Der „Svantevit“ von Altenkirchen

Ostsee-Zeitung, 05. 03. 1992, S.12

„Er sieht mehr einem Ungeheuer als einem Gotte ähnlich …“:

„Nachdem ich Arkona nebst seiner Burg Jaromarsborg in Augenschein genommen hatte, …, bin ich zurückgekehrt nach Altenkirchen,einem überaus alten Dorfe. Dort wurde mir in der Vorhalle zum Gotteshause das in Stein gemeißelte Bild des Svantevit, des sehr alten Götzen der Rügianer, gezeigt.“ So berichtete der Chronist Johann Lübbeke (geboren 1520).

Altenkirchen. Eingang zu Kirche und Friedhof. Aufnahme A. Leube vor 1988

Der heute noch erhaltene Stein zeigt einen Slawischen Mann mit Kinn- und Knebelbart, kaftanartig gegürteltem Rock, Schuhen und spitzer Mütze. Er hält ein großes Horn in den Händen. Heute vermutet man – eine ähnliche Figur ist in der Kirche von Bergen eingemauert, einen slawischen Grabstein oder eine Abbildung einer Gottheit bzw. eines Priesters darin. Johann Lübbeke hatte eine eigene Meinung: „Man sieht klar, es ist das Abbild eines bösen Geistes“, denn:  „Er sieht mehr einem Ungeheuer als einem Gotte ähnlich …“.

Altenkirchen – Swantevitstein – nach Herrmann, Die Slawen in Deutschland, 1970, Abb. 122

Slawen auf Wittow. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts wurde das weitgehend unbesiedelte Wittow von den Slawen erschlossen. Sie legten erste Siedlungen an und rodeten die dichten ursprünglichen Eichen-Ulmen-Wälder. Erst jetzt breitete sich die Buche aus. Die Slawen legten Getreideäcker an, es entstanden größere Wiesenflächen.

Burgwall Arkona. Luftaufnahme. 1970 – nach Joachim Herrmann, Die Slawen in Deutschland, Abb. 6a

Zum Bau der slawischen Burg wurden seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gleichfalls Eichen- und Ulmen gerodet. Im Schutze der Burg entstanden besonders nach dem Jahre 1000zahlreiche kleine Siedlungen zwischen Putgarten und Varnkevitz. Im Ortsnamen Putgarten steckt das slawische „pod gorod“, d. h. „unter der Burg bzw. Stadt“. Mit der Eroberung der slawischen Burg durch die Dänen und ihre Verbündeten 1168 setzte eine Entsiedlung und Wiederbewaldung ein. Es waren nun Eichen-Hainbuchen-Wälder, die seit dem 14. Jahrhundert mit dem Ausbau Altenkirchens gerodet wurden.

Burgeingang der Slawenburg von Arkona, Rekonstruktion. Nach Joachim Herrmann, Die Slawen in Deutschland, 1970, S. 184, Abb. 81.

Wittow in jüngster Zeit. Schließlich machte sich der Schrecken des 30-jährigen Krieges (1618-1648) mit seiner Entvölkerung weiter Teile Rügens auch auf Wittow in einer Versteppung der Landschaft bemerkbar. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich gerade der Zuckerrübenanbau durch. 1894 wurden bereits über 10 000 t Rüben über den Hafen von Wiek verschifft.

Segelschiffahrt auf Wittow. An der „Bullerhürn“ wurden im 19. Jahrhundert die Wieker Segelschiffe in Winterlage gebracht und an Pfählen verankert. 1881 gab es auf Wittow noch 65 Segelschiffe, daruntereine Bark und 42 Schoner. Knapp zwei Jahrzehnte später war nur noch ein Drittel an Schiffen vorhanden, darunter 11 der kleinen Schaluppen. Bereits 1902 war die Wittower Schifffahrt unbedeutend, z. B. gab es in Breege nur noch die Galeas „Concordia“ des Kapitäns Müther. Bekannte Kapitäne waren Klieckow, Berg, Birnbaum, Käning und Rogge. Aus Breege sowie Schröder, Woywode, Woitge und Vetterick aus Wiek. Die Leistungsstärkere Dampfschiffahrt hatte sich durchgesetzt.

Der Wieker Hafen galt als wichtiger Umschlagplatz, der allein 1901 von über 110 Schonern, Galeassen, Schaluppen und Kähnen angesegelt wurde. Es bestand eine feste Linie Stralsund – Hiddensee – Wiek am Ende des 19. Jahrhunderts, die von den Dampfern „Caprivi“ und „Britannia“ durchgeführt wurde. Die Linie Stralsund nach Breege übernahm der Dampfer  „Germania“. Von Breege ging eine kleinere Schiffsverbindung nach Lietzow. Zweifellos würde die Wiederbelebung dieser und weiterer Schiffslinien den Straßenverkehr entlasten, umweltfreundlicher sein und einige Arbeitsplätze schaffen.

                                                                                                                Dr. Achim Leube