Archiv für den Monat: Juni 2013

Bergen entstand aus drei kleinen Orten

(OZ v. 20.1.1978)

Alte Straßennamen erinnern an historische Ereignisse

Straßen- und Ortsnamen können uns interessante Hinweise zur Geschichte und Wirtschaft sowie zu historischen Ereignissen geben. Sie sind damit als Geschichtsquellen von Bedeutung.

Die Stadt Bergen trägt ihren Namen nach ihrer markanten Geländelage auf dem eiszeitlichen Rugard-Massiv, etwa 60 bis 80 Meter über dem Meeresspiegel. In ältesten Überlieferungen trägt der Ort noch die slawische Bezeichnung „Gora“, die sich auch in Goor und Göhren erhalten hat und gleichfalls „Berge“, „Berg“ bedeutet. Seit 1278 hat sich dann der Name „Berghe“ oder „Berchenn“ durchgesetzt.

Verschiedene Geschichtsforscher vermuten, dass die heutige Stadt aus drei kleineren Orten erwuchs. So unterschied man 1314 zwischen einer „villa montis“ (sie entspricht dem Dorf bzw. der Ansiedlung Bergen) und der „villa Gatemin“, d.h. dem Dorf Gatemin. „Villa“ ist die lateinische Bezeichnung für eine kleine Ansiedlung. Eine weitere Ansiedlung unbekannten Namens könnte am „Goldenen Blinken“ gelegen haben, wobei der freie Platz möglicherweise den alten Dorfanger darstellt.

Kantorenhaus in Bergen 1987

Kantorenhaus in Bergen 1987

Genaueres lässt sich den alten Urkunden leider nicht entnehmen. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass bei Schacht- und Erdarbeiten in der Stadt Bodenfunde, wie altertümliche Scherben, Metallgeräte, Münzen, Findlingsmauern und ähnliches, wertvolle stadtgeschichtliche Hinweise geben können.

Erst durch Bodenfunde wissen wir, dass Bergen wirklich in diesen Stadtteilen im 12. Jahrhundert bewohnt war.

Einen der ältesten Sakralbauten im Norden Deutschlands bildet die Marienkirche. Sie wird bereits 1193 mit einem Nonnenkloster geweiht. Ein halbes Jahrhundert später wird der Marktplatz, zu DDR-Zeiten „Karl-Marx-Platz“, als „forum principale“ (etwa „fürstlicher Markt“) erwähnt. Hier lag auch eine Gastwirtschaft, die bereits 1232 als „taberna in Gora“ in den Urkunden auftritt.

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Marienkirche in Bergen 1987

Die Straßennamen wechselten in jüngster Zeit mehrfach. In der DDR-Zeit gingen z. B. von den vier Ecken des unregelmäßigen Marktplatzes die Vieschstraße, die Straße der Solidarität, die Straße der Jugend, die Dammstraße und die Calandstraße als ursprünglich bedeutendste ab.

Die in der DDR-Zeit als „Straße der Jugend“ bezeichnete Straße war die ursprünglich nach Jasmund führende „Raddaser Straße“. Sie gewann erst nach dem Bau der festen Landverbindung bei Lietzow 1868 an Bedeutung. Davor verlief sie als Feldweg. In ihrem oberen Teil war sie jedoch bereits Anfang des 17. Jahrhunderts gepflastert.

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Kalandstrasse in Bergen 1987

Die Calandstraße. Die Verbindung nach Gingst und Trent verlief zunächst über die Calandstraße und den unteren Teil der heutigen Bahnhofstraße, die wiederum „Gingster Straße“ oder noch früher „lange Gasse“ genannt wurde. Die Calandstraße hat eine interessante Vergangenheit. Hier befand sich das Haus der rügenschen „Caland“, einer katholischen Brüderschaft. Sie traf sich jeden ersten Tag im Monat, dem sogenannten „calandae“. Dieser Caland wird bereits im 14. Jahrhundert genannt und löste sich mit der Reformation im 16. Jahrhundert auf. Er hatte sich zum Schluss zu einer Adelsverbindung – offenbar unter der Leitung der Putbusser Fürsten – entwickelt, die hier Zechgelage abhielten. Als Sitz des Caland vermutet man die Grundstücke Calandstraße 3-4.

Dammstrasse in Bergen 2008

Dammstrasse in Bergen 2008

Die Dammstraße. Sie trägt ihren Namen nach dem Steindamm, denn nicht jede Straße war in der Stadt gepflastert. Sie wird am 11. Oktober 1621 zum ersten Mal erwähnt, als die hier gelegenen Häuser einem Stadtbrand zum Opfer fielen. Über die Dammstraße, dann entlang der Stralsunder Straße führte vor dem Chausseebau die Verbindung nach Stralsund.

Königstrasse in Bergen 1974

Königstrasse in Bergen 1974

Die Straße der Solidarität. Sie führte zur alten Mönchguter Landstraße, die der heutigen Bäderchaussee zum Teil entspricht. Sie hieß früher „Königstraße“ und wird so um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwähnt. Da der Name sich nicht erklären lässt, könnte es sich um die allgemeine Bezeichnung einer Hauptstraße, die im Mittelalter als „Königsstraßen“ (via regia) bezeichnet wurden, gehandelt haben.

Weihnachten – Der Bärtige Alte ist jünger als wir vermuten

(OZ v. 24.12.1976)

Das christliche Weihnachtsfest wurde zu DDR-Zeiten als das Fest des Friedens und der Völkerfreundschaft bezeichnet.

In den Weihnachtsfeiertagen können wir uns auf das im vergangenen Jahr Vollbrachte besinnen und Kräfte für das neue Jahr sammeln.

In diesem Grundgedanken besitzt Weihachten eine uralte Wurzel.

Die heutige Form des Feierns sowie viele Bräuche und Sitten gehen auf eine Mischung vorchristlicher Hochwinterfeste zum römischen Jahresbeginn am 25. Dezember zurück, dem Tag der unbesiegbaren Sonne. Die Christen feiern die Geburt Jesu.

Die Germanen Mittel- und Nordeuropas begingen in der Mitte des Dezembers ihr Mittwinterfest, das sogenannte Julfest. Mit der Sonnenwende verbanden sie einen Kampf mit den Dämonen und übten Fruchtbarkeits- und Toten-Zeremonien aus. Manches davon hat sich bis in die Gegenwart erhalten, so die Umzüge der Jugend, der Schimmelreiter und die Klapperböcke gegen Geister des Unheils. Einige Tiere hießen bezeichnenderweise „de swarte Oß“. Besonders gefährdet waren die 12 Nächte nach dem 25. Dezember (bis zum 6. Januar, dem christlichen Tag der Heiligen Drei Könige). In dieser Zeit durften bestimmte Speisen (z. B. Hülsenfrüchte) nicht gegessen werden. Man räucherte mit Wacholder, versteckte den Waschlappen (weil er den Tod bringt) und stellte als Schutz die Axt vor das Haus.

In dieser sturmreichen Zeit tobte der „wilde Jäger“ oder auch der „Wode“ bzw. „de Wor“ durch die Lüfte. Es ist die Erinnerung an die germanische Gottheit Wodan. Viele Sagen gab es auf Rügen über ihn. So traf man ihn in den Ralswieker Bergen, in der Garzer Heide und auf den Dollahner Höhen. Als Schimmelreiter ist er aber auch den Fischern begegnet.

Sogenanter Bügelbaum, Weihnachtsschmuck der Seeleute

Sogenanter Bügelbaum, Weihnachtsschmuck der Seeleute

Obwohl es bei den Völkern schon seit frühen Zeiten auch eine Baumverehrung gab, ist die Sitte des Weihnachtsbaumes noch sehr jung. Erst seit dem 16. Jahrhundert ist er bei uns nachweisbar. Eine Sonderform bei den Küstenbewohnern war der sogenannte Bügelbaum aus Hölzern, der mit Kerzen, Nüssen und Backwerk geschmückt wurde. Ihn gab es einst auf Hiddensee. Aber auch Stechpalme, Mistel und Wacholder als immergrüne Gehölze, denen man eine besondere Lebenskraft nachsagt, wurden in der Weihnachtszeit verwendet.

Der Weihnachtsmann als Glücksbringer und Verteiler von Geschenken erinnert sehr stark an den germanischen Gott Wodan. Ursprünglich verteilte nur der Nikolaus am 6. Dezember die Geschenke. In der Gestalt des „Herrn Winter“ als gutmütigen, Pfeife rauchenden alten Mann mit weitem Mantel tritt uns der Weihnachtsmann sogar erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts entgegen und wurde eigentlich erst von dem bekannten Maler Moritz von Schwind geschaffen.

Im winterlichen Brauchtum spielte früher auch der 11. November, der Martinstag, eine Rolle, da mit ihm das wirtschaftliche Jahr des Bauern endete. Jetzt wurde die gemästete Gans geschlachtet und man sagte: Ist St. Martins Gans am Brustbein braun, wird man mehr Schnee als Kälte schauen. Ist sie aber weiß, so kommt weniger Schnee als Eis. Auch das Schweineschlachten fand jetzt statt – daher trug der 11. November auch die Bezeichnung „Speckmärten“.

Sinnlos zerstört: Schloss Dwasieden

(OZ v. 4.4.1990)

In den Jahren 1873 bis 1876 wurde auf hohem Uferrand unweit von Saßnitz das Schloss Dwasieden nach dem Entwurf des damals bekannten Baurats Hitzig aus französischem Sandstein und schwedischem Granit errichtet. Die mit Säulen geschmückte Vorderfront war auf die See gerichtet. Die strenge und symmetrisch orientierte Schlossanlage mit durch Säulen gegliederten Seitenflügeln entsprach dem Stil der deutschen Renaissance. Auftraggeber war Geheimrat von Hansemann, der auch die Gutsherrschaft in Lancken/Jasmund besaß.

Sassnitz, Dwasieden, Uferpartie 2010

Sassnitz, Dwasieden, Uferpartie 2010

Zum Schloss gehörte ein umfangreicher Park mit vielen Wanderwegen entlang reicher Buchen- und Eichenbestände. Diese Waldung wird bereits 1519 erwähnt. Bemerkenswert sind einige kulturhistorische Denkmale. So liegt am Westrand des Parks ein bereits ausgegrabenes Hünengrab, das etwa 4000 Jahre alt ist. Weitere bronzezeitliche Hügelgräber befinden sich innerhalb des Parks auf einigen Anhöhen.

1936 wurde das Schloss von der Marine übernommen und diente als Offizierskasino. Als im Sommer 1948 die Kasernen der ehemaligen Marine-Garnison gesprengt wurden, fiel dieser Maßnahme auch das Schloss zum Opfer, völlig sinnlos. Im Saßnitzer Stadtarchiv befindet sich eine Notiz vom 16. April 1948, aus der hervorgeht, dass der damalige Gemeinderat einen Kreisbeschluss zur Sprengung des Schlosses Dwasieden zur Kenntnis nimmt.

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Sassnitz, Dwasieden, Marstall 2010

Marstall und Park übernahm in den 50ger Jahren die Nationale Volksarmee. Seitdem ist das Gelände gesperrt. Dwasieden war ein beliebter Ausflugsort und konnte früher mit dem Boot angefahren werden. Eine Treppe führte vom Strand zum Schloss auf die Uferhöhe.