fragte er, ob „man auf Rügen noch nichts von der inzwischen geänderten deutschen Staatsverfassung gehört habe“. Wir wissen, dass die Arbeiterparteien SPD und KPD auch auf Rügen gegen diese Verhältnisse einen schweren und unerbittlichen Kampf geführt haben.
Die stärksten Kriegervereine bestanden in Sassnitz und auf Mönchgut mit fast 200 Mitgliedern, dann folgten Bergen und Garz. Den Kreisvorstand hatte längere Zeit mit Dr. med. Biel, ein bekannter Bergener Bürger, inne. Als Beisitzer fungierten dann aktive und ehemalige Offiziere, wie der Rittmeister v. Schultz, der Gutsbesitzer in Granskevitz war und auch beim Kapp-Putsch 1920 in Erscheinung getreten war.
Die angeblich „unpolitische“ Haltung der Kriegervereine wird durch ihre Zielsetzung ad absurdum geführt. So umreißt die „Stralsundische Zeitung“ vom 2. Februar 1892 die Aufgabe „in Einigkeit treu zu Kaiser und Reich zu stehen, … und Gut und Blut für den König einzusetzen. – wenn es einmal gelten sollte, …“.
22 Jahre später galt es, und 1100 Rügener zogen ins „Feld“. Die Kriegervereine galten auch als Bollwerk gegen den „verderblichen Einfluss der Sozialdemokratie“. Im Mai 1907 forderte der damalige pommersche Oberpräsident v. Maltzahn-Gültz von den Vereinen, alle „Bestrebungen gegen die Grundlagen unseres Staatslebens und unserer Gesinnung abzuwehren, wie sie die Sozialdemokratie vertritt“.
Die Kriegervereine kamen regelmäßig (in Garz zum Beispiel im damaligen „Hotel du Nord“) zu sogenannten Apellabenden zusammen, an denen nationalistische Vorträge gehalten wurden, wie „Die Schöpfung des deutschen Kriegsheeres“ oder „Wie Deutschland den Elsass verlor und wieder zurückeroberte“. Anschließend wurde ein „Umtrunk“ gereicht. Ihr öffentliches Auftreten erfolgte dann an Staatsfeiertagen, wie Kaisers Geburtstag oder dem Sedanstag, und bei der Einweihung zahlreicher Kriegerdenkmäler.
Der sowjetische Schriftsteller Kasakewitsch schilderte uns seine persönlichen Eindrücke im Jahre 1945 folgendermaßen: „Fast in jedem Städtchen standen Kriegerdenkmäler von 1813, 1866, 1870-71 oder 1914-18, errichtet vom „dankbaren Vaterland“ und den „dankbaren Mitbürgern“. Es gab kaum ein Denkmal für einen Dichter oder Komponisten. Für die Welt war Deutschland einst das Land Goethes, Beethovens und Dürers, aber hier regierten Friedrich, Bismarck und Moltke“ (Kasakewitsch, E., Frühling an der Oder. Berlin, 1953, S. 218 f.).
Dabei waren diese Denkmäler oft geschmacklos errichtet und zerstörten wieder ältere Kulturdenkmäler, wie historisch wertvolle Grabstätten (z. B. auf dem Friedhof von Lancken-Granitz) oder Hünengräber, deren Findlinge entfernt wurden. Proteste der Denkmalpflege verhallten ergebnislos.
Nach dem ersten Weltkrieg entstanden daneben neue militärische Wehrverbände, die die gleiche Zielsetzung verfolgten. Auch sie propagierten demagogisch einen „Frontsozialismus“ und dienten der Militärkaste.
Am bedeutendsten war der „Stahlhelm – Bund der Soldaten“. Er wurde im Dezember 1918 vom Hauptmann d. R. und Fabrikanten Franz Seldte in Magdeburg gegen die Revolution gegründet. 1929 umfasste der „Stahlhelm“ 500 000 Mitglieder. Da in ihm das Junkertum, Kleinbürgertum und gewisse Schichten der Landarbeiter vertreten waren, fand er auch auf Rügens beträchtlichen Widerhall. Am 16. September 1928 überfielen „Stahlhelmer“ bei einem Aufmarsch Garzer Arbeiter und verletzten sieben Rot-Front-Kämpfer schwer.
Alle diese Verbände bildeten eine Bürgerkriegsreserve und übernahmen auch die wehrsportliche Ausbildung der Jugend (zum Beispiel im Jungstahlhelm).
Von ihnen führte eine direkte Linie zur faschistischen Machtergreifung. Das zeigt sich auch darin, dass der Gründer des „Stahlhelms“, Franz Seldte, in der ersten gleich zu Beginn der Hitlerregierung ein Ministeramt erhielt.
Es braucht nicht weiter betont zu werden, dass in der damaligen sowjetisch besetzten Zone diese Vereine verboten wurden. Ihr revanchistisches und militärisches Gedankengut ist einer humanistischen und friedliebenden Weltanschauung fremd.
Zu einer genaueren Darstellung der Funktion und Bedeutung der militärischen Wehrverbände auf Rügen können die Heimatforscher und Ortschronisten sicher noch manches Wichtige beitragen.