1904 stand ganz Mönchgut unter Wasser

(OZ v- 31.12.1976) In den Monaten November bis Januar treten nach allgemeinen Erfahrungen an unseren Küsten die meisten „Sturmfluten“ auf. Richtiger müsste man sie Sturmhochwasser nennen, da es keine Fluten im Sinne eines Gezeitenwechsels sind. Nach statistischen Erhebungen trat seit 1044 alle 17 bis 19 Jahre ein größeres und etwa alle fünf Jahre ein kleineres Sturmhochwasser auf.

Bei einem schweren Sturmhochwasser erreicht der Wasserstand mehr als 1,5 Meter über Mittelwasser (MW). Ausgelöst werden diese Naturkatastrophen im Ostseegebiet z. B. durch charakteristische Wetterlagen in Verbindung mit anhaltenden Stürmen aus dem Norden. Das Ausmaß des Hochwassers hängt vom Füllungsgrad des Ostseebeckens ab. So wird bekanntlich bei andauernden Westwinden Nordwasser hineingedrückt, und das kann beim Umspringen des Windes nach Norden nicht so schnell durch Sund und Belt entweichen. Das war 1954 der Fall. Seit dem 27. Dezember 1953 war Nordseewasser in die Ostsee gelangt und hatte sich in deren östlichen Teilen gestaut. Der Wind drehte auf Nord und Nordost und entwickelte sich am 3. Januar 1954 zum Sturmtief.

Thießow, Oststrand 2004

Thießow, Oststrand 2004

Die Flutwelle trifft dann mit voller Wucht die Ostküste Rügens (1904 maß sie  mit 8,5 km/h) und bei Nordwestwinden auch Hiddensee. Hier ist vor allem der Dornbusch gefährdet, der 1904 um 5 bis 15 m verkürzt wurde. Dieses Hochwasser von 1904 gehört mit denen von 1872, 1913/14 und 1954 zu den bedeutendsten Hochwassern der letzten 100 Jahre.

Vom 30. zum 31. Dezember 1904 wurden auf Arkona fast 2 m, in Sassnitz 2,2 m, in Göhren 2,5 m und in Glowe sogar über 3 m über MW gemessen. 1954 erreichte der Wasserstand auf Mönchgut 1,6 m über MW.

Oft ist das Hochwasser mit einem starken Temperaturwechsel und schwerem Schneegestöber verbunden. So war es auch 1904, als die Flut besonders Mönchgut heimsuchte. Am 31. Dezember war die Halbinsel mit Ausnahme seiner Erhebungen gänzlich überschwemmt. Die Dünen am „langen Strand“ waren weggespült – wie auch 1954 – und der Deich in Thiessow zusammengestürzt. Das Wasser stand im Ort 0,7 bis 0,8 m hoch.

Wenige Stunden nach Eintreffen der Flutwelle an der Ostseeküste wird auch das Boddenhinterland erreicht und überschwemmt. Gefährdet war immer das Niederland Hiddensees. In Neuendorf-Plogshagen blieben 1872 von 57 Häusern nur vier unversehrt. Auch 1954 mussten einige Häuser geräumt werden. Teilweise standen die Orte Breege, Dranske und Libitz unter Wasser. Überschwemmt wurden die Chausseen Kuhle – Banz (1904), Garz – Groß Schoritz und Lancken-Granitz – Sellin (1954). Teilweise hatte das Wasser 1954 die Orte Klein-Zicker, Neu-Reddevitz und Lüßvitz eingeschlossen.

 Thiessow, Steinmole am Oststrand 2004.

Thiessow, Steinmole am Oststrand 2004.

Obwohl seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schützende Steinwälle und Deckwerke geschaffen wurden, musste doch für größere Schutzanlagen und ein wirksames Warnsystem gesorgt werden. Am bekanntesten dürfte dabei das fast 2,2 km lange Rauhdeckwerk auf Hiddensee sein. Vor der Ortslage Dranske entstand nach polnischem Vorbild ein T-förmiges Buhnensystem, dessen Standfestigkeit durch 500 Kilogramm schwere Sandsäcke erhöht wurde. Während der letzten 30 Jahre wurden auf Rügen außerdem Boddendeiche mit einer Gesamtlänge von etwa 40 Kilometern geschaffen.

2 Gedanken zu „1904 stand ganz Mönchgut unter Wasser

  1. Frank Papenfuss

    Der Ewer „Delphin“ wurde am 31.12.1904 bei Heidhof in der Prorer Wiek an den Strand geworfen und später zum Restaurant „Der fliegende Holländer“ umgebaut. Gibt es Informationen über Betriebsdauer und Verbleib dieses Restaurants? Mit freundlichen Grüßen Frank Papenfuss aus Rostock

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    1. Prof. Dr. Achim Leube Beitragsautor

      In den 60er Jahren muss sie noch existiert haben, ich habe das Wrack und die darin befindliche Gaststätte dort noch selbst gesehen.

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