Ostsee-Zeitung, 31. Januar 1996, – Leserbriefe
Mit großer Anteilnahme habe ich die bewegenden Gedanken zum 10. Todestage des Rüganers Friedrich Wilhelm Furthmann gelesen und bin darüber dem Autor Uwe Weidemann sehr dankbar. Ich kannte Furthmann, der nur wenige Kilometer von meinem damaligen Heimatort Lobbe entfernt wohnte, seit 1954. Damals bin ich über ihn mehr oder weniger zum Studium der Ur- und Frühgeschichte veranlasst worden.
Furthmanns wissenschaftliche Bedeutung wäre eine gesonderte Studie wert. Er beschäftigte sich ja auch mit der rügenschen Volkskunde und hatte dazu eine große Materialsammlung durch Befragen älterer Einwohner angelegt. Wie feierte man etwa um 1900 die kirchlichen und weltlichen Feste, welche Kartenspiele waren üblich (in Lancken-Granitz gab es einen Whist-Club), was wurde zu den Feiertagen gegessen usw.? Natürlich ging es F.-W. Furthmann nicht um vordergründigen „Lorbeer“, aber es erfüllte ihn doch mit Stolz, wenn namhafte Historiker ihn aufsuchten. Ich entsinne mich, dass er einen Brief des damaligen Experten für die nordische Bronzezeit, Prof. Sprockhoff aus Kiel, aufbewahrte, der ihm zum Fund einer seltenen bronzenen Zierscheibe gratulierte.
Furthmanns Erbe wird von uns Archäologen weiter bewahrt. Seine Erkenntnisse fließen sowohl in Forschungen oder Museen wie auch in die universitäre Ausbildung in Greifswald und Berlin ein. So lebt sein Werk weiter. Es dürfte von Interesse sein, dass sein Enkelkind, Kirstin Furthmann, inzwischen an der Humboldt-Universität das Fach Ur- und Frühgeschichte studiert und auch so die Familientradition weitergeführt wird.
Furthmann lebte nun nicht in der Vergangenheit. Er verstand sein Werk im Dienst für die Gegenwart und Zukunft. Rügen hat einen einmaligen Reichtum an Denkmälernunserer vorzeit im deutschen Raum und in einer noch intakten Umwelt. Dabei sind auch sie nur der kärgliche Rest einer ursprünglichen Fülle, deren Konzentration im Südosten Rügens dem Schutz der Fürsten von Putbus und nach 1945 eines intensiven Denkmalschutzes unter der Ägide Friedrich Wilhelm Furthmanns zu verdanken ist.
Wie geht das heutige Rügen mit dem kulturellen Erbe und dem Vermächtnis Furthmanns um? Das ist eine der bewegenden und provokativen Fragen, die das Flair, den Charakter und einen Teil der Zukunft der Insel Rügen betreffen. Die Verantwortung zur Bewahrung des kulturellen Erbes steht vor den Rüganern und den entsprechenden Behörden. Die Insel Rügen und ihre kulturellen und historischen Besonderheiten gehören allerdings im übertragenen Sinne nicht den Rüganern allein, wie oft vordergründig und ohnehin meist von Außenstehenden propagiert wird. Dazu sind die Kultur und Natur Rügens in Mitteleuropa zu einzigartig und erscheinen einige einheimische Forderungen zu einseitig, zu kurzsichtig und zu subjektiv.
Eigentlich geht von diesen „uralten bemoosten“ Hünen und Hügelgräbern der Stein- und Bronzezeit ein so geheimnisvoller Reiz aus, über den schon Kosegarten im 18. Jahrhundert schrieb, dass ihre Präsenz und die sie umgebende, integrale Landschaft einen überaus gewichtigen Teil rügenscher Touristik und zu bewahrender Kulturlandschaft bilden müsste und keiner so gewichtigen (und teuren) Planungsbüros aus fernen oder nahen Landen bedarf.
Bereits heute finden aus vielen Universitäten und Wissenschaftsgesellschaften Deutschlands studentische und allgemeine archäologische Bildungsreisen nach Rügen – auch zum Nutzen und Frommen des einheimischen Gaststätten- und Hotelgewerbes, das sich eigentlich auch einmal fördernd zu dieser Natur- und Kulturpflege positionieren muss, statt.
Furthmanns Wunsch nach einem zentralen rügenschen Museum (ohne Aufgabe der übrigen), nach besserer (und damit teurerer) Beschilderung der archäologischen Denkmäler, nach (wissenschaftlich) geeigneten Wanderheften oder Faltblättern usw. steht schon seit Jahrzehnten.